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„Verabsäumte potenzielle CO2-Senke“

Eine Studie der Universität Wien stellt dar, wie hoch die Umweltbelastung ist, die von der Lebensmittelproduktion ausgeht. Gemeinsam mit der niederländischen Environmental Assessment Agency wurden für die Berechnung des gesamtheitlichen CO2-Ausstoßes weitere, für die Klimabilanz allerdings hoch relevante Faktoren miteinbezogen.

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Zudem wurde die im Laufe der Produktionskette entstehende Kohlendioxidbelastung anschaulicherweise mit dem CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen europäischen Pkws verglichen. Und das dadurch begreifbar werdende Belastungsniveau ist enorm: So stellt die Studie dar, dass die Produktion von lediglich einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien mit 335 Kilogramm Kohlendioxid genauso viel Treibhausgas erzeugt wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt.

Rindfleischproduktion schädigt Klima

Doch auch in anderen Ländern ist die Produktion von Rindfleisch ein regelrechter Klimakiller. Auch Irland und die Niederlande wurden in der Studie ausgewertet: In Irland „fordert“ die Produktion ganze 60 Kilogramm Kohlendioxid - in den Niederlanden sind es noch immer 22 Kilogramm CO2. Die Schadstoffmenge ist freilich nicht mit jener Brasiliens zu vergleichen.

Der Grund für den exorbitant hohen Schadstoffausstoß hängt vor allem mit der Notwendigkeit des südamerikanischen Fleischgroßexporteurs zusammen, geeignete Weideflächen zu schaffen und dafür großflächig zu roden - gerade diesen für den CO2-Ausstoß nicht unwesentlichen Faktor schließt die Untersuchung mit ein.

Ökobilanz als Gradmesser

Als Basis diente den Wissenschaftlern die weltweit gängige Life-Cycle-Assessment-Methode (LCA). Diese Methode, auch als Ökobilanz bekannt, ist eine systematische Analyse der Umweltwirkungen von Produkten während ihres gesamten Weges. Zur Analyse gehören sämtliche Umweltwirkungen während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung des Produktes sowie die damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozesse.

Arbeiter in einem Schlachthaus in Brasilien

Reuters/Paulo Whitaker

Auch die Schadstoffbelastung durch Kühlräume weist die Ökobilanz aus

Zu den Umweltwirkungen zählt man sämtliche umweltrelevante Entnahmen aus der Umwelt (etwa Erze, Rohöl, Anm.) sowie die Emissionen in die Umwelt - wie im vorliegenden Beispiel Kohlendioxidemissionen. Darüber hinaus entwickelten die Studienleiter eine grundlegende Erweiterung der inkludierten Faktoren - was die Umweltbelastung noch umfangreicher illustriert.

Flächenverbrauch als Faktor inkludiert

Die wesentliche Neuerung bei dieser Berechnung ist, dass zusätzlich zu den Emissionen aus der Produktion der Lebensmittel nun auch der Flächenverbrauch der Produktion eingeschlossen wird. Bisher in dieser Bilanz ignoriert, spielt dieser in der Realität für das Klima eine zentrale Rolle. Denn nicht nur die Emission von Schadstoffen, also das, was in die Atmosphäre entlassen wird, ist als Faktor der Umweltbelastung in der adaptierten Life-Cycle-Assessment-Methode miteinbezogen.

Berücksichtigt ist auch die potenzielle Zunahme der CO2-Belastung durch umfunktionierte Flächen - etwa Weideareal. Der große Bedarf an entsprechenden Nutzflächen verhindert, dass auf diesen natürliche Wälder und Sträucher nachwachsen können: Diese würden - wären sie vorhanden - wiederum durch ihr Wachstum CO2 wie ein Schwamm aus der Atmosphäre aufnehmen und damit das Weltklima entlasten.

„Nutzflächen reichen nicht an Wald heran“

„Es fehlen somit natürlich bewachsene Flächen. Denn Nutzflächen (etwa Weideflächen, Anm.) können an die Funktionalität eines Waldes niemals herankommen, wenn es darum geht, große Mengen an CO2 zu binden. So können viel weniger Schadstoffe gebunden werden. Diesen Zusatzbelastung rechnen wir nun mit dem aktiven Ausstoß zusammen“, sagt Studienautor Kurt Schmidinger, Projektmitarbeiter der Universität Wien. Würde man Nutzflächen wieder bewäldern, so ließe sich die Schadstoffbelastung dadurch drastisch senken - weil dies jedoch nicht passiert, handle es sich um eine „verabsäumte potentielle CO2-Senke“, wie die Studie beschreibt.

Doch auch eine Reduktion von Weidehaltung zugunsten industrieller Tierhaltung würde das Problem nicht lösen: „Ein Umstieg würde den Druck auf die Ackerflächen weiter enorm steigern, mit Konsequenzen für die Welternährungssituation. Die industrielle Tierhaltung ist eine Sackgasse, auch wenn sie in der Klimabilanz manchmal besser abschneidet als die Weidehaltung“, so Schmidinger weiter.

Pflanzliche Lebensmittel mit besten Klimawerten

Industrielle Tierhaltung sei auch unter den Gesichtspunkten wie Seuchen, Antibiotika-Resistenzen, Tierschutz, Biodiversität, Wasserverschmutzung und Bodenerosion äußerst problematisch, so Schmidinger. Vielmehr verweist der Experte auf eiweißreiche pflanzliche Lebensmittel - diese zeigen in der neuen Studie auch die mit Abstand besten Klimawerte: Die Produktion eines Kilogramms Tofu erzeugt 3,8 Kilogramm CO2, das entspricht umgerechnet etwa 19 gefahrenen Autokilometern.

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