Kriminalität hinter Rebellenimage
Sie fahren schwere Motorräder, tragen Abzeichen wie den geflügelten Totenkopf und lieben das martialische Auftreten in hermetisch abgeschotteten Gruppen: Weltweit agierende Rockerclubs wie die Hells Angels, Bandidos und Mongols kultivieren ihr Rebellenimage, haben nach Angaben der Polizei aber auch in Deutschland vielfach den Schritt in die organisierte Kriminalität vollzogen.
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Sie gelten als Drahtzieher im Drogenhandel und Herrscher im Rotlichtmilieu. Die deutsche Polizei ging nun mehrfach mit Razzien gegen sie vor. Schlagzeilen machen seit einigen Jahren immer wieder auch Konflikte zwischen den traditionell verfeindeten Clubs und ihren lokalen Unterstützergruppen, die nach Angaben der Ermittler untereinander mit extremer Brutalität um Macht- und Einflusszonen ringen.
Es gab Massenschlägereien auf offener Straße, Schüsse auf Clubheime, Messerattacken mit lebensgefährlich Verletzten und sogar gezielte Morde an Rivalen. Auseinandersetzungen dieser Art sorgten für Aufsehen etwa in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Berlin und Bremen.
Vorgeblich „Waffenstillstand“
Die beiden größten Rockerclubs Hells Angels und Bandidos schlossen in Deutschland 2010 zwar einen „Waffenstillstand“. Innenpolitiker und Polizei werteten das aber nur als durchschaubaren Versuch, den Verfolgungsdruck zu reduzieren.
Die Sicherheitsbehörden der deutschen Bundesländer lösen seit einiger Zeit verstärkt Rockerclubs auf, deren örtliche Vereine sich aufgrund bisher fehlender Belege für eine zentrale Lenkung nur einzeln verbieten lassen. Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bremen, Baden-Württemberg und Berlin schlossen bereits regionale Ableger, die in Verbrechen verstrickt gewesen sein sollen.
Großrazzien mit mehr als 1.000 Polizisten
In den vergangenen Wochen gab es in verschiedenen Ländern allein vier Großrazzien mit teils mehr als 1.000 Polizisten. Es ging um die Durchsetzung von Verboten, aber auch um Ermittlungen wegen Drogen- und Waffenhandels, Erpressung und Körperverletzung - und in einem Fall in Schleswig-Holstein um die Suche nach der Leiche eines möglicherweise Ermordeten. Am Donnerstag durchsuchten Beamte in Berlin und im angrenzenden Brandenburg Gebäude der Bandidos.
„Sie schotten sich ab, stellen ihre eigenen Regeln auf und üben Selbstjustiz“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) über Rockerclubs, als er vor vier Wochen einen Ableger der Hells Angels in Köln verbot. Die Gewerkschaft der Polizei warnte kürzlich eindringlich davor, dass kriminelle Motorradgruppierungen den organisierten Rauschgift- und Menschenhandel in Deutschland in zunehmendem Maße „systematisch“ beeinflussten.
Wichtige Größe im Drogen- und Menschenhandel
Nach dem jüngsten Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) über organisierte Kriminalität ging 2010 fast jedes zehnte Ermittlungsverfahren in diesem Bereich auf Kosten von Rockerclubs oder Unterstützern. Das waren 35 Verfahren - ein erheblicher Anstieg in wenigen Jahren. 2006 war die Zahl bei zwei gelegen.
Ihre Wurzeln haben alle international bedeutenden Rockerclubs in den USA. Hells Angels, Bandidos, Outlaws und Mongols entstanden dort nach eigenen Angaben in den 1930er bis 1960er Jahren und breiteten sich später vor allem nach Europa und auch bis Asien aus.
Immer wieder regelrechte Rockerkriege
Einige Staaten erlebten im Zuge der Globalisierung der straff organisierten Banden regelrechte Rockerkriege. In den 1990er Jahren gingen Hells Angels und Bandidos in Skandinavien mit Handgranaten und Panzerfäusten aufeinander los. In Deutschland traten die großen internationalen Rockerclubs erstmals Ende der 1990er Jahre stark in Erscheinung. Damals schlossen sich inländische Rockergruppen wie die Bones, die teils bereits kriminell waren, ihnen an.
Sebastian Bronst, AFP