Die Korruption-Defizit-Gleichung
Korruption im Bereich Politik und Wirtschaft trifft die von der Finanzkrise geschüttelten Länder Europas besonders. Die Missstände bremsen die Perspektive, rascher aus der Euro-Krise zu kommen, sagt ein Experte von Transparency International (TI).
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Europa sieht sich gerne als eine der am wenigsten korrupten Regionen der Welt. Doch der Blick hinter dieses Selbstbild offenbart: Gerade in Europa gibt es wenige Länder, die den Einfluss von Lobbyinggruppen auf die Politik eindämmen oder den Bürgern transparente Informationen über politische Entscheidungsprozesse ermöglichen.
Korruption verhindert Effizienz
Die Budgetdefizite werden immer größer, gleichzeitig verhindert Korruption, dass die knapper werdenden öffentlichen Mittel auch effizient eingesetzt werden. Dieses Bild zeichnete der Forschungsdirektor der Antikorruptionsinstitution Transparency International, Finn Heinrich, bei der Präsentation aktueller TI-Berichte am Mittwoch in Brüssel.
„Länder mit schwachen Antikorruptionsmaßnahmen sind im Moment gerade jene, die die größten Probleme mit ihrem Budgetdefizit haben“, zieht Heinrich Parallelen. Institutionen, die Korruption monitoren, seien viel zu oft direkt Regierungsabteilungen unterstellt und damit zu wenig unabhängig, so seine Kritik.
Probleme in der öffentlichen Verwaltung
Griechenland, Italien, Portugal und Spanien haben laut Transparency-International-Daten die größten Problemfelder in ihrer öffentlichen Verwaltung. Sehr oft gebe es in diesen Ländern keine Handhabe gegen Beamte, die sich nicht an die gesetzlichen Regeln halten. Diese Verbindung zwischen Finanzkrise und Korruption dürfe man nicht länger ignorieren, so Heinrich, der daran erinnert, dass Korruption die EU pro Jahr 120 Mrd. Euro koste.
Der TI-Index
Neuseeland, Dänemark und Finnland gelten laut Transparency International als die „saubersten“ Länder, also jene Staaten, in denen Korruption im weltweiten Vergleich am wenigsten verbreitet ist.
TI kritisiert, dass gerade Privatisierungen in diesen Ländern mehr zugunsten Privater gingen, die enge Kontakte zu öffentlichen Stellen haben, und die Öffentlichkeit von den Erlösen der Privatisierungen zu wenig profitiere. Die Regierungen und die Wirtschaftseliten in diesen Ländern hätten zu enge Beziehungen zueinander.
Unzufriedenheit in der Bevölkerung
Korruption sei ein schwer zu messender Tatbestand, doch TI verweist darauf, dass in Europa 74 Prozent der Bevölkerung das Gefühl hätten, dass Korruption ein immer größeres Problem darstelle. Stoßrichtung der aktuellen TI-Analyse ist auch der Umstand, dass sehr viele Lobbyinggruppen in Brüssel Stimmung für ihre jeweiligen Geschäfte machten. Die rund 3.000 Lobbyinggruppen sollten nicht allgemeine Absichtserklärungen unterzeichnen, sondern sich im Einzelfall sehr genauen Verpflichtungen unterwerfen, so eine Forderung der Institution.
2011er-Index: Finanzkrise mit Korruption verbunden
Bereits im Herbst 2011 hatte Transparency auf die enge Verbindung zwischen der langjährigen Korruption und der Finanzkrise in einigen europäischen Staaten aufmerksam gemacht. Die Schuldenkrise sei „zum Teil“ darauf zurückzuführen, dass die Regierungen darin gescheitert seien, Bestechung und Steuerflucht zu bekämpfen, so die Conclusio im Dezember 2011. Im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) 2011 rangierte Italien mit Platz 69 relativ weit hinten, Griechenland sogar auf Platz 80 von 182.
Transparency erstellt den Korruptionswahrnehmungsindex einmal im Jahr. Da die einbezogenen Quellen und auch die Zahl der eingestuften Staaten differieren, ist die Rangfolge von Jahr zu Jahr nicht absolut vergleichbar.
Durch jahrzehntelange Korruption würden die Volkswirtschaften selbst und der Glaube an die öffentlichen Institutionen untergraben, erläuterte TI-Geschäftsführer Cobus de Swardt. Wenn ein Staat es nicht fertigbringe, die Korruption und die Steuerflucht einzudämmen, so gingen dadurch zum einen Milliardenbeträge verloren, zum anderen erhielten die Bürger den Eindruck, dass es „Teil des normalen Lebens“ sei, den Arzt und den Finanzbeamten zu schmieren. Vor dreieinhalb Jahren erstellte TI einen Bericht zu Korruption in Griechenland, aus dem hervorging, dass eine Durchschnittsfamilie dort jährlich 1.450 Euro an Schmiergeldern zahlt.
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