Themenüberblick

Molekularküche für Arme

Es war einmal eine Zeit, da galt Stracciatella noch als exotisch. Vor allem urbane junge Menschen lockt man damit aber nicht mehr hinter dem Ofen hervor. Auch das Eisschlecken steht inzwischen unter Lifestyle-Druck, nach der Devise: Wenn man sich schon kein hippes Molekularküche-Diner leisten kann, dann muss zumindest ein Ziegenkäseeis her.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das Angebot ist inzwischen schier grenzenlos. Ein Eismacher überbietet den anderen, was absurd anmutende Kreationen angeht. Wichtig dabei: Es muss irgendetwas drinnen sein, das möglichst weit weg von allen Dessertwelten scheint, etwa Curryeis, Kartoffeleis, Spargeleis oder Gorgonzolaeis. Sogar die konservativsten Eissalons stehen inzwischen unter Druck, in ihr Schokoladeeis zumindest ein wenig Pfeffer zu geben oder ihr Fiocco mit Rosenwasser zu versetzen.

Geglückte Experimente - und weniger geglückte

Manches funktioniert erstaunlich gut, etwa Experimente mit Gewürzen wie Sesam, Ingwer und Kardamom. Auch dass in Brasilien seit jeher die Avocado als Süßspeise genossen wird, hat sich inzwischen mit einigem Erfolg bis zu Österreichs Eissalons herumgesprochen. Anderes ist wohl eher als Mutprobe gedacht, etwa Biereis. Losgetreten wurde der Trend wohl von Molekularküchen-Ikone Ferran Adria, als der vor ein paar Jahren in seinem Kultrestaurant „El Bulli“ Parmesanwaffeln mit Parmesaneis und Zitronenmarmelade servierte.

Viele Kreationen finden auch unmittelbaren Zuspruch, etwa die Sorte Cookies. Die Sorte wurde laut der Fachgruppe der Eissalons in der Wirtschaftskammer vom Newcomer des Vorjahres innerhalb eines Jahres zur österreichweit beliebtesten Spezialsorte. Auf den Plätzen zwei und drei unter den beliebtesten Exoten sind demnach Mango - von den Eismachern zum Eis des Jahres 2012 gekürt - und Nutella. Die Sorten lassen sich allerdings nur schwer vergleichen, da in dieser Hinsicht fast jeder Eissalon sein eigenes Süppchen kocht.

Österreicher können sich nicht für Exoten erwärmen

Eine Reihung der wirklichen Exoten will sich Silvio Molin-Pradel, Obmann der Berufsgruppe der Eissalons in der Wirtschaftskammer (WKÖ) und selbst ein „gemäßigt Kreativer“ unter den Eissalonbetreibern, nicht zutrauen, „da viele Geschmacksrichtungen nur von einem einzigen Eissalon angeboten werden. Hier sind der Fantasie der Eismacher kaum Grenzen gesetzt.“ Der Kundenkreis bleibt allerdings beschränkt, denn die Österreicher sind beim Gefrorenen konservativ wie eh und je.

Wie aus einer am Montag veröffentlichten Umfrage der WKÖ unter heimischen Eisproduzenten hervorging, liegt Schokolade in der Beliebtheitsskala vor Vanille und Haselnuss auf Platz eins. Auf den Rängen vier bis sechs folgen ebenfalls Klassiker wie Erdbeere, Zitrone und Stracciatella. Banane sicherte sich den siebenten Platz vor Fiocco, dem einstmaligen Exoten Joghurt und schließlich Himbeere. Laut Marktwerten aus Deutschland machen die Umsätze mit Schoko und Vanille allein ein Drittel des ganzen Eisgeschäfts aus.

Eis hilft

Historisch betrachtet sind allerdings die heutigen Exoten die Klassiker und der Dauerbrenner Schokolade ein „Neuzugang“. Schon in der Poesie der griechischen Antike finden sich Schwärmereien über Eis mit Rosenwasser oder Honig. Alexander der Große (356 bis 323 v. Chr.) verwöhnte Offiziere mit Weineis. Und schon der Urvater aller abendländischer Mediziner, der Grieche Hippokrates, empfahl (Wasser-)Eis vor 2.400 Jahren zur Genesung seiner Patienten - wahlweise aber auch gut gekühlte Getränke.

Links: