„Weltbester lebender Regisseur“
Der österreichische Filmemacher Michael Haneke hat am Sonntagabend seine zweite Goldene Palme gewonnen. Bei den 65. Filmfestspielen in Cannes entschied sich die Jury unter dem Italiener Nanni Moretti für „Amour“, einen berührenden und zärtlichen Film über Alter und Tod. Haneke hatte zuvor bereits als Favorit gegolten.
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Es hatte andererseits erhebliche Zweifel daran gegeben, dass die Cannes-Jury Haneke den begehrten Preis zweimal innerhalb kürzester Zeit zusprechen würde: Vor drei Jahren war er bereits für seinen vorherigen Film „Das weiße Band“ mit dem Hauptpreis der künstlerisch wohl bedeutendsten Filmfestspiele der Welt ausgezeichnet worden. Insgesamt waren seit 16. Mai 22 Filme im Wettbewerb vorgestellt worden.
Regisseure mit zwei Goldenen Palmen
Michael Haneke ist erst der siebente Regisseur, dem es gelungen ist, zwei Goldene Palmen bei den Filmfestspielen in Cannes zu gewinnen:
- Alf Sjöberg (1946, 1951)
- Francis Ford Coppola (1974, 1979)
- Bille August (1988, 1992)
- Emir Kusturica (1985, 1995)
- Shohei Imamura (1983, 1997)
- Luc und Jean-Pierre Dardenne (1999, 2005)
- Michael Haneke (2009, 2012)
Haneke widmet Film seiner Frau
Haneke kam zur Entgegennahme seiner zweiten Goldenen Palme gemeinsam mit seinen beiden Hauptdarstellern Emmanuelle Riva und Jean-Louis Trintignant auf die Bühne, denen er besonders dankte. Sein Dank gehe auch an die Jury, an sein wunderbares Team, seine Produzenten und Geldgeber und vor allem an seine Frau, die ihn seit über 30 Jahren unterstütze - Video dazu in iptv.ORF.at.
Sein Film sei auch die Illustration eines Versprechens, das sie einander gegeben hätten. In dem Film ist der 81-jährige Trintignant in der Rolle eines Ehemannes zu sehen, der seine todkranke Frau Anne pflegt und bis zum Ende begleitet. Riva sagte, dass das gemeinsame Drehen eines Films auch das miteinander Teilen von einem Stück Leben sei. Die 85-Jährige, die mit ihrer Rolle in Alain Resnais’ „Hiroshima mon Amour“ zu Weltruhm kam, war zuletzt vor 53 Jahren nach Cannes gekommen.
Trintignant teilte den Preis gleich in sechs Viertel: Je eines gehe seiner Meinung nach an die Produzentin, an Haneke, den er als den besten lebenden Regisseur der Welt bezeichnete, seine beiden Kolleginnen Riva und Huppert, das ganze Team sowie an seine Ehefrau. Für Trintignant war es die Rückkehr nach Cannes nach 14-jähriger Filmpause. „Amour“ sei sein letzter Film, kündigte er vor Journalisten an. „Ich werde keinen mehr drehen.“

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Haneke und seine Darsteller bei der Preisverleihung
Seidl ging leer aus
Als Präsentatoren der Entscheidung der Goldenen Palme fungierten Adrian Brody und Audrey Tautou. Die Entscheidung selbst wurde vom Jurypräsidenten, Nanni Moretti, bekanntgegeben. Der zweite österreichische Film, „Paradies: Liebe“ von Ulrich Seidl, war zu Beginn des Festivals kontrovers aufgenommen worden und ging bei der Preisverleihung leer aus. Überraschenderweise ohne Preis blieb auch „Holy Motors“ von Altmeister Leos Carax, der ebenfalls als Favorit für mehrere Preiskategorien gegolten hatte.
Den großen Preis der Jury erhielt der italienische Filmemacher Matteo Garrone für seinen Film „Reality“, den Preis der Jury der britische Regisseur Ken Loach für sein tragikomisches Drama „The Angels’ Share“.

APA/EPA/Stephane Reix
Regisseur Ken Loach mit Ensemble
Den Regiepreis sicherte sich Carlos Reygadas für „Post tenebras lux“. Der Drehbuchpreis ging an den rumänischen Palmen-Mitfavoriten „Beyond the Hills“ von Cristian Mungiu. Die Darstellerinnen Cristina Flutur und Cosmina Stratan erhielten für das Exorzistendrama auch den Preis für die besten Darstellerinnen. Als bester Schauspieler wurde der Däne Mads Mikkelsen für seine Rolle als fälschlich beschuldigter Kinderschänder in „The Hunt“ von Thomas Vinterberg geehrt. Für den besten Debütfilm wurde der US-Amerikaner Benh Zeitlin für „Beasts of the Southern Wild“ ausgezeichnet.
Produzent freut sich über „Sensation“
Hanekes Produzent Veit Heiduschka sah in der zweiten Prämierung Hanekes „eine Sensation“. Das sei nicht zu erwarten gewesen, sagte Heiduschka unmittelbar nach der Preisverleihung, „wir hätten uns hier über alles gefreut. Das ist ein toller Erfolg für Österreich, und ich hoffe, dass er auch Konsequenzen zeitigt.“ Heiduschka berichtete von einem „enormen Beifall“ bei der Preisverleihung, „der Regen hat uns offenbar Glück gebracht“. Sowohl bei der Premiere am vergangenen Sonntag als auch bei der Abschlusszeremonie hatte es an der Croisette geregnet.
„Der Himmel weint wohl Freudentränen“, schmunzelte der Produzent. Nun gebe es einmal einen Umtrunk vom Festival aus, ob „Amour“ nun einen ähnlichen Erfolgslauf starten werde wie vor drei Jahren „Das weiße Band“, wagte Heiduschka nicht zu prophezeien. „Den Europäischen Filmpreis könnte ich mir vorstellen“, meinte er vorsichtig. Haneke selbst habe angesichts der positiven Resonanz auf eine Auszeichnung gehofft, aber „rechnen kann man mit so etwas nicht“.
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