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UNO-Beobachter erschüttert

Der Leiter der UNO-Beobachtermission in Syrien, Robert Mood, hat den Angriff syrischer Regierungstruppen auf die Stadt Hula vom Freitag scharf verurteilt. Er verurteile „in schärfster Form“ die „brutale Tragödie“, so Mood am Samstag. Die Internationale Gemeinschaft reagierte mit heftigen Worten.

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US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte das Massaker an mehr als 90 Zivilisten in der syrischen Stadt Hula scharf. Sie verlangte in einer Erklärung in Washington ein Ende der fortgesetzten Gewalt. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die USA würden mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um den Druck auf den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und „seine Spießgesellen“ zu erhöhen. „Deren Herrschaft durch Mord und Angst muss ein Ende haben“, forderte Clinton.

Mindestens 92 Tote

Die UNO-Beobachter, die am Samstag an Ort und Stelle eingetroffen waren, hätten bestätigt, dass die Armee in der Stadt Panzerartillerie eingesetzt habe. Den Beobachtern zufolge wurden bei dem Angriff mindestens 92 Menschen getötet, darunter 32 Kinder unter zehn Jahren.

Der oppositionelle Syrische Nationalrat hatte zuvor von mehr als 110 Toten gesprochen, die Hälfte davon Kinder. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von mehr als 90 Toten, darunter 25 Kinder.

„Täter zur Verantwortung ziehen“

Das UNO-Beobachterteam war am Samstag nach Hula gereist, um nach eigener Aussage „die in den vergangenen 24 Stunden im Verstoß gegen die Waffenruhe begangenen Verbrechen zu dokumentieren“. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Syrien-Sondergesandte, Kofi Annan, verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung die Tötung der Zivilisten aufs Schärfste.

Es handle sich um ein „schreckliches und brutales Verbrechen“. Dieser „wahllose und unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt“ stelle eine klare Verletzung internationalen Rechts dar. Diejenigen, die dieses Verbrechen verübt hätten, müssten zur Verantwortung gezogen werden. Der Syrische Nationalrat sprach von einem „Massaker“.

Verhüllte Leichen von Regierungsgegnern

Reuters/Shaam News Network

Für das Begräbnis in Tücher gehüllte Leichname der Opfer des Angriffs bei Hula

Angriff während Demonstration

Die Armee hatte das Dorf Taldo nahe Hula mit Kanonen und Raketenwerfern beschossen. Wie der Exilaktivist Ahmed Kassem der Deutschen Presse-Agentur dpa in Beirut darlegte, hätten seine eigenen Eltern, mit denen er am Samstag telefonieren konnte, das Artilleriefeuer auf Taldo mit viel Glück überlebt. Seinem Bericht zufolge schlugen die ersten Artilleriegranaten mitten in die wöchentliche Protestkundgebung unbewaffneter Bürger nach dem Freitag-Gebet in Taldo ein.

Bereits das habe ein große Zahl an Opfern verursacht. Danach hätten die Truppen die Wohnhäuser des Weilers unter Feuer genommen. Hunderte Granaten und Raketen sollen niedergegangen sein. Auch das Haus von Kassems Eltern sei getroffen worden. Diese hätten überlebt, weil sie rechtzeitig Schutz im Freien suchten.

Verhüllte Leichen von Regierungsgegnern

AP/Shaam News Network

Ein Mann in Aleppo flieht mit einem Kind auf dem Arm vor Regimekräften

Widersprüchliche Angaben

Über den Hergang des mutmaßlichen Massakers sickerten am Samstag in Exilkreisen zunächst widersprüchliche Informationen durch. So seien viele Zivilisten nach dem Artilleriebeschuss von regimetreuen Freischärlern niedergemetzelt worden, die im Feuerschutz der Truppen von Haus zu Haus gegangen seien. Kassem widersprach diesen Angaben unter Berufung auf Angaben seines Vaters jedoch entschieden: „Ja, es ist ein neues Massaker, aber alle Opfer, alle unschuldigen Kinder wurden von den Granaten des Assad-Regimes getötet.“

Die Wirkung war nach Oppositionsangaben auch so verheerend genug. Von Aktivisten ins Internet gestellte Videos zeigten zerfetzte und blutige Leichen von Familien mit Kindern in verschiedenen Wohnräumen. Aus Angst vor weiteren Angriffen setzte eine Massenflucht aus Taldo ein. Die Menschen zögen ins Landesinnere, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.

Schlimmstes Blutbad seit UNO-Vermittlung

Der Angriff ist das schlimmste Blutbad seit Beginn der UNO-Beobachtermission - möglicherweise eines der opferreichsten seit Monaten. Hula war in den vergangenen Monaten Schauplatz häufiger Kundgebungen gegen das Regime von Präsident Assad. Das gilt aber auch für andere Regionen der Provinz Homs sowie die gleichnamige Provinzhauptstadt. Aktivisten verbreiteten in der Nacht zum Samstag das Video einer Solidaritätskundgebung in der Stadt Homs für die Opfer von Hula. Darauf ist zu sehen, wie die Teilnehmer schwören, das vergossene Blut nicht ungesühnt zu lassen.

Der Syrische Nationalrat forderte die Einberufung des UNO-Sicherheitsrates, um die Verantwortlichen für das mutmaßliche Massaker festzustellen. Die vor allem aus desertierten Soldaten bestehende Freie Syrische Armee (FSA) will sich als Folge des „Verbrechens von Hula“ nicht länger an den UNO-Friedensplan halten. Die Rebellentruppe forderte erneut Luftangriffe auf die Truppen Assads.

Internationale Empörung

Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle forderte Konsequenzen. Das Assad-Regime müsse die Gewalt sofort einstellen, den Friedensplan des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Annan in vollem Umfang umsetzen und vorbehaltlos mit den UNO-Beobachtern zusammenarbeiten. London forderte eine „harte internationale Reaktion“ auf den Angriff von Hula. Der französische Außenminister Laurent Fabius forderte ebenfalls ein stärkeres Engagement der internationalen Gemeinschaft. Er kündigte ein Treffen der Gruppe der Freunde Syriens an. Zur Freundesgruppe eines demokratischen Syriens gehören mehr als 60 Staaten und internationale Organisationen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verurteilte den Angriff ebenfalls scharf und forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. Zudem rief die EU zu Schritten gegen das Regime auf. „Die Internationale Gemeinschaft muss mit einer Stimme sprechen und ein Ende des Blutvergießens fordern“, schrieb Ashton.

Zuvor hatten bereits Berlin, Paris und London ihr Entsetzen angesichts der Angriffe geäußert. Die britische Regierung will in den kommenden Tagen eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats beantragen. Großbritannien forderte eine „starke internationale Reaktion“ auf dieses „entsetzliche“ Verbrechen.

Eskalation vor Visite Annans

In Syrien unterdrückt das Assad-Regime seit fast 15 Monaten mit brutaler Gewalt eine anfangs friedliche Protestbewegung, die inzwischen stellenweise in einen bewaffneten Aufstand umgeschlagen ist, und im Zuge dessen laut UNO-Angaben bereits mehr als 10.000 Menschen getötet wurden.

Die etwas mehr als 250 UNO-Beobachter sind seit Mitte des Vormonats unbewaffnet im Land. Sie überwachen eine kurz vor ihrem Eintreffen vermittelte Waffenruhe, die aber nur auf dem Papier steht. Waffenruhe und UNO-Einsatz sind Teil des Friedensplans des UNO-Vermittlers Annan. Der ehemalige UNO-Generalsekretär (1997-2006) wird am Montag zu Gesprächen in Damaskus erwartet.

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