Themenüberblick

Gräueltaten gezielt eingesetzt

Trotz des seit sechs Wochen geltenden Waffenstillstands in Syrien hat die UNO dort massive Verletzungen der Menschenrechte „in einem zunehmend militarisierten Umfeld“ registriert, wie die Syrien-Kommission am Donnerstag mitteilte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Syrien-Kommission wurde im vergangenen Jahr vom UNO-Menschenrechtsrat ins Leben gerufen. Die schwersten Vorwürfe erhoben die UNO-Ermittler in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht gegen Armee und Sicherheitskräfte der Regierung. Sie hätten tödliche Waffengewalt gegen Demonstranten eingesetzt, Dörfer beschossen, ganze Familien hingerichtet und auch Kinder gefoltert. Seit März seien die meisten Menschenrechtsverletzungen von den Soldaten und Sicherheitskräften begangen worden.

Syrer fliehen vor einem Angriff in Idlib

AP/Rodrigo Abd

Kein Ende des Bürgerkrieges absehbar

In mehr als 200 Interviews sei das „klare Muster“ deutlich geworden, dass Blockaden von Stadtvierteln durch die Regierungstruppen darauf ausgerichtet sind, gesuchte Menschen und deren Familien quasi in Sippenhaftung „auszumerzen“. