Merkel: „Nicht allein Europas Problem“
Auch nach der mit Spannung erwarteten und als glimpflich verlaufen gewerteten Griechenland-Wahl bleibt Europa nach Ansicht von Beobachtern weiter der Hotspot der kriselnden Weltwirtschaft. Immer lauter wird dabei die Kritik am europäischen Krisenmanagement. Handlungsbedarf ortet anlässlich des G-20-Gipfels in Mexiko nicht nur die USA.
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Auch wenn aus dem Kreis der stärksten Volkswirtschaften der Erde (G-20) weiter Unterstützung für die Euro-Zone in Aussicht gestellt wurde, sehen viele Europa - vor allem Deutschland - in der Pflicht, die hausgemachte Schuldenkrise endlich in den Griff zu bekommen. Die internationalen Märkte zeigten sich im Vorfeld des Gipfels allerdings skeptisch, ob beim zweitägigen Treffen in Los Cabos tatsächlich überzeugende Strategien präsentiert werden.
Siebenter Gipfel nach Lehman
Bei dem G-20-Treffen in Los Cabos handelt es sich um den bereits siebenten Gipfel seit November 2008. Damals kamen die Staats- und Regierungschefs zusammen, um das Weltfinanzsystem nach der Pleite der US-Investbank Lehman Brothers vor dem Zusammenbruch zu bewahren.
Die Zeit drängt Beobachtern zufolge dennoch. Befürchtet wird, dass die Schuldenkrise in Europa zu einem Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung führen und damit die gesamte Weltwirtschaft gefährden könnte. Mehrere Euro-Staaten sind bereits in der Rezession, darunter neben Griechenland und den Niederlanden auch die beiden Euro-Schwergewichte Spanien und Italien.
Obama fordert auch Wachstumsstrategie
Zunehmender Druck Richtung Europa kam beim G-20-Treffen unter anderem von den USA und China. US-Präsident Barack Obama und Chinas Staatschef Hu Jintao erkannten grundsätzlich zwar an, zur Lösung beitragen zu müssen. Sie - wie auch Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh - erwarteten aber überzeugende und dauerhaft wirkende Maßnahmen der Europäer.
Obama wies auf die akuten Gefahren - auch für die langsam wachsende US-Konjunktur - hin: „Es ist jetzt an der Zeit sicherzustellen, dass alle von uns das Nötige tun, um das globale Finanzsystem zu stabilisieren." Es müsse mehr gegen die Euro-Schuldenkrise getan werden, damit die Märkte wieder Vertrauen fassten.“
Der US-Präsident hatte die Europäer bereits zuvor aufgefordert, ihre schwächelnden Banken zu rekapitalisieren sowie sich auf das Wirtschaftswachstum zu konzentrieren und nicht nur auf Sparprogramme. Das richtige Konzept für mehr Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Sanierung der maroden Finanzen in vielen Staaten gilt als einer der großen Streitpunkte des G-20-Treffens.
Hoffen auf „konstruktive Vorschläge“
Singh und Hu Jintao forderten nun jedenfalls wirksame Taten. „Die Welt ist in ernsten Schwierigkeiten“, sagte Singh. „Ich hoffe, die G-20 machen konstruktive Vorschläge, um die Welt aus dieser Krise zu bekommen.“ Für Hu Jintao müsse der Gipfel deshalb „ein Signal der Zuversicht an die Märkte“ senden.
Russlands Präsident Wladimir Putin warnte, die Schuldenkrise fördere die Bereitschaft, die eigenen Märkte gegen Konkurrenzprodukte abzuschotten. „Die finanzielle Instabilität hat unausweichlich zu einem Wachstum des Protektionismus geführt“, hieß es in einem Beitrag für die mexikanische Zeitung „El Universal“.
