Stückwerk trotz Kostenexplosion
Der Blaulichtfunk sollte ein bundesweites, gruppentaugliches und abhörsicheres Funksystem für Polizei, Rettung und Feuerwehr werden, geblieben ist ein Fass ohne Boden - und der Vorwurf von Schmiergeldzahlungen. Vergeben wurde das Projekt unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP).
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Zu der Kostenexplosion kommt auch eine erhebliche Zeitverzögerung dazu, nachdem Kärnten mitgeteilt hatte, auf die Bremse zu steigen. Solange das System aber nicht im Vollbetrieb ist, beginnt auch für das Betreiberkonsortium Tetron nicht die Vertragslaufzeit von 25 Jahren zu laufen. Sprich der Bund zahlt derzeit nach Abdeckungsgrad - heuer 17 Mio. Euro - und beim Vollausbau dann 25 Jahre lang rund 40 Mio. Euro jährlich. Dass dadurch Mehrkosten entstehen, bestreitet das Innenministerium.
Vollbetrieb erst ab 2017?
Die 40 Mio. Euro sind jedenfalls deutlich mehr als von der Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) beim Startschuss der Ausschreibung 2001 angekündigt. Schüssel war damals von 26 Mio. Euro für den laufenden Betrieb ausgegangen. Noch 2008 meinte die damalige Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), die laufenden Kosten würden bei 33 Mio. Euro jährlich liegen. Zuletzt zeichnete sich ab, dass sich der Vollbetrieb des Funknetzes auf 2017 verzögert.
Eigentlich sollte der Start schon 2009 bundesweit erfolgen. Bisher wurde das System erst landesweit in Wien, Niederösterreich und Tirol ausgerollt - mit zum Teil erheblich höheren Kosten als ursprünglich geplant.
In Niederösterreich war man 2005 von Investitionen von knapp neun Mio. Euro ausgegangen. Die jährlichen Betriebskosten wurden damals mit 300.000 Euro beziffert. 2010 waren die Aufwendungen durch die Decke geschossen: Nun lagen die Investitionskosten bei 24,7 Mio. Euro - das ist beinahe das Dreifache -, und die jährlichen Betriebskosten verdoppelten sich auf 653.000 Euro. Zusätzlich stellte das Innenministerium einen Zuschuss von 5,8 Millionen bereit, um die Blaulichtrealisierung nicht zu gefährden.
Reihe von Ungereimtheiten
Dass es bei der Vergabe des Blaulichtfunkes Ungereimtheiten gab, war schon lange bekannt - und beschäftigte auch das Parlament. Im Jahr 2008 wollte die SPÖ von der damaligen Innenministerin Fekter Details zu den Deals wissen, erfuhr aber streckenweise sehr wenig. Die Ministerin ließ unter anderem unbeantwortet, ob Peter Skorsch, im Innenministerium für das Projekt zuständig, in seiner Karenz für die „eurofunk Kappacher GmbH“ tätig war. Diese soll vorwiegend als Systemlieferant für Leitstellen- und Kommunikationstechnik tätig sein, wobei der Schwerpunkt auf der Planung und Errichtung von Einsatzzentralen und Systemlösungen für Feuerwehr, Exekutive, Rettungsdienste, Industrie und Gewerbe liegen soll.
Auch äußerte sich Fekter nicht, ob Bernhard Krumpel vom Kabinett des damaligen Innenministers Strasser in die Geschäftsführung der Tetron gewechselt ist - die den Zuschlag für das Projekt erhielt. Auch ob Wolfgang Gattringer (für das Projekt zuständiger Referent im Kabinett der Ministerin, Anm.) direkt vom Kabinett des BMI zur Firma Alcatel wechselte, ließ Fekter unbeantwortet.
Wer kündigte Mastertalk-Vertrag?
Dubios ist die damalige Vertragsauflösung mit dem ursprünglich siegreichen Konsortium Mastertalk (Siemens, Verbund, Wiener Stadtwerke, Raiffeisen Zentralbank). Laut Innenministerium vom Vorjahr hat Mastertalk damals den Vertrag aufgelöst. Laut Aussendung des Innenministeriums im Juni 2003, also zum Zeitpunkt der Auflösung, hat aber das Ministerium die Zusammenarbeit beendet. Nun wird dieser Widerspruch so erklärt, das Innenministerium habe den damals von Mastertalk gekündigten Vertrag noch einmal gekündigt.
Weiterhin unklar ist auch, warum die Republik nach der Vertragsauflösung an Mastertalk fast 30 Mio. Euro in einem Vergleich gezahlt hat und damals Stillschweigen über die Zahlung vereinbart hatte. Unterzeichnet wurde der Vertrag mit Mastertalk von Strasser, der auch für die Auflösung und die umstrittene Neuvergabe verantwortlich war.
Aus dem Innenministerium hieß es im Vorjahr, das System von Mastertalk habe „überhaupt nicht funktioniert“, die Projektfinanzierung „war nicht gegeben“. Das ist insofern überraschend, als doch im Mastertalk-Konsortium auch die Raiffeisen Zentralbank vertreten war und laut Bankchef Walter Rothensteiner schon 10 Mio. Euro investiert hatte.
Warum Mastertalk nicht auf Schadenersatz geklagt wurde, obwohl laut Innenministerium nicht einmal die Projektverantwortlichen von Mastertalk rechtzeitig genannt wurden, wurde 2011 damit begründet, dass damals ein Gesamtvergleich getroffen wurde.
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