Was blieb von den Ausgangsplänen?
Architekt Otto Höller (gemeinsam mit Jost Kutter und Alfred Weber Projektleiter der Terminalplanung von 2001 und 2007 durch Itten+Brechbühl/Baumschlager-Eberle) beschreibt in einem Gastkommentar die Ursprungskonzeption zum Skylink und das, was daraus geworden ist. Die Idee zum Text wurde bei einem Treffen ehemaliger und teilweise noch tätiger Mitarbeiter am Projekt Terminalerweiterung Nord-Ost geboren.
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"Bei einem Rundgang durch das kurz vor seiner Eröffnung stehende Gebäude wurde fachlich diskutiert, emotional geurteilt und an Ausgangsideen erinnert. Alle beim Treffen anwesenden Personen hatten wesentlich an der Konzeption, Idee, Entwicklung und Planung der Terminalerweiterung Anteil, sind zum Teil jahrelang nicht mehr am Projekt tätig und haben, entsprechend ihrer Aufgabenbereiche und persönlichen Geschichten durchaus unterschiedliche Sichtweisen auf das nun fertiggestellte Gebäude.
Der folgende Text soll weder werten noch urteilen, sondern einen Eindruck darüber vermitteln, was die grundlegenden Ideen zur Errichtung des Gebäudes waren und welche funktionalen, technischen, emotionalen und gestalterischen Parameter ausschlaggebend dafür waren, die Idee der Terminalerweiterung mit großem persönlichem Einsatz jedes einzelnen Mitstreiters ‚zum Leben zu erwecken‘. Die Wertung darüber, wie viel der einstigen Ideen und Intentionen heute, in der gebauten Wirklichkeit zu finden sind, ist jedem Leser bzw. Nutzer selbst überlassen.
Das Tor zu Österreich
Der Flughafen Wien hatte bei der Auslobung des ‚Realisierungswettbewerbs Städtebauliche Konzeption‘ im Jahr 1998 das Ziel, städtebauliche Konzepte, räumliche Strukturen und ein gestalterisches Leitbild für die künftige Entwicklung des Flughafens zu erarbeiten.
Nach der Auswahl der Teilnehmer, Beurteilung der Wettbewerbsbeiträge und Überarbeitung der zwei Siegerprojekte wurde am 15.3.2000 auf Empfehlung der hochkarätig besetzten Jury (unter der Leitung von Kunibert Wachten) die Grundsatzentscheidung für das Projekt Itten+Brechbühl/Baumschlager-Eberle getroffen.
Die wesentlichen Ziele des städtebaulichen und architektonischen Gesamtkonzepts wurden bereits damals formuliert: ‚Der Projektvorschlag setzt dem gewachsenen Konglomerat eine ordnende Großstruktur entgegen. Diese entspricht dem Maßstab der Nutzung Flughafen und vermag den Bestand funktionell und architektonisch zu integrieren ... Die innere Organisation antwortet auf die funktionellen Anforderungen. Die räumliche Ausprägung und die Durchblicke erleichtern die Orientierung in der großen Anlage. Die Abfolge der ineinandergreifenden Räume, die Sichtbezüge auf die Aktivitäten auf dem Flugfeld machen den Aufenthalt zum einmaligen Architektur- und Flughafenerlebnis ... Der neue Flughafen als Tor zu Österreich, als Tor zu Wien soll die Visitenkarte der Stadt sein und versteht sich als weltoffene Lösung.‘

Flughafen Wien AG/Roman Bönsch
Flughafen als Tor nach Österreich und Tor zur Welt
Die Ziele waren gesetzt, das Leitbild definiert ...
Das Terminal-Gebäude soll durch seine Sichelform das Bild des Flughafens prägen und mit den Check-in-Bereichen 1 und 2 eine prägnante und homogene Gesamtanlage bilden. Das sogenannte ‚One Roof Concept‘ verbindet den Bestand und die Neubauten funktional und optisch. Durch die Horizontalität der Anlage und die gebogene Gebäudeform wird die Bewegungsrichtung verstärkt und dem Flughafen eine außergewöhnliche Dynamik verliehen.
