Briten-Outsourcing in Indien
Kein Geld für einen schönen Ruhestand in England? Sieben Briten entscheiden sich in der neuen Komödie „Best Exotic Marigold Hotel“ von John Madden, ihren Lebensabend günstig und doch stilvoll in der gleichnamigen Luxusresidenz in Indien zu verbringen. Doch die Realität hat wenig mit den Versprechungen aus dem Prospekt gemeinsam: Das Hotel hat seine goldenen Zeiten schon eindeutig hinter sich.
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Die Gründe, warum sich die Senioren für das eigene Outsourcing entscheiden, sind unterschiedlich. Evelyn (Judi Dench) war ihr Leben lang Hausfrau und muss nach dem Tod ihres Mannes feststellen, dass sie in England keinerlei Perspektiven für ihre Zukunft hat. Muriel (Maggie Smith) ist zwar voller Vorurteile gegen Indien und auch sonst recht menschenfeindlich - aber in Europa kann sie sich die dringend benötigte Hüftoperation nicht leisten.

2011 Twentieth Century Fox
Evelyn (Judi Dench) sucht neue Perspektiven in Indien
Jean (Penelope Wilton) und Douglas (Bill Nighy) haben ihr ganzes Geld in das erfolglose Start-up ihrer Tochter investiert und wünschen sich trotzdem einen Hauch von Luxus für ihr restliches Leben. Madge (Celia Imrie) will sich einen reichen Maharadscha aufreißen, und Norman (Ronald Pickup) hofft auf hübsche junge Liebhaberinnen. Der Einzige, der vom Kulturschock in Indien nicht überrascht ist, ist Graham (Tom Wilkinson). Er hat bereits seine Kindheit dort verbracht und versucht nun, Jahrzehnte später, verpasste Gelegenheiten nachzuholen.
Kakerlaken beim Namen nennen
In der Seniorenresidenz angekommen, müssen die sieben erkennen, dass das angepriesene Luxushotel nur in den Träumen des jungen Inders Sonny (Dev Patel) existiert, der plant, den ehemaligen Palast wieder auf Vordermann zu bringen. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, während dem sich für die Gäste einstweilen genug Gelegenheit bietet, den Kakerlaken Namen zu geben, die Vögel aus den Schlafzimmern zu vertreiben und sich als Hobbyinstallateure zu betätigen.
Doch die Unannehmlichkeiten zwingen die Briten auch, sich völlig neu mit ihren Träumen auseinanderzusetzen und lässt die Indien-Reise völlig überraschend vom erwarteten ruhigen Lebensabend zum Neustart werden.

2011 Twentieth Century Fox
Der heruntergekommene Palast wird für die ausgewanderten Senioren mehr oder weniger schnell zur neuen Heimat
Die Paradedisziplin von Madden
Madden, der mit „Shakespeare in Love“ Erfolge feierte und zuletzt seinen Thriller „Eine offene Rechnung“ präsentierte, kehrt mit „Best Exotic Marigold Hotel“ wieder zu seiner Paradedisziplin zurück. Mit viel Humor, Romantik und einer Portion Kitsch setzt er die auf einem Roman von Deborah Moggach basierende Story sehr liebevoll um.
„In dieser Geschichte wird die bisherige Definition von Alter und Reife unbrauchbar“, fasst Madden die Idee hinter der Produktion zusammen. „Denn diese Figuren fühlen sich durch die Situationen, in die sie geraten, plötzlich wieder jung.“ Die Charaktere befänden sich in den unterschiedlichsten Formen von emotionaler Neuorientierung, in neuen Freundschaften, Liebesbeziehungen und Rivalitäten, so der Regisseur. „Diese emotionale Mischung entzündet sich in Wutausbrüchen, die sehr komisch sind.“
Eine Komik, die Maddens Hauptdarsteller grandios, mit trockenem Humor auf die Leinwand bringen. Für die Besetzung hat der Regisseur die Creme de la Creme der britischen Senioren-Schauspielelite zusammengetrommelt, die mit den pointierten Texten das reinste Feuerwerk an Bonmots zünden.
Indien als Leinwandklischee
Doch schauspielerische Leistungen retten nicht immer darüber hinweg, dass Madden allerhand Indien-Stereotype vom Farbenrausch über das Verkehrschaos bis zur angeblich ungebrochenen Lebensfreude auf dem Subkontinent verwurstet. Aber auch Belehrendes über Indien lässt der Regisseur nicht aus - vom Elend des Kastensystems bis zu den Sorgen von Akademikern, die gut ausgebildet im Callcenter schuften müssen.
Tiefsinnigkeiten und besonders viele Überraschungsmomente finden sich in „Best Exotic Marigold Hotel“ genauso wenig wie der Luxus in der Residenz für „die Alten und die Schönen“. Doch die Feel-Good-Energie, die der Film durch den feinen und warmherzigen Witz vermittelt, gleicht das mühelos aus. Und: „Am Ende wird alles gut - und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende!“
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