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Ironische Kommentare per Twitter

Nach kritischen Kommentaren im Internet ist der türkische Starpianist und Komponist Fazil Say wegen Beleidigung religiöser Werte angeklagt worden. Dem international bekannten Künstler soll vom 18. Oktober an in Istanbul der Prozess gemacht werden, nachdem er über den Kurznachrichtendienst Twitter kritische und scherzhaft formulierte Äußerungen verbreitet hat.

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Die türkische Nachrichtenagentur Dogan berichtete am Montag weiter, Fazil Say habe erklärt, er habe niemanden beleidigen wollen. „Ich habe die Meinungsfreiheit immer beachtet“, habe der Musiker erklärt. „Dies ist ein Recht für alle.“

Witz über „eiligen Muezzin“

Auslöser der Ermittlungen waren ironische Kommentare des Musikers über den Islam. Per Twitter machte sich der bekennende Atheist unter anderem über einen Muezzin lustig, der es beim Gebetsruf besonders eilig hatte: In nur 22 Sekunden sei der Gesang vorüber gewesen, schrieb Say am 5. April - und stellte die Frage, ob der Gebetsrufer wohl rasch zu Freundin oder zur Schnapsflasche zurückkehren wollte.

Zudem fragte Say auf Twitter mit Blick auf die „Bäche von Wein“, die der Koran den Gläubigen verspricht, ob das Paradies denn ein Wirtshaus sei. Und wegen der Jungfrauen, die laut Koran auf die Frommen im Jenseits warten, stellte Say die Frage: „Ist das Paradies etwa ein wunderbares Bordell?“

Say pocht auf Meinungsfreiheit

Der „New York Times“ erklärte Say, er habe die von einem anderen Twitter-Nutzer stammende Passage mit dem Paradies lediglich als Re-Tweet weitergeleitet. Dennoch werde allein ihm der Prozess gemacht.

In Interviews hat Say die Anklage kritisiert. Sie verletze die Meinungsfreiheit und schade dem Ansehen der Türkei. Auf Facebook betonte Say, ein bekennender Gegner der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die Bedeutung der Meinungsfreiheit. Dieses Recht müsse für alle gelten. In jüngster Zeit war die Justiz auch gegen einen regierungskritischen Journalisten vorgegangen.

Unterstützer sammeln Unterschriften

Fans und Freunde des Musikers haben eine Kampagne mit der Musikzeitschrift „Andante“ zu seiner Unterstützung organisiert, der sich bereits einige tausend Menschen angeschlossen haben. Bei einem kürzlichen Auftritt in Istanbul wurde Say nicht nur wegen seiner Musik gefeiert. Mit dem Sprechchor „Fazil Say lässt sich nicht unterkriegen“ machte das Publikum dem Pianisten Mut.

Sein Management erklärte auf Anfrage, wegen des nun laufenden Justizverfahrens wolle sich Say zunächst nicht mehr äußern. Der Pianist deutet allerdings an, die Türkei verlassen zu wollen, angeblich will er nach Japan auswandern.

Fazil Say gehört international zu den bekanntesten Künstlern der Türkei. Er hatte 1994 beim europäischen Nachwuchswettbewerb für Musiker, den Young Concert Artists International Auditions, den ersten Preis gewonnen und damit den Durchbruch geschafft. Say hat sich bereits mehrfach kritisch über den Kurs Erdogan geäußert. Wegen Anklagen von Journalisten und Künstlern ist die Türkei international immer wieder kritisiert worden.

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