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Mit der Hand an der Notbremse

Je näher der griechische Wahlsonntag rückt, desto mehr steigt die Nervosität in ganz Europa und darüber hinaus. Das Wahlergebnis könnte leicht zur Initialzündung für Athens Euro-Ausstieg werden. Zwar will sich, von der EU-Spitze abwärts, niemand die Nervosität anmerken lassen - hinter den Kulissen laufen jedoch intensive Vorbereitungen für den „Fall des Falles“.

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Man kann davon ausgehen, dass nur ein Bruchteil der derzeit gewälzten Notfallpläne an die Öffentlichkeit dringt: Schließlich brauchen die ohnehin arg strapazierten Märkte derzeit nichts so wenig wie weitere Aufregung und Unsicherheit. Umso bedeutender ist es, wenn aus dem Kreis der G-20 zu hören ist, dass „die wichtigsten Notenbanken“ rund um die Welt bereits ein gemeinsames Einschreiten zur Stabilisierung der globalen Finanzmärkte vorbereiten, falls die griechischen Wähler entsprechend entscheiden.

„Koordinierte Aktion“ der Notenbanken?

„Die Zentralbanken bereiten sich auf eine koordinierte Aktion zur Bereitstellung von Liquidität vor“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag anonym einen hochrangigen G-20-Vertreter, der mit den Beratungen internationaler Finanzdiplomaten vertraut ist. Ziel sei es, eine Kreditklemme zu verhindern. Wie sensibel die Märkte derzeit sind, zeigte schon die Tatsache, dass allein die Verbreitung dieser Meldung für positive Ausschläge an den Börsen rund um die Welt sorgte. Der Euro gewann gegenüber dem Dollar an Wert.

Weder die Europäische Zentralbank (EZB) noch nationale Notenbanken wollten die Aussage kommentieren. Ähnlich verschwiegen bereiten sich die Geldinstitute auf Turbulenzen infolge der Griechenland-Wahl vor. Am deutlichsten hat sich bisher der deutsche HypoVereinsbank-Chef Theodor Weimer zum Stand der Vorbereitungen geäußert. Der Vorstand der Bank werde sich „am Sonntag treffen für den Fall der Fälle“, sagte er. Es gehe um Vorsorge für den Zahlungsverkehr. Schließlich wolle man nicht der Letzte sein, der noch Euro in das Land überweist.

EU-Kommission hält sich bedeckt

Auch die Euro-Finanzminister haben für Sonntagabend ein Treffen einberufen, wenn auch nur virtuell: Unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses in Griechenland wollen sie bei einer Telefonkonferenz über die Lage diskutieren. Ein EU-Diplomat sagte am Donnerstag in Brüssel, alle Vorbereitungen für solch eine Telefonkonferenz seien getroffen. Die Initiative dafür sei vom Chef der Euro-Gruppe, dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker, ausgegangen. Später hieß es jedoch von verschiedenen Seiten, die Besprechung könne unter Umständen später stattfinden.

Die EU-Kommission wollte am Freitag keine Auskunft darüber geben, ob nach der Griechenland-Wahl aufgrund möglicher Szenarien auch diverse Reaktionen vorbereitet werden. Angesprochen darauf, dass der Urnengang in Griechenland zu einer Überlebensfrage für den Euro werden könnte, sagte eine Sprecherin, es gehe zunächst darum, die Wahl abzuwarten. Zur angeblichen Telefonkonferenz der EU-Finanzminister wollte sie nichts sagen: „Wir brauchen zuerst Resultate.“

Konzerne blasen zum Rückzug

Die Wahl in Griechenland sorgt auch auf den Finanzmärkten für spürbare Zurückhaltung. Die meisten Akteure fürchten einen Euro-feindlichen Ausgang und wollen nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden. Entsprechend gering sind die Umsätze. Schon seit Tagen liegt das Handelsvolumen in Frankfurt und auch an anderen Börsenplätzen unter dem Durchschnitt. Große Konzerne arbeiten ebenfalls schon am „Plan B“: Wohl nicht zufällig beschloss etwa der französische Handelsriese Carrefour am Freitag den kompletten Rückzug aus Griechenland.

Griechen vergraben Euro-Bargeld

In Griechenland selbst hat die Unsicherheit beinahe zu panikartigen Zuständen geführt: Es kommt zu Hamsterkäufen, in reichen Wohngegenden sieht man immer mehr Bodyguards, und wer noch Geld in den Banken hat, hebt es schnellstens ab. Wie die deutsche Ausgabe des „Wall Street Journal“ am Freitag in einem Feature berichtete, greifen die Griechen zur Sicherung ihrer Vermögenswerte inzwischen sogar schon zum Spaten und vergraben ihr Euro-Bargeld.

Täglich wurden zuletzt rund 800 Mio. Euro täglich von griechischen Sparkonten behoben. Mit zur Unsicherheit trägt bei, dass die Veröffentlichung von Umfragen nun, unmittelbar vor der Wahl, verboten ist, aber dennoch Ergebnisse angeblich geheimer Befragungen lanciert werden. Dass laut jüngsten Gerüchten die proeuropäische konservative Nea Dimokratia die Nase vorn hat, könnte also gleichermaßen einen Hoffnungsschimmer bedeuten - oder eben das genaue Gegenteil davon.

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