Einsatz von schwerer Artillerie belegbar
Unerwartet hat sich der UNO-Sicherheitsrat am Sonntagabend dem Massaker in der syrischen Stadt Hula gewidmet. Die Einberufung zur Sitzung war eine Reaktion auf die Weigerung Russlands, einer internationalen Verurteilung des syrischen Regimes wegen der Bluttat zuzustimmen. Moskaus UNO-Vertreter Igor Pankin hatte gesagt, man müsse „prüfen, ob es wirklich die syrischen Autoritäten waren“.
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Es gebe Gründe für die Annahme, dass die Mehrheit der Opfer mit Messern und ähnlichen Waffen hingerichtet worden sei, sagte Pankin zu Sitzungsbeginn vor Journalisten. In der Sitzung wurde er mit Beweisen für das Gegenteil konfrontiert: UNO-Chefbeobachter Robert Mood sagte in einer Videoschaltung vor dem Gremium, die meisten Opfer seien durch Granatsplitter oder Schüsse aus nächster Nähe getötet worden. Ein Brief von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon lieferte weitere Belege für die Verantwortung des Regimes.
Mehr Opfer als bisher angenommen
Viele Opfer des Massakers in Syrien seien nach Angaben der UNO-Beobachter durch Artillerie- und Panzergranaten ums Leben gekommen, hieß es in Bans Brief an die Sicherheitsratsmitglieder. Man habe allein in der Moschee des Ortes 85 Leichen gesehen, darunter die von 34 Kindern. Neben Wunden durch Schrotmunition seien auch Verletzungen durch Kanonen- und Panzergranaten gesehen worden. Auch Artillerieeinschläge an Gebäuden stammten von schweren Waffen. Über Panzer und Artillerie verfügt nur das Regime.
Russland: Schuld auf beiden Seiten
Am Montag sagte Russlands Außenminister, Sergej Lawrow, dass sowohl die syrische Regierung als auch die Rebellen für das Massaker von Hula verantwortlich seien. Beide Konfliktseiten müssten dazu gebracht werden, die Kampfhandlungen einzustellen, so Lawrow bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem britischen Amtskollegen William Hague.
Bei dem Massaker in der zentralsyrischen Stadt sind zudem mehr Menschen getötet worden als bisher angenommen. Es habe 108 Tote und etwa 300 Verletzte gegeben, sagte Mood. Zuvor war von 92 Toten die Rede gewesen. Die Regierung in Damaskus hatte zuvor jede Verantwortung zurückgewiesen und „Terroristen“ verantwortlich gemacht. So werden von der Führung des Landes allgemein die seit März 2011 gegen Präsident Baschar al-Assad kämpfenden Aufständischen im Land bezeichnet.
Gequälte Kompromissformel als Sitzungsresultat
Der Sicherheitsrat einigte sich schließlich auf die reichlich gequälte Formulierung, man verurteile das syrische Regime für den Einsatz von schweren Waffen an dem Ort, an dem das Massaker stattgefunden habe. Die - nicht näher bezeichneten - Verantwortlichen müssten zur Verantwortung gezogen werden.
Bei den Angriffen auf eine Wohngegend habe es eine „Schussserie von Panzern und Regierungsartillerie“ gegeben, hielt der UNO-Sicherheitsrat aber immerhin fest. Zudem bekräftigte der Sicherheitsrat seine Forderung, die syrische Regierung müsse schwere Waffen aus den Städten abziehen.
Annan trifft Assad
Drei Tage nach dem Massaker traf der UNO-Vermittler Kofi Annan am Montag in Damaskus ein. Der Topdiplomat werde am selben Tag mit Außenminister Walid al-Muallem und am Dienstag mit Assad zusammentreffen, hieß es in der syrischen Hauptstadt. Auch werde er mit Oppositionellen sprechen. Annan zeigte sich „schockiert“ über das Massaker in Hula. Das Blutbad werde „schwere Folgen“ haben, so Annan. Er forderte vor dem Treffen mit Assad, die Führung in Damaskus müsse ihren Willen für eine friedliche Lösung des Konflikts unter Beweis stellen. Er erwarte mutige Schritte von Assad, sagte er kurz nach seinem Eintreffen in der syrischen Hauptstadt. Er hoffe auf „ernsthafte und offene Gespräche“.
Der scheidende Präsident des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC), Burhan Ghaliun, forderte ein bewaffnetes Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in seinem Land. Diese müsse entsprechend dem Kapitel VII der UNO-Charta eingreifen, das einen gewaltsamen Einsatz bei einer „Bedrohung des Friedens“ möglich macht, sagte Ghaliun in Istanbul. Für den Fall, dass es dazu nicht komme, rufe er das gesamte syrische Volk zum „Freiheitskampf“ auf.
US-General erwägt militärische Option
US-Generalstabschef Martin Dempsey erwog unterdessen erstmals ein militärisches Vorgehen gegen Syrien. „Wir sind bereit, (militärische) Optionen vorzulegen, wenn wir danach gefragt werden“, sagte der General in einem Interview mit dem TV-Sender CBS. Allerdings fügte er ausdrücklich hinzu, dass es vor einer Diskussion über militärische Möglichkeiten diplomatischen Druck geben sollte.
Dempsey sagte, sein Job sei es nicht, Politik zu machen. Sache der Armee sei es, militärische Pläne zu liefern. Bisher haben es US-Militärs sowie die US-Regierung stets vermieden, in der Öffentlichkeit über militärische Aktionen gegen Syrien zu sprechen.
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