Themenüberblick

Von gediegen bis ultrabrutal

Hochspannung abseits der Massenware - aber auch von der Stange - verspricht die aktuelle Krimisaison. Gemordet, gedealt und ermittelt wird in der Bretagne, in Finnland und auf dem Wiener Brunnenmarkt.

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Den Grad an Suspense, den man gerade noch aushält, kann man sich dabei aussuchen - vom gediegenen Traditionskrimi bis hin zum ultrabrutalen Krimi noir.

Herrlich altmodische Krimiunterhaltung

Bei manchen Büchern möchte man kaum glauben, dass sie das Erstlingswerk eines Autors sind. So auch im Fall von Jean-Luc Bannalecs „Bretonische Verhältnisse“. Mit dem Gestus eines Routiniers schreibt er einen herrlich altmodischen Krimi, in dem die Kulisse der hochsommerlichen Bretagne voll zur Geltung kommt. Kommissar Dupin wurde dort in ein Dorf versetzt - und prompt verübt jemand einen Mord an einem Hotelbesitzer. Der Fall ist kniffliger als zunächst gedacht. Von Dupin wird man noch mehr hören.

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Verhältnisse. Ein Fall für Kommissar Dupin. Kiepenheuer & Witsch, 302 Seiten, 15,50 Euro.

Bücher im Freien

ORF.at/Thomas Hangweyrer

Der Kinkster und die toten Lektoren

Kinky Friedman ist eine Legende. Der ehemalige Countrysänger (Texas Jewboys) und überdrehte Kandidat für das Gouverneursamt in Texas schreibt seit den 80er Jahren Krimis, in der er als „Kinkster“ selbst die kauzige Hauptfigur gibt. Im Milena Verlag ist nun „Wenn die Katze weg ist ...“ erschienen. Weil eine Katze verschwindet und Verlagslektoren getötet werden, muss sich Kinky einmal mehr neben dem Jameson Whiskey auch dem Verbrechen widmen. Franz Dobler nennt Friedmans Schreibe im Nachwort treffend „zugleich Krimi und Parodie und melancholisches Grübeln eines scharfsinnig-aufgedrehten jüdischen Komikers“.

Kinky Friedman: Wenn die Katze weg ist ... Milena, 219 Seiten, 17,90 Euro.

Fauser: Hardboiled und mit coolen Sprüchen

Man kann gar nicht oft genug auf ihn hinweisen, aber im Sommer seines 25. Todestages hat man sogar einen guten Grund dafür: Jörg Fauser. Zum Wiederentdecken empfiehlt sich die Diogenes-Taschenbuch-Werkausgabe, die auch zwei Krimis enthält: „Der Schneemann“ und „Das Schlangenmaul“. Im „Schneemann“ versucht ein kleiner Strizzi einen großen Patzen Koks zu verkaufen, sehr zum Missfallen der Gangster, die ihn jagen. Im Schlangenmaul sucht ein hartgesottener Ex-Journalist ein vermisstes Mädchen - und vermutet sie bei geldgierigen Schlangenesoterikern; hardboiled, jeder Satz sitzt, coole Sprüche, Sozialkritik und auch noch handfeste Spannung - das ist Fauser.

Jörg Fauser: Das Schlangenmaul. Diogenes, 315 Seiten, 10,20 Euro.

Jörg Fauser: Der Schneemann. Diogenes, 263 Seiten, 9,20 Euro.

Versoffener Ermittler wider Willen

An Jörg Fausers Krimis erinnern die Romane von Tony Black: Ein versoffener, aber lebenskluger Ermittler wider Willen stolpert durch eine Handlung, deren Ingredienzen stets unglückliche Liebe, gescheiterte Existenzen und korrupte Polizisten sind. Diesmal geht es um Hunderennen, einen ehrlosen Banker und eine dubiose Richtersfamilie. Der gutmütige, ruppige Gus Dury bekommt einmal mehr mächtig Ärger. Irvine Welsh hält Tony Black mit einigem Recht für „den besten britischen Krimiautor“.

Tony Black: Gelyncht. Zsolnay, 380 Seiten, 20,50 Euro.

Aus einem Actionspiel wird Ernst

Ein stinkreicher Investmentbanker möchte seiner verwöhnten Tochter und ihren Freunden Mores lehren und schenkt ihr zum Geburtstag deshalb ein Action-Rollenspiel, wie es normalerweise für Manager zum Teambuilding angeboten wird. Eine Entführung sollte nachgestellt werden - sollte, denn was die Gruppe junger Leute zu spät bemerkt: Gangster schlüpften in die Rolle der Schauspieler, aus Spaß ist längst Ernst geworden. Einer nach dem anderen droht in der Wildnis getötet zu werden. US-Megasellerin Meg Gardiner schickt einmal mehr die forensische Psychiaterin Jo Beckett ins Rennen, um zu helfen. Doch auch sie gerät in den Strudel des Verbrechens - und die Spannung steigt ins Unermessliche; sicher, Krimi-Mainstream-Massenware - aber was liest man nicht alles für einen ordentlichen Thrill.

Meg Gardiner: Todesmut. Heyne, 461 Seiten, 15,50 Euro.

Finnisch, dunkel - und äußerst brutal

Im Hintergrund ziehen Handelsströme der Russenmafia über Finnland in Marko Leinos Buch „In der Falle“. Kleinkriminelle versuchen mitzunaschen und ein größeres Stück vom Kuchen zu bekommen, als ihnen zusteht. Sie bekämpfen einander und werden schließlich von den Bossen gejagt, korrupte Polizisten mischen mit. Im Mittelpunkt steht der junge Vesa Levola, der eigentlich nicht in die kriminellen Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Als er aber in der Falle sitzt, bleibt ihm keine Wahl. Äußerst brutal und dunkel geht es zu in diesem Krimi, der dem „Noir“-Fach zugerechnet werden kann. Den Namen Leino wird man sich merken müssen.

Marko Leino: In der Falle. Zsolnay, 446 Seiten, 20,50 Euro.

Der Gentrifizierung ein Denkmal gesetzt

Wer das folgende Buch lesen möchte, sollte vorher geflissentlich vergessen, was ihn die Political Correctness während der letzten 20 Jahre zu Recht gelehrt hat. Will hat ein Problem. Sein Freund, der Privatdetektiv Rock, analysiert: Die spätberüfenen Bobo-Mütter seien es, „die jetzt überall ihre im Windkanal getesteten Kinderwägen durch die Gegend schieben und dir wegen deinem Swedish Pornhouse das Leben zur Hölle machen“. Die Gegend, das ist das Brunnenviertel in Wien, und das Problem sind wahrscheinlich eher türkische Pornokonkurrenten mit ihrem gut bestückten Star, der „das Schwert des Ostens“ genannt wird. So heißt auch Manfred Rebhandls schön schnoddriger und Bobo-kritischer kleiner Wien-Krimi.

Manfred Rebhandl: Das Schwert des Ostens. Czernin, 242 Seiten, 19,80 Euro.

„Yellow Press“ auf Mörderjagd

Der Mord an dem Masseur Guldensuppe im Juni 1897 hat die New Yorker, vor allem aber die Zeitungen in höchste Aufregung versetzt. In seinem Buch „Mord des Jahrhunderts“ erzählt der US-Autor Paul Collins die Suche nach dem Mörder von Guldensuppe, gibt aber zugleich Einblick in die Entstehung des Boulevardjournalismus. Denn sein packender Krimi ist zugleich präzise recherchiertes Sachbuch, akribisch mit Originalzitaten aus den damaligen Medien gespickt. Vor allem die beiden großen Zeitungsmacher Joseph Pulitzer und William Randolph Hearst trieben damals die Mordermittlungen voran und lieferten einander mit ihren Schlagzeilen einen regelrechten Kampf um die höchste Auflage.

Paul Collins: Der Mord des Jahrhunderts. Irisiana, 448 Seiten, 20,6 Euro.

Simon Hadler, Simone Leonhartsberger, ORF.at

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