„Warten darauf, dass Europa sagt, was zu tun ist“
Sehr zugespitzt ging Weltbank-Chef Robert Zoellick mit den Europäern ins Gericht und nahm sich das Beispiel der milliardenschweren Rettung spanischen Banken vor. „Die Umsetzung war extrem dürftig“, sagte er vor dem Gipfel. „Wir warten darauf, dass Europa sagt, was zu tun ist.“
Der britische Premier David Cameron will in Mexiko laut vorab veröffentlichtem Manuskript den Druck auf die Euro-Zone - insbesondere Deutschland und die Europäische Zentralbank (EZB) - erhöhen. Die „Kern“-Euro-Staaten und die EZB müssten mehr gegen die Krise tun. Auch Großbritannien steckt in der Rezession.
Merkel gegen einseitige Schuldzuweisungen
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wies unterdessen die als einseitig empfundenen Schuldzuweisungen entschieden zurück. Die Schuldenkrise sei eben nicht allein Problem der Europäer, auch andere Wirtschaftsmächte stünden in der Pflicht, sagte sie nach der Ankunft an der Pazifikküste. „Hier wird jeder Kontinent seinen Beitrag leisten müssen. Jeder hat hier beim Weltwirtschaftsgipfel seine Hausaufgaben auch noch zu machen.“
Merkel hatte - auch mit Blick auf Forderungen Obamas und Frankreichs Staatschef Francois Hollande - bereits vor der Abreise zudem klargemacht, dass kostspielige, auf Pump finanzierte Konjunkturprogramme mit ihr nicht zu machen seien. Unmittelbar war die Euro-Krise auch Thema bei einem Treffen von Merkel mit Obama. Beide Politiker hätten „über die aktuelle Lage in der Euro-Zone gesprochen“, hieß es aus deutschen Regierungskreisen. Das Gespräch war ursprünglich auf eine halbe Stunde angesetzt, dauerte aber offenbar erheblich länger.
Barroso: Krise ging von USA aus
Mit scharfen Worten wies unterdessen EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso die Kritik an den Europäern zurück. „Ehrlich gesagt, wir kommen nicht hierher, um uns Belehrungen in Sachen Demokratie oder in Sachen Wirtschaftspolitik anzuhören“, sagte Barroso kurz vor Beginn des Gipfels. In Erinnerung rief Barroso zudem, dass die Krise nicht von Europa ausgelöst worden sei, sondern in den USA „durch die unorthodoxe Praxis in einigen Bereichen des Finanzmarktes“ ihren Ausgang genommen habe.
Auch EU-Ratspräsident Herman van Rompuy wies pauschale Kritik zurück: „Diese Krise braucht Zeit, um gelöst zu werden.“ Es gebe keine einfache Lösung. „Wie eine Feuerwehr zu arbeiten, ist nicht genug.“ Er sei gegen klassische Konjunkturprogramme. „Wir werden uns nicht mit Ausgaben aus der Krise freikaufen.“
Spanien wirbt um Vertrauen
Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos warb angesichts der sich zuspitzenden Schuldenkrise unterdessen für Vertrauen in sein Land. „Spanien ist ein solventes Land“, sagte er am Rande des Gipfels. Das südeuropäische Land werde zu Unrecht auf den Märkten abgestraft, sagte De Guindos weiter. „Das steht in keinem Verhältnis zu den Anstrengungen und dem Wachstumspotenzial der spanischen Wirtschaft.“ In den nächsten Tagen und Wochen müsse das auch von den Märkten anerkannt werden.
Die politischen Führer Europas halten nach den Worten des spanischen Wirtschaftsministers in der Krise zusammen. „Wir wissen ganz genau, dass wir im selben Boot sitzen.“
Garantie für Euro-Stabilität
Wie aus dem Entwurf der Abschlusserklärung hervorgeht, wollen die Staaten der Euro-Zone beim G-20-Gipfel auch eine Garantie für die Stabilität der gemeinsamen Währung abgeben. Die G-20-Mitglieder der Euro-Zone „werden alle notwendigen politischen Maßnahmen ergreifen, um die Integrität und Stabilität des Währungsraums zu sicher“, wird von der dpa aus dem Dokument zitiert.
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