Die drei Grundprinzipien der Planung waren: Modularität, Nutzungsneutralität, Flexibilität. Sowohl der Terminal als auch der Pier sind aus jeweils gleichen Teilen, den Modulen, aufgebaut, die das Gebäude strukturieren, ihm eine innere Logik verleihen und in sich selbständige Einheiten darstellen. Die Ausformung der Module folgt den Aspekten der Sicherheit (Brandschutz und Security) sowie der technischen Rahmenbedingungen (Statik und Gebäudetechnik).
Das Gebäude weist bautechnisch einen hohen Wiederholungsgrad auf, ist betrieblich überschaubar und schafft in der Nutzung maximale Flexibilität. Die so entstehende Nutzungsneutralität und hohe Betriebsfähigkeit wird durch die Verwendung einheitlicher Materialien, Details und Funktionseinheiten unterstützt. Die Grenzen der Flexibilität sollen ausgelotet und den Anforderungen gegenübergestellt werden, damit der einzigen Konstante eines Flughafengebäudes - der Veränderung - Rechnung getragen wird.
Das Gebäude und seine Haut
Die Haut eines Flughafengebäudes - die Fassade und das Dach - schützt nicht nur vor Wind und Wetter, sondern folgt auch radartechnischen Vorgaben. Die bei der Terminalerweiterung gewählte doppelschalige Fassade besteht aus der inneren Schicht aus großformatigen Gläsern, die einen uneingeschränkten Ausblick ermöglichen und der äußeren Schicht aus tiefenversetzten Glastafeln, die durch ihre Anordnung eine minimale Störung für das Radar darstellen. Beide Schichten sind in horizontale, geschlossene Tragelemente eingespannt, die die Gläser beschatten und gliedern. Die Fassadenkonstruktion wurde eigens für die Erweiterung des Terminals entwickelt und stellt konstruktiv, bauphysikalisch und gestalterisch das wesentliche Außenelement dar. Die fünfte Fassade, das Aluminium-System-Dach, prägt das wichtige Luftbild des erweiterten Flughafens.
Das Drei-Ebenen-Konzept sieht die Trennung der unterschiedlichen Verkehrsströme auf mehrere Ebenen vor. So werden neben der Entflechtung von Abfliegenden und Ankommenden, von Schengen- und Nicht-Schengen-Passagieren auch die vorhandenen Flugzeugpositionen betrieblich optimal ausgenützt, was zu sehr kurzen Umsteigzeiten führt und dem Flughafen Wien auch weiterhin seinen wesentlichen Marktvorteil von weniger als 25 Minuten ‚minimal connecting time‘ garantiert. Die gestalterische Herausforderung lag darin, trotz der komplexen Anforderungen bezüglich Trennung der Passagierströme, Sicherheit und notwendigen Komforts für die Passagiere übersichtliche und attraktive Raumfolgen und Wege anzubieten.
Unterschiedliche Raumqualitäten
Die unterschiedlichen Raumqualitäten der Gebäudeteile erlebt der Passagier durch Beschränkung der Materialien und Vereinfachung der Detailausbildungen. Die verwendeten Ausbau- und Gestaltungselemente sollen Wohlbefinden und Sicherheit vermitteln und so zum Abbau von Stress beitragen. Der Reisende soll sich nicht nur wohl-, sondern auch gut informiert fühlen. Dafür sorgen eine eigene ‚Airport Edition‘ bei Möbeln und Ausstattungen wie ‚Laptop Chairs‘ oder ‚Fun Family Lounges‘ und interaktive Informationen neben einem durchgängigen Leitsystem über alle Gebäudeteile.
Die Teile des Ganzen ...
Durch Längs- und Querbewegung der Passagiere verdichtet sich der Terminal über mehrere Schichten unterschiedlicher Ausprägung zu einem räumlichen Erlebnis. Die offene Abflugebene verbindet die beiden außen liegenden Hallen. Die 19 Meter hohe Ankunftshalle schafft Übersicht über das Gebäude für Ankommende und Abfliegende. Die luftseitige Halle öffnet sich mit 13 Metern Höhe großzügig zum Flugfeld. Die Oberlichter und Lichtkörper erhöhen die Lesbarkeit der Schichten und Module. Die Dynamik des Terminalgebäudes wird durch die horizontale Gestaltung der Fassaden und Ausbauelemente verstärkt.

Flughafen Wien AG/Roman Bönsch
Dynamik des Gebäudes sollte über Fassade verstärkt werden
Der Pier weist, nicht unüblich für Flughafengebäude, eine konstante Steigung von 0,5 Prozent in Längsrichtung auf, was eine Höhendifferenz von annähernd 2,3 Metern zwischen Pierwurzel und Pierende ergibt. Diesem Umstand wurde an der Schnittstelle zum Vorfeld und in den Detailausbildungen Rechnung getragen.
In Längsrichtung strukturieren fünf Schichten das Gebäude: Außen befinden sich jeweils die Warteräume für Passagiere, in der Mitte liegt die Erschließungsschicht und dazwischen, gefasst durch zwei statisch wirksame Scheiben die Aufgänge, Nebenräume, Fluchtstiegenhäuser und Haustechnik. Die wichtigen räumlichen Bezüge entlang des mehr als 450 Meter langen Gebäudes werden durch großzügige Lufträume, Oberlichter und die Querbezüge zum Flugfeld durch freie Spannweiten von über 30 Metern zwischen den Stiegenhäusern ermöglicht.
Die Anbindung des neuen Terminals an die Flughafenstadt wird durch das Verkehrsbauwerk und die Verteilebene bewerkstelligt. Durch das beidseitige Abkippen am Ende der Ankunftshalle wird der Terminal direkt mit der Verteilebene und damit mit dem Bahnhof und den Parkhäusern verbunden. Der Straßenverkehr bildet aufgrund der Anordnung des Verkehrsbauwerks entlang der Terminals eine lange Schnittstelle zwischen Verkehr und Gebäuden.
Übersicht und Licht
Das Prinzip der Entflechtung wird hier durch mehrere Ein- und Ausgänge auf beiden Ebenen konsequent umgesetzt. Das Verkehrsbauwerk und das Vordach sind wesentliche Gestaltungselemente im Stadtraum der Flughafenstadt und bilden durch Ihre Form die Dynamik des Gebäudes nach außen ab. Die Beleuchtung soll (außen wie innen) die beschriebenen Gebäudequalitäten und räumlichen Gestaltungselemente unterstützen und verstärken. Lichtbänder entlang von Kanten und räumlichen Zäsuren geben der gewollten Dynamik zusätzliche Stärke.
Bestandsaufnahme zur Gegenwart
Jemand, der jahrelang mit und für die Idee der Erweiterung des Terminals gearbeitet hat, geht mit besonderen Empfindungen zum und durch das nun entstandene Gebäude. Das von der Flughafen Wien AG in den frühen Planungsphasen unter dem Projekttitel Skylink vorgegebene Motto ‚Skylink - More than a Terminal‘ wurde über Jahre in funktionaler, gestalterischer und emotionaler Hinsicht von den Beteiligten Personen gelebt – das Ziel war, etwas Besonderes zu schaffen.
Die erste Aufgabe nach dem gewonnenen Wettbewerb bestand darin, die städtebaulichen Leitbilder für die zukünftige Flughafenstadt zu definieren. Weder die gemeinsam erarbeiteten Vorgaben zu den Entwicklungsbereichen oder den Gestaltungselementen wurden beim weiteren Ausbau berücksichtigt noch wurde, wie im städtebaulichen Konzept vorgeschlagen, ein Gestaltungsbeirat für zukünftige Erweiterungen etabliert.
Das Ergebnis der seither umgesetzten städtebaulichen Maßnahmen am Standort setzt vielmehr die gewohnten Mechanismen der unkoordinierten, dem Gesetz der Stunde folgenden und aus den einzelnen Aufgabenstellungen definierten Reaktionen, fort. Das 2001 herausgegebene Handbuch mit dem Titel ‚Städtebauliche Gestaltung des Vienna International Airport VIE‘ beinhaltet die Rezeptur zur nachhaltigen Entwicklung des Flughafens und sollte Richtlinie für die weiteren Überlegungen zur Expansion sein. Augenscheinlich ist dieser Leitfaden in Vergessenheit geraten.

Flughafen Wien AG/Roman Bönsch
Blick in die Check-in-Halle der Terminalerweiterung knapp vor der Eröffnung
Betritt man, von der Vorfahrt auf Ebene 1 kommend, das Terminalgebäude, ist der erste Eindruck der landseitigen Halle sicherlich überwältigend und bestätigt den Entwurfsgedanken, das gesamte Gebäude wahrzunehmen und gleichzeitig den wichtigen Durchblick aufs Vorfeld (Flugfeld) zu haben und zu wissen: ‚Da sind die Flugzeuge. Da muss ich hin.‘ Die räumliche Struktur ist schlüssig. Man geht über die Brücken über der Ankunftshalle zum Check-in und weiter durch die Sicherheitskontrollen zu den Gates.
Orientierungsräume
Der räumliche Eindruck prägt sich ein und wird bei der zukünftigen Ankunft in Wien – ein Stockwerk tiefer – wieder abgerufen. Bei genauerer Betrachtung fällt der missglückte Boden in der Ankunftsebene und in der Abflugebene auf. Bei dem einen wurde statt großer Flächen auf kleine Fliesenformate mit unpassender, weil zu heller, Verfugung gesetzt und beim anderen Boden (Abflugebene) fiel die Wahl auf Kautschukboden. Hier (im Terminalgebäude) stimmt zumindest die Farbgebung, die ursprünglich die Orientierung unterstützen sollte. Der geplante, dunkle Kunststeinboden sollte die Erdverbundenheit der landseitigen Bereiche bis zur Sicherheitskontrolle und ab dem Zolldurchgang (für Ankommende) symbolisieren.
In den luftseitigen Bereichen (ab der Sicherheitskontrolle) sollte ein heller Boden zum Einsatz kommen. Bei den Decken fallen die missglückten Hallendecken besonders ins Auge. Geplant waren geschlossene Decken, die die niedrigeren Decken der Check-In-Bereiche in die Hallen transferieren sollten. Übrig geblieben ist die ausdruckslose Lamellendecke mit den undefinierbaren ‚Störungen‘ durch die Oberlichter und die Schienen für die Revisionsplattform.
Gekürztes Lichtkonzept
Das gesamte Lichtkonzept wurde gekürzt. Statt der gedachten Unterstützung der räumlichen Qualitäten bleibt der Eindruck einer ‚aufgesetzten‘ Beleuchtung. Noch deutlicher fallen die Abweichungen beim Pier ins Auge. Weder das grundsätzliche Prinzip des hellen Bodens wurde hier umgesetzt noch das wesentliche Element der durchgängigen Lichtbänder. Vielmehr ist ein dunkler Boden verlegt worden, und die geplanten Lichtbänder wurden willkürlich unterbrochen. Die Möblierung der Passagierbereiche setzt zum Teil das geplante Konzept der Stressminimierung um. So wurden ‚Soft Tables‘, ‚Laptop Chairs‘ und ’Family FunLounges# umgesetzt, um das Wohlbefinden der Abreisenden zu erhöhen.
In den Bereichen für die Ankommenden wurden sämtliche Einrichtungen zur Hebung des Wohlbefindens vergessen. Weder die sogenannten ‚Stretching Tools‘ zur Behebung von Verspannungen nach langen Flugreisen noch eigene Lounges zur Recreation stehen zur Verfügung. All das musste weichen und flächendeckenden Werbungen Platz bieten. Möglicherweise stellt die derart geführte Auseinandersetzung mit der gebauten Realität eines Projekts - mit dieser Geschichte - eine unzulässige Verklärung dar. Am Ende bleibt jedoch der eigene Anspruch übrig."
Otto Höller, Architekt