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Die ersten Brückenspaziergänger

Eine Handvoll Zeitzeugen erinneren sich heute noch an die Eröffnung der Golden Gate Bridge vor 75 Jahren. Sie waren als erste Brückenspaziergänger mit dabei.

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Mit 85 Jahren erinnert sich die Kalifornierin Nancy Kent Danielson noch gut an das „nackte Goldene Tor“ aus Kindertagen in der Bucht von San Francisco. „Golden Gate“ hieß die knapp zwei Kilometer breite Einfahrt vom Pazifik in die San Francisco Bay lange vor dem Bau der Golden-Gate-Brücke. „Die Bucht sah viel zu groß aus, als dass man sich eine Straße in der Luft von der einen zur anderen Seite vorstellen konnte“, erzählt die rüstige Seniorin, die nördlich der Golden-Gate-Brücke im Bezirk Marin County wohnt.

U.S. Secretary of Labor Frances Perkins bei einer Inspektion der Golden Gate Bridge Baustelle, 1935

AP

Arbeitsministerin Frances Perkins inspizierte die Baustelle 1935

Gesellschaftliches Großereignis

Danielson zählt jetzt zu einer Handvoll Zeitzeugen, die sich 75 Jahre nach der Eröffnung der Golden Gate Brücke an das historische Ereignis erinnern. Als Elfjährige spazierte sie mit ihrer Zwillingsschwester und ihren Eltern an dem Tag über die Brücke. „Das war eine große, feierliche Menge von 200.000 Menschen“, erzählt Danielson. Autos waren erst am Tag danach erlaubt.

Auch Patricia McCaron denkt noch an das „größte Ereignis“ ihrer Kindheit, obwohl sie damals erst dreieinhalb Jahre alt war. „Mein Vater und ich hatten einen Hut mit Quasten an, im Stil von Rudolpho Valentino, das war die große Mode“, erzählt die 78-Jährige. „Das war ein unglaubliches Gefühl, zu den Pfeilern hochzuschauen. Diese Farbe und die unendliche Höhe, das vergisst man einfach nie.“ Das war die 25 Cent, die jeder Fußgänger am Eröffnungstag zahlen musste, ganz bestimmt wert, meint McCaron.

Golden Gate Bridge

Reuters/Robert Galbraith

Dichter Verkehr auf der Brücke

„Achterbahnfahrt“ auf der Hängebrücke

Ausgerechnet an ihrem 25. Geburtstag schrieb Nancy Kent Danielson auf der Golden Gate Brücke noch einmal Geschichte. Sie war die letzte Autofahrerin, die bei einem schweren Sturm im Dezember 1951 noch über die Brücke fahren durfte, bevor die Straße erstmals für den Verkehr gesperrt wurde. Nur bei zwei weiteren Stürmen machten die Betreiber die Brücke dicht. „Die Straße wellte sich vor mir mehrere Meter rauf und runter“, erinnert sich Danielson an ihre „Achterbahnfahrt“ auf der Hängebrücke. „Sie flatterte wie ein Seidenband im Wind“. Die schwebende Stahlkonstruktion hielt dem mächtigen Sturm aber Stand.

Eine weitere Belastungsprobe erlebte die Golden Gate an ihrem 50. Geburtstag. An dem für Autos gesperrten „Fußgängertag“ strömten so viele Menschen auf die Brücke, dass sich die gewöhnlich nach oben gewölbte Trasse nach unten senkte. „Es war absolut verrückt. Wir konnten weder vorwärts noch rückwärts laufen und hatten ziemlich Angst“, erinnert sich Patricia McCaron über das Gedränge mitten auf der Brücke. Statt der erwarteten 80.000 Menschen kamen über 300.000 zu dem Jubiläum.

Drei „Brückenbabys“

Auch den 75. Geburtstag werden die beiden Seniorinnen zusammen mit weiteren Zeitzeugen als Ehrengäste feiern. Dazu gehören drei erwachsene „Brückenbabys“, die im Verkehrsstau auf der Golden-Gate-Brücke geboren wurden. Von den ehemaligen Arbeitern sind nur noch wenige am Leben, darunter ein jetzt 95-Jähriger, der mit 18 Jahren beim Brückenbau Kabel verlegte.

Der geniale Ingenieur Joseph Baermann Strauss, geboren 1870 im amerikanischen Bundesstaat Ohio, hatte sein letztes großes Projekt nicht lange überlebt. Knapp ein Jahr nach der Eröffnung der Golden-Gate-Brücke erlag er einem Herzinfarkt.

„Zeitlose Schönheit“

Nicht nur sein technischer Mut, auch seine künstlerische Vision für die damals längste Hängebrücke der Welt, sind legendär. „Sie ist nicht nur ein strukturelles Wunder, sie ist ein wahres Kunstwerk“, schwärmt Nancy Kent Danielson. „Man fragt sich, wie die Erbauer einfach alles richtig hinbekommen haben. Die Brücke mit ihrer großartigen Farbe ist eine zeitlose Schönheit“.

Barbara Munker, dpa

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