75. Jubiläum in „International Orange“
Das Wahrzeichen von San Francisco hat Erdbeben, Stürme und unzählige Verkehrsstaus überstanden. Zum 75. Geburtstag am Sonntag wird die Golden Gate Bridge von ihren Fans gestürmt. Sie überspannt die Meerenge - „Golden Gate“ - am Eingang zur Bucht von San Francisco.
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Noch hatte bis dahin keine Brücke eine solche Distanz überwinden müssen - die Meerenge ist an jener Stelle 1.600 Meter breit und bis zu 90 Meter tief. Windstärken von bis zu 100 km/h, häufiger Nebel und die tückischen Strömungen von bis zu 7,5 Knoten würden die Bauarbeiten verunmöglichen, befürchtete die Ingenieurszunft des Landes.
Und sie liegt nur 13 Kilometer vom Epizentrum des verheerenden San-Francisco-Erdbebens von 1906 entfernt: mit rund 3.000 Toten eine der schlimmsten Naturkatastrophen der USA. Joseph Baermann Strauss aus Cincinnati, Ohio, hielt das alles für Schwarzmalerei. Mit dem Ausspruch „San Francisco hat schon so oft das Unmögliche möglich gemacht“ bekam der Sohn eines deutschstämmigen Künstlerehepaars den Auftrag, schrieb das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ kürzlich. Seine Golden Gate Bridge gilt bis heute als Meisterleistung - in mehrfacher Hinsicht.

From the holdings of the Golden Gate Bridge, Highway and Transportation District, ww.goldengate.org
Die im Bau befindliche Golden Gate Bridge im November 1936
Brücke der Rekorde
Mit einer Spannweite zwischen den Pfeilern von 1.280 Metern war die Golden Gate Bridge viele Jahre die längste Hängebrücke der Welt. Erst 1964 lief ihr die Verrazano Narrows Bridge in New York den Rang ab. Seit 1998 hat die Akashi-Kaikyo-Brücke in Japan mit 1.991 Metern Spannweite den Titel inne. Die beiden mächtigen Hauptkabel der Golden Gate Bridge - im Durchmesser knapp einen Meter dick und nach einem Patentverfahren des deutschen Einwanderers John Roebling aus 129.000 Kilometern Draht gesponnen - halten die sechsspurige Fahrbahn in der Schwebe.
Zwei Art-Deco-Pfeiler strecken sich über dem Pazifik 227 Meter hoch in den Himmel. Signalcharakter hat vor allem die Farbe der Brücke, auch wenn sie nicht in Gold bemalt ist, wie der Name der Brücke vermuten ließe, sondern in „International Orange“ - eine Farbe, die zunächst in der Luft- und Raumfahrt Verwendung fand und in ihrer Farbgebung intensiver und roter als das weiter verbreitete „Safety Orange“ ist.
Name stammt von der Bucht
Der Name der Brücke kommt nicht von der Farbe, sondern von der darunterliegenden Bucht: „Golden Gate“ (goldenes Tor) hieß die knapp zwei Kilometer breite Einfahrt vom Pazifik in die San Francisco Bay bereits lange vor dem Bau der Golden-Gate-Brücke.
Facelift zum Geburtstag
Als die Brücke gebaut wurde, befand Strauss, dass die orange Grundierung bestens zu den Hügeln in der Umgebung und zum Wasser der Bucht passte, und er empfahl das Orange als Deckfarbe. „Man stelle sich vor, die hätten Grau genommen, das würde einfach nicht gut aussehen“, so ein Maler, der derzeit mit der Farbauffrischung beschäftigt ist. Hätte sich die Marine durchgesetzt, so wäre die Brücke aus Sicherheitsgründen heute schwarz-gelb gestreift.
Zum Geburtstag bekommt die „unmögliche“ Brücke nun eine Frischekur in ihrer charakteristischen Farbe. Erstmals seit der Einweihung im Jahr 1937 werden die beiden Hauptkabel auf ganzer Länge - immerhin 2.332 Meter - frisch angestrichen. Rechtzeitig bis zum 27. Mai schafften es die Brückenmaler allerdings nicht. Der im letzten Sommer begonnene Facelift wird mehrere Jahre dauern.
Fußgängeransturm als Risiko
Täglich passieren bis zu 6.000 Radfahrer, mehr als 10.000 Fußgänger und jährlich über 40 Millionen Autos das Bauwerk. Wenn die Stadt San Francisco am Sonntag den 75. Geburtstag ihres Wahrzeichens begeht, werden Hunderttausende Schaulustige erwartet. Gefeiert wird entlang der Uferpromenade mit historischen Paraden, Ausstellungen, Zeitzeugen und einem großen Feuerwerk, das von der Brücke aus gezündet wird.

Reuters/Max Whittaker
Radrennen über die Brücke
Einen Fußgängertag, wie am 50. Geburtstag, als über 300.000 Menschen von beiden Seiten auf die Brücke strömten, gibt es nicht. Damals bebten die Nerven der Besucher und Veranstalter, als die gewöhnlich leicht nach oben gewölbte Trasse unter der schweren Last flachgedrückt wurde. „Es war absolut verrückt. Wir konnten weder vorwärts noch rückwärts gehen und hatten ziemlich Angst“, erinnert sich eine Zeitzeugin an das Gedränge mitten auf der Brücke. Erwartet waren nur 80.000 Menschen worden. Ebenfalls mit einem Fußgängertag war die Brücke am 27. Mai 1937 feierlich eingeweiht worden - unter ebenso großem Gedränge, aber ohne Sicherheitsrisiko.

Corbis
Der Chefkonstrukteur mit einem Assistenten
Elegante Hängekonstruktion
Gute Nerven musste Strauss immer wieder beweisen. Er hatte sich noch vor Baubeginn über zehn Jahre lang gegen heftigen Widerstand von Fährleuten, die Skepsis von Geldgebern und Politikern und die wirtschaftlichen Zwänge der Großen Depression durchzusetzen. Sein ursprünglicher Plan von 1921, ein klobiger, technisch im 19. Jahrhundert verhafteter Entwurf, war mittlerweile einer eleganten Hängekonstruktion gewichen. Sie wurde von einem Team aus Brückendesignern, Architekten und Wissenschaftlern, allen voran Professor Charles Alton Ellis, ausgearbeitet.
Der Bau stellte eine enorme technische Herausforderung dar. Für rund 35 Millionen Dollar ließ Strauss die grandiose Konstruktion schließlich mit 1.500 Arbeitern unter schwierigsten Bedingungen bauen - in nur gut vier Jahren, was die meisten für schlicht unmöglich befunden hatten. Und wenn, dann nur mit astronomisch teuren Baukosten von 100 Millionen Dollar, wurde spekuliert.
„Auf halbem Weg zur Hölle“
Nicht nur die Konstruktion gilt als Meisterleistung, Strauss war auch ein Sicherheitsexperte. Als die Hängekabel angebracht werden sollten, ließ er ein teures Auffangnetz installieren. 19 Arbeiter wurden nach Stürzen, die sonst wohl tödlich verlaufen wären, aufgefangen. Gemeinsam gründeten die Gefallenen den „Half Way to Hell Club“ (Auf-halbem-Weg-zur-Hölle-Club). Strauss führte außerdem die Helmpflicht auf der Baustelle ein - ein absolutes Novum.

AP
Sicherheitsnetz für die Brückenarbeiter
Insgesamt kamen dennoch elf Arbeiter ums Leben. Ein mit zwölf Personen besetztes Gerüstteil stürzte im Februar 1937 in das Netz, dieses konnte der Wucht nicht standhalten, und zehn Arbeiter stürzten in den Tod. Strauss selbst hat sein letztes großes Projekt nicht lange überlebt. Knapp ein Jahr nach der Eröffnung der Golden-Gate-Brücke erlag er 68-jährig einem Herzinfarkt.
Magnet für Selbstmörder und Touristen
In einer Frage irrte Strauss: „Wer würde wohl von der Golden Gate Bridge springen wollen?“, entgegnete er kritischen Journalistenfragen bei der Eröffnung. Keine vier Monate später strafte ihn der erste Suizidkandidat Lügen. Sechs folgten seinem Beispiel noch im gleichen Jahr. Seither stürzen sich Jahr für Jahr Dutzende Menschen von der 67 Meter über der Meerenge schwebenden Brücke. Bis 1995 waren es bereits tausend. Seither zählen die Behörden die Toten nicht mehr offiziell.
Der Bau einer Barriere scheiterte an der schwierigen finanziellen Lage der Betreibergesellschaft und an ästhetischen Bedenken. Es sind allerdings mehrere Telefone angebracht, die es ermöglichen sollen, Kontakt zu professioneller Hilfe aufzunehmen. Nach den jüngsten Plänen will die Brückenverwaltung an dem Geländer ein Fangnetz aus Stahl anbringen, allerdings müssten noch 45 Millionen Dollar (35 Millionen Euro) dafür beschafft werden, erklärte Sprecherin Mary Currie.
Rechtzeitig für das Jubiläum haben sich die Betreiber und Touristiker auch einiges für Besucher und Schaulustige einfallen lassen: Es gibt einen neuen Pavillon auf dem Brückenvorplatz mit historischen Artefakten und Andenken. Erstmals können Interessierte auch bei geführten Touren mitmachen - darunter nächtlichen Ausflügen auf die Brücke, die dann eigentlich für Fußgänger gesperrt ist.
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