US-Wirtschaftsmotor stottert
Jene US-Bundesstaaten, in denen die Stimmanteile für Republikaner und Demokraten knapp beieinanderliegen, könnten auch dem Wahlkampf Barack Obamas einen Turbo verleihen. Denn wie das Wirtschaftsmagazin „Economist“ berichtet, ist die wirtschaftliche Situation in vielen dieser „Swing-States“ im Vergleich zum US-weiten Durchschnitt um einiges besser.
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Überhaupt verschiebt sich der Fokus der Konkurrenten um das Oval Office auf diese „Swing-States“. Amtsträger Obama und sein Konkurrent Mitt Romney werden in der langsam beginnenden heißen Phase des Wahlkampfes zunehmend die „Swing-States“ abgrasen, um entscheidende Stimmen für sich zu gewinnen. Und entscheidend kann dabei tatsächlich jede Wählerstimme sein. Das erschließt sich bei näherer Betrachtung des Modus, der nach dem Prinzip „The Winner takes it all“ funktioniert - sprich: „Alles oder gar nichts“.
„The Winner takes it all“
Der Präsident wird nicht direkt vom Volk, sondern durch eine Wahlmännerversammlung gewählt. Jeder Bundesstaat entsendet eine bestimmte Anzahl von Wahlmännern. Entscheidend ist, dass die Partei des Kandidaten, der die einfache Mehrheit der Wählerstimmen in einem Bundesstaat bekommt, immer alle Wahlmänner des Staates stellt - die Anzahl richtet sich nach der Einwohnerzahl. Das bedeutet auch, dass die Wählerstimmen für den unterlegenen Kandidaten komplett unter den Tisch fallen.
Aufschwung in Schlüsselstaaten
Der These des „Economist“ zufolge könnte die rasche Erholung der Wirtschaft in diesen „Battle-States“, also den besonders umkämpften Staaten, Vorteile für den Amtsinhaber bringen. So ist beispielsweise die Arbeitslosenquote der 13 genannten Schlüsselstaaten mit 7,7 Prozent im Durchschnitt niedriger als der nationale Wert, der bei 8,1 Prozent liegt. Dieser Unterschied mutet nicht unbedingt als wichtiger Faktor an - vielmehr ist es jedoch die Schnelligkeit der positiven Veränderung, die auffällig ist.
So war 2009 und 2010 die Arbeitslosenrate der „Swing-States“ noch um einiges höher als der nationale Durchschnitt. In den - gemessen an der Anzahl der zu entsendenden Wahlmänner - bedeutendsten Staaten ist die Arbeitslosenrate zudem besonders markant gesunken: in Florida, dem größten „Swing-State“ um 1,9 Prozent, in Ohio um 1,4 Prozent und in Michigan gar um 2,2 Prozent. So ist die Arbeitslosenrate in diesen Staaten verglichen mit dem nationalen Wert stärker gesunken.
Ohio erholt sich
In Ohio, dem Staat mit dem US-weit gesehen richtungsweisenden Wahlverhalten, ist seit 2010 die Arbeitslosenrate rasch zurückgegangen - allerdings ausgehend von sehr hohem Niveau. Die Rezession hat den Bundesstaat besonders hart getroffen. Ohio sei schlimmer betroffen gewesen, eine Erholung sei deswegen auch klarer sichtbar, erklärt Tim Dunne, Wirtschaftswissenschaftler an der Federal Reserve Bank in Cleveland. Besonders interessant ist Ohio aufgrund seines Status als bedeutsamer Produktionsstandort. Und die Produktion steigt, vor allem dank der sich langsam erholenden Autoindustrie. Jedoch gelte auch hierbei ein besonders niedriges Ausgangsniveau.

AP Photo/Matt Rourke
US-Präsident Obama kämpft gegen schlechte Umfragewerte
Kein Einfluss auf Wählerentscheid?
Wie sehr sich diese wirtschaftlich positive Entwicklung in den wahlentscheidenden Bundesstaaten für die regierenden Demokraten als „Wahlhilfe“ erweist, lässt sich nach Meinung von John Sides, Politikwissenschaftler an der Universität Washington, nicht mit Sicherheit einschätzen. So gebe es grundsätzlich keinen empirisch erkennbaren Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Gegebenheiten in einzelnen Bundesstaaten und dem Wahlverhalten.
Der Politologe argumentiert, dass eher die nationalen (also US-weite Werte) darauf Einfluss haben, wo die Wähler im November ihre Kreuze machen. Einen großen Einfluss hätten dabei die nationalen, landesweiten Medien, die stets auf die gesamtnationale Wirtschaftslage Bezug nehmen. Diese Botschaften seien vielmehr eine Grundlage für eine Wahlentscheidung. Zudem wurde im Zuge der Untersuchung auf ein Phänomen verwiesen, wonach sich die Unterschiede der Wachstumsraten der einzelnen Bundesstaaten im Laufe der Zeit immer mehr vereinheitlicht haben. Für Sides ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass einzelne Bundesstaaten in der Wählerentscheidung keine „gesonderte“ Rolle spielen.
Bumerang für Obama?
Sollte Obama den Aufschwung der „Swing-States“ trotzdem zu einem Thema im Wahlkampf machen, dann geschehe das nicht ohne Risiko, heißt es im „Economist“. Und das ist rasch begründet: Verkaufen Obamas Demokraten das Wirtschaftswachstum als Erfolg, könnte sich dies in der Folge als unangenehmer Bumerang erweisen. Nämlich dann, wenn die Republikaner darauf verweisen, dass der Aufschwung vielmehr ihr Verdienst ist - schließlich sind die Gouverneure von wichtigen „Battlegrounds“ wie Ohio, Virginia oder Florida allesamt Republikaner.
In weiterer Folge könnten die republikanischen Gouverneure ihrerseits wiederum auf demokratisch geführte Bundesstaaten mit schlechteren Wirtschaftsdaten aufmerksam machen, um darzustellen, wie knapp es um die Wirtschaftskompetenz der Regierung Obama bestellt ist. Das würde wiederum die Konkurrenz, dem millionenschweren Geschäftsmann Romney in die Hände spielen, schließlich will dieser ausgerechnet mit seiner Wirtschaftskompetenz punkten.
Gesamtwirtschaftslage weiter schlecht
Überdies leiden die USA nach wie vor unter der relativ hohen Arbeitslosigkeit - der von der Regierung Obama ursprünglich viel gepriesene rasche Aufschwung ist in den vergangenen Monaten drastisch abgeklungen. Der Stellenmarkt entwickelt sich entgegen anfänglicher Trends unerwartet schlecht und schürt damit Sorgen vor einer Abschwächung der globalen Konjunktur. Im Mai entstanden in der weltgrößten Volkswirtschaft nur 69.000 neue Jobs und damit so wenig wie seit einem Jahr nicht mehr.
Auch im Juni baute die US-Wirtschaft nur magere 80.000 Stellen auf. Die Arbeitslosenquote verharrte damit bei 8,2 Prozent - erneut schlechte Nachrichten für Obama im Kampf um seine Wiederwahl im November. Experten hatten mit einem Anstieg der Beschäftigten um 100.000 gerechnet.
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