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„Unrühmliche Rolle“

Fast eine Milliarde Menschen hungert, jeden Tag sterben rund 7.000 Kinder an den Folgen von Unterernährung. Trauriger „Hotspot“ ist nach wie vor Afrika, wo aktuell in der Sahelzone mehr als 18 Millionen Menschen aufgrund von Dürre und Nahrungsmangel vom Tod bedroht sind. Österreichs Hilfsgelder sind dabei auf äußerst bescheidenem Niveau.

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Darüber hinaus sind die Ausgaben für Entwicklungshilfe im vergangenen Jahr erheblich gesunken. Die Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen, dass 2011 nur 0,27 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungshilfe ausgegeben wurden. Das ist ein Rückgang von 14,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Österreich bleibt damit erneut markant deutlich hinter dem UNO-Ziel von 0,7 Prozent für Entwicklungshilfe zurück.

„Zukunft ohne Hunger“

Der noch bis 2. Juni andauernde internationale Kongress „Zukunft ohne Hunger“ in Wien bringt Experten aus mehr als 20 Ländern zusammen: darunter Vertreter von UNO und NGOs, renommierte Wissenschaftler und Forscher und internationale Caritas-Mitarbeiter. Laut Caritas-Angaben nehmen 700 Interessierte an dem Kongress teil.

Drastische Kürzungen bei Hilfsprojekten

„Österreich spielt hier eine besonders unrühmliche Rolle“, kommentiert Ruth Picker, Geschäftsführerin der NGO Globale Verantwortung, anlässlich des Kongresses „Zukunft ohne Hunger“ der Caritas Österreich. „Besonders schlimm steht es um direkte Hilfsprojekte in den ärmsten Ländern: 2008 gab es dafür noch 93 Mio. Euro im Budget der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA), heuer sind es mit 67 Mio. Euro um rund 35 Prozent weniger.“

Nur Griechenland und Spanien kürzten mehr

Zwar lag Österreich auch schon 2010 mit 0,32 Prozent des BNE unter dem Durchschnitt. Die aktuelle Statistik weist das Land jedoch als eines der Länder mit dem stärksten Rückgang an öffentlichen Zahlungen für Entwicklungszusammenarbeit aus. Mehr gekürzt als Österreich haben 2011 nur Griechenland (-39,3 Prozent) und Spanien (-32,7 Prozent) - zwei Länder, die grobe Finanzprobleme haben.

Angesichts dieser Bilanz forderte Caritas-Präsident Küberl bei der Konferenz die Bundesregierung zum Handeln auf: „Wir sind wütend darüber, dass so viele Menschen einen sinnlosen, vermeidbaren Tod sterben müssen. Deshalb hoffe ich, dass von hier ein starkes Signal ausgeht. Ich fordere die Bundesregierung auf, die Kürzungen der Entwicklungshilfe zurückzunehmen“, appellierte Küberl.

„Es muss eine Schubumkehr stattfinden, die in der gesamten Republik spürbar ist“, ergänzte Küberl. Vernehmbar war der Appell für Vertreter der Bundesregierung, etwa für den für Entwicklungspolitik zuständigen Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP), denn die OEZA ist an das Außenministerium angebunden.

Bundespräsident Heinz Fischer und 	Kardinal Christoph Schönborn

Caritas

Thema Armut und Hunger: „Koalition“ zwischen Kirche zwischen Staat

„Allianz“ zwischen Schönborn und Fischer

In einem Grußwort zur Eröffnung des Kongresses hatte auch Kardinal Christoph Schönborn die österreichische Regierung gemahnt, das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit nicht weiter zu schröpfen.

Unterstützung fand er in diesem Anliegen bei Bundespräsident Heinz Fischer: Die Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit seien „außerordentlich schmerzlich und unerfreulich“, daher biete sich „eine Koalition zwischen Bundespräsident und Kardinal“ an, um „gemeinsam etwas zu bewegen“, so Fischer. „Das wäre ja nicht die schlechteste Form der Zusammenarbeit von Kirche und Staat“, legte Fischer nach.

Caritas-Präsident Franz Küberl

Caritas

Küberl fordert eine „Schubumkehr“

Sahelzone als „Akutpatient“

Und die Fakten stellen sich derart dramatisch dar, dass Argumente für weitere Unterstützungskürzungen tatsächlich schwer zu rechtfertigen sind: Als drastisches Beispiel gilt dabei etwa die prekäre Situation in der Sahelzone - also in den Staaten Niger, Tschad, Mali, im Senegal und Burkina Faso.

Seit neun Monaten regnet es in weiten Teilen dieser Länder nicht mehr, die Nahrungsmittelpreise befinden sich auf einem Rekordhoch - es herrschen Dürre und Wasserknappheit. Politische Unruhen verursachen überdies Flüchtlingsströme. Die Bundesregierung stellte vor kurzem 1,5 Millionen Euro für die Soforthilfe zur Verfügung - dabei dürfe es aber nicht bleiben, setzte Caritas-Präsident Küberl nach.

„Wir dürfen nicht warten, bis wir wieder hungernde Kinder im TV zu sehen bekommen“, warnte Oscar Kardinal Rodriguez, Präsident der Caritas Internationalis, vor einer Eskalation in den betroffenen Gebieten. Es handle sich bereits um die dritte Krise in den vergangenen zehn Jahren - „und die heurige Ernte wird nicht ausreichend Nahrung produzieren, das steht jetzt schon fest“. Armut sei ein „Skandal“, so Rodriguez im Hinblick auf die Ausbeutung von Entwicklungsländern für die Befriedigung luxuriöser Bedürfnisse in den reichen Ländern.

„Haben bereits Alarm geschlagen“

Auch Kristalina Georgieva, EU-Kommissarin für Internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenbewältigung betonte die absolute Notwendigkeit internationaler Hilfen. Trotz der bisherigen Anstrengungen müsse in Zukunft noch mehr getan werden. „Wir haben bereits Mitte Jänner Alarm geschlagen, aber das war nicht genug.“ 2011 habe die Europäische Kommission eine halbe Milliarde Euro in die Nahrungsmittelhilfe investiert.

Armut und Hunger seien „alte Probleme“, die überlagert würden von Klimawandel und Finanzkrisen, sagte Mohan Munasinghe, ehemaliger Vizepräsident des Weltklimarates und Friedensnobelpreisträger. Doch diese beiden Faktoren seien „noch immer die größten Probleme für nachhaltige Entwicklung. Das gilt ganz besonders für Regionen, in denen die Hungerproblematik durch die Auswirkungen des Klimawandels zusätzlich verschärft wird. Es ist ungerecht, weil diejenigen, die für den Klimawandel am wenigsten verantwortlich sind, am meisten darunter zu leiden haben.“

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