Kritik an „mafiösem Staat“
Der Eurovision Song Contest (ESC) in Baku hat die Hoffnung aserbaidschanischer Menschenrechtler auf eine Besserung der Lage in der autoritären Südkaukasusrepublik nicht erfüllt. Auch in Gegenwart von Gästen aus mehr als 40 Ländern gehe die Polizei mit Prügel und Festnahmen gegen Regierungsgegner vor.
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Täglich nimmt die Polizei in Baku Oppositionelle fest und unterbindet Proteste. Mindestens 20 Regierungsgegner seien festgenommen worden, als sie vor dem Gebäude des Staatsfernsehens für Pressefreiheit und gegen einseitige Berichterstattung demonstrieren wollten, berichtete das Internetportal contact.az am Donnerstag. Einige Quellen sprachen von bis zu 35 Festnahmen.
Zig Regierungsgegner im Gefängnis
Über 70 Regierungsgegner seien im Gefängnis, darunter sieben Journalisten, sagte die prominente aserbaidschanische Bürgerrechtlerin Lejla Junus. Die Leiterin des Instituts für Frieden und Demokratie (Institute for Peace and Democracy) bezeichnete die Lage als „fürchterlich“, weil es keine Rechtssicherheit gebe.
Auch Familienmitglieder der Regierungsgegner würden unter Druck gesetzt. Junus gehört zu den führenden Köpfen des Bürgerrechtsprojekts „Sing for Democracy“ (Singen für Demokratie), das auch die hohen Kosten für den ESC angesichts der Armut und vielen sozialen Probleme im Land infrage stellt.
Streit über exorbitante Kosten
Experten geben die Gesamtkosten für den ESC mit 629,8 Millionen Euro an, davon etwa ein Drittel allein für die von Deutschen gebaute Crystal Hall an der Küste des Kaspischen Meeres. Das sei der höchste Betrag, der je für einen Grand Prix ausgegeben wurde, teilte die Vereinigung für die Unterstützung einer freien Wirtschaft (PAAFE) in Baku mit. Der Chefideologe der Präsidialverwaltung, Ali Gassanow, wies diese Angaben entschieden zurück.
Gassanow nannte ESC-Kosten von rund 50 Millionen Euro. Die Arena und andere Infrastrukturprojekte dürften nicht mitgerechnet werden, da sie über den ESC hinaus genutzt würden. Gassanow warf westlichen Medien, darunter vor allem deutschen, erneut eine Schmutzkampagne gegen Aserbaidschan vor. Offizielle Angaben zu den Kosten etwa der Halle gibt es aber nicht.
Enteignungen, Pensionen gekürzt
Die Bürgerrechtlerin Junus sagte, dass wegen des ESC etwa Pensionen gekürzt worden seien. Zudem habe demnach die seit Jahren umstrittene Abrisspolitik von bewohnten Häusern in Baku noch einmal deutlich an Fahrt gewonnen. Sie warf dem mit harter Hand regierenden Präsidenten Ilcham Alijew vor, einen „mafiösen Staat“ errichtet zu haben.
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