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Von „Pizza Huh“ bis CCSTV

IPhone-Verschnitte mit lustigen Namen wie „hiPhone“, falsche Louis-Vuitton-Taschen, Spielekonsolen, die aussehen wie eine Wii oder PlayStation und doch fünf Jahre alte Technologie beinhalten: In China haben Plagiate Hochkonjunktur. Die Kunst der schlechten Kopie entwickelte sich in China zu einer Art Guerillakultur, bei der Subversion durch Parodie im Mittelpunkt steht: Shanzhai.

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Die chinesische Produktpiraterie ist für große Mode- und Elektronikkonzerne ein ernsthaftes Problem, für viele Konsumenten ein Ärgernis, hat aber zugleich wegen ihrer kuriosen Auswüchse - Parodien auf bekannte Markennamen, überzogenes Design - unbestreitbares Unterhaltungspotenzial.

Bauernschlaue Plagiatoren

Da wäre etwa die Shanzhai-Straße, deren Bilder einst durchs Netz geisterten: Ein Geschäftsmann in der Metropole Nanjing ließ eine Schaufensterreihe im Stil großer Fast-Food-Ketten gestalten - mit kleinen Änderungen. Das Resultat war eine Straße voller (leerstehender) Geschäfte mit Namen wie „Pizza Huh“, „Bucksstar Coffee“ und „McDnoald’s“.

Shanzhai mag der Raubkopie nahestehen, geht aber weit darüber hinaus. Das Wort selbst bedeutet konkret etwa „Bergfestung“ und über den Denkumweg gewitzter Raubritter so etwas wie Bauernschläue und trickreiche Cleverness. Es ist eine subversive Kulturtechnik, in deren Zentrum die Parodie und die Modifikation stehen.

„Vogelnest“ aus Bambus

Shanzhai-Produkte haben oft an die Originale angelehnte, aber absichtlich überhöhte Designs - und ungewöhnliche Zusatzfunktionen wie beim kopierten Nokia-Handy, das mit einer Ultraviolett-Leuchte zum Erkennen von Falschgeld ausgestattet ist. Wirklich interessant wird es, wenn Shanzhai das Feld der Produktkopie verlässt. Es gibt Shanzhai-„Vogelnester“ - aus Bambus nachgebaute Miniversionen des Olympiastadions in Peking - und Shanzhai-Tore des himmlischen Friedens in der Provinz. Wenn Staat, Filmindustrie und Staatsfernsehen Megaprojekte wie die Neuverfilmung des Romanklassikers „Der Traum der roten Kammer“ planen, folgt die No-Budget-Shanzhai-Version mit Amateurschauspielern auf dem Fuß.

Die billige Antwort auf CCTV

Eine der beliebtesten Vorlagen ist CCTV - der omnipräsente Staatssender China Central Television. Seit über 30 Jahren strahlt der Sender eine mehrstündige Megagala zum chinesischen Neujahrsfest aus. Chinas größte Stars wie Zhang Ziyi und Jackie Chan treten dort auf, 700 Millionen Menschen sehen zu. Doch auch hier gab es schon Konkurrenz: eine Shanzhai-Show in Peking mit Amateurauftritten, organisiert von Shi Mengqui, hauptberuflich Hochzeitsfilmer, übertragen im Internet.

Shi erfand dafür seine eigene Version des Staatsfernsehens, CCSTV (China Countryside Television). Tanzende Mönche, ein Radfahrer, der die Pedale mit seinen Händen bedient, und ein fünfjähriger Elvis-„Imitator“ mit pinkfarbener Perücke standen auf dem Programm. Ein ähnliches Projekt gab es auch in der südlichen Metropole Shenzhen. Dort gründeten vier junge Frauen ihren eigenen TV-Sender, für den sie mit billigen Videokameras und selbst gebastelten Stativen die Lokalnachrichten parodierten.

„Hierarchien auf den Kopf gestellt“

„Daran lässt sich ein volkstümlich-ironischer Umgang mit den Repräsentationen der Macht erkennen, im Zuge dessen die Hierarchien der Partei und der Eliten spielerisch auf den Kopf gestellt und ihre Symbole dezentralisiert und gleichsam demokratisiert werden“, schrieb die Journalistin und China-Expertin Wei Zhang in der „Neuen Zürcher Zeitung“.

Handelt es sich also um ein politisches Statement, um Kritik an der Staatspropaganda? Die chinesische Zensur zeigt sich vorerst erstaunlich gelassen. „Die Shanzhai-Kultur kann als Würdigung des Selbermach-Gedankens oder als Parodie von Massenkultur Spaß in unser Alltagsleben bringen“, hieß es in einem Kommentar einer staatlichen Tageszeitung. „Wir müssen aber wachsam bleiben, wenn es um die Rechtfertigung von Plagiaten geht.“

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