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Regierung fürchtet Souveränitätsverlust

Auf die Berichte, dass Spanien schon am Samstag einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsschirm (EFSF) stellen könnte, hat Madrid abwehrend reagiert. „Es sind keine Entscheidungen, in welche Richtung auch immer, getroffen worden“, sagte Vizeregierungschefin Soraya Saenz de Santamaria.

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Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte immer wieder betont, dass Spanien zuerst wissen müsse, wie viel Geld man tatsächlich vom EFSF brauche. Die Regierung wollte zuvor das Gutachten von IWF und unabhängigen Prüfern abwarten. Der IWF-Bericht könnte bereits am Montag veröffentlicht werden, so Saenz. Die Ergebnisse der unabhängigen Prüfer werden laut Wirtschaftsministerium für 21. Juni erwartet.

Wenn die Zahlen vorlägen, werde die Regierung „ihre Haltung signalisieren“, so Saenz. Derzeit liegen die Schätzungen für den Kapitalbedarf der Banken zwischen 40 und 100 Mrd. Euro. Allein die Krisenbank Bankia will vom Staat für ihre Sanierung über 23 Mrd. Euro - Geld, das der Staat nicht hat.

Faymann: Ja, aber

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) plädiert dafür, den spanischen Banken mit EU-Geld zu helfen, fordert dafür aber „ausreichend Disziplin und Ordnung“ in dem Land. Die Pleite eines Landes würde viel menschliches Leid bedeuten, so Faymann.

Immobilienblase Ursache für Krise

Aus der Euro-Zone waren zuletzt immer mehr Stimmen zu hören, dass Spanien bald einen Antrag auf Finanzhilfe aus dem EFSF stellen solle. Bisher wehrte sich Spanien vehement dagegen - nicht nur wegen der Auflagen und des damit einhergehenden Verzichts auf Souveränität. Madrid verweist immer darauf, dass die Krisenursache nicht beim Staat, sondern bei der hohen Kapitallücke der spanischen Banken zu suchen sei. Die Bankenkrise entstand durch eine Immobilienblase der vergangenen Jahre.

Die Verschuldung Spaniens, auch wenn sie steigt, bewegt sich auf dem Niveau vieler anderer Euro-Länder. Die spanische Zentralbank schloss am Freitag allerdings nicht aus, dass Spanien auch heuer sein Defizitziel erneut verfehlen werde. Gegenüber der EU-Kommission hatte sich Madrid verpflichtet, das Haushaltsloch von 8,9 auf 5,3 Prozent des BIP zu senken.

Madrid will nicht Griechenland sein

Madrid will nicht mit anderen Krisenländern wie Griechenland, Portugal und Irland verglichen werden und dadurch das Vertrauen der Anleger für längere Zeit verlieren. Spanien versucht in intensiven Verhandlungen offenbar, dass Gelder aus EU-Strukturprogrammen für die Bankenhilfe angerechnet werden können. Dadurch soll erreicht werden, dass die Auflagen für EU-Hilfen möglichst gering bleiben, berichtete die dpa.

Schon jetzt ist die Refinanzierung auf den Finanzmärkten teuer. Dass Spanien wie Griechenland unter Kuratel der Troika mit Vertretern von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF gestellt wird, muss nicht sein. Der EFSF kann Madrid auch nur bei der Rekapitalisierung des Finanzsektors unter die Arme greifen. Der Staat würde nicht unterstützt werden. Die notwendigen Reformauflagen würden sich bei diesem „kleinen“ Rettungsschirm auf den Finanzsektor beschränken.

„Die Aufsicht über seinen Bankensektor wird Spanien aber de facto verlieren“, betont der Ökonom Jens Boysen-Hogrefen vom Institut für Weltwirtschaft. Als Vorteil bezeichnet er, dass das Bankenrettungsprogramm relativ schnell eingesetzt werden könnte. Bei einem vollen Programm würde die Troika die gesamte Wirtschaft durchleuchten. Boyen-Hogrefen: „Beim Bankenprogramm reicht die ökonomische und finanzpolitische Einschätzung der Europäischen Kommission, die über die Stabilitäts- und Wachstumsprogramme sowieso vorliegt, und eine Durchleuchtung des Bankensektors.“

Troika überwacht Sparprogramm

In Griechenland etwa prüft die Troika, ob die vereinbarten Sparbemühungen eingehalten werden. Erst dann werden die Finanztranchen ausbezahlt. Die Troika werde nicht nach Spanien kommen, gab sich Finanzminister Cristobal Montoro zuversichtlich. Allerdings müssen auch bei der Bankenrettung durch den EFSF Mindestanforderungen in Bezug auf wirtschaftliche und finanzpolitische Stabilität erfüllt werden. Wird das nicht erfüllt, könnte das wieder negativ an den Finanzmärkten aufgenommen werden - mit den entsprechenden Konsequenzen für ganz Spanien.

„Hilfsgesuch als Eingeständnis“

Ob der „kleine“ Rettungsschirm für Spanien ausreicht, bezweifeln einige Experten. Montoro hatte erst Anfang der Woche erste Probleme bei der Geldbeschaffung zugegeben. Am Donnerstag schaffte es Spanien aber, gegen höhere Zinsen 2,1 Mrd. Euro am Finanzmarkt aufzunehmen. Die Geldbeschaffung könnte allerdings noch teurer werden. Erst Donnerstagabend senkte Fitch Spaniens Bonitätsnote von „A“ auf „BBB“ mit negativem Ausblick.

„Das Hilfegesuch könnte als Eingeständnis gewertet werden, dass man tatsächlich unüberwindliche Probleme hat, und das Vertrauen in die spanischen Staatsfinanzen könnte gänzlich schwinden“, analysiert Boysen-Hogrefe. Beobachter schließen daher nicht aus, dass Spanien aus diesem Grund gezwungen sein könnte, nach der Bankenhilfe doch noch vollständig Schutz beim EFSF zu suchen.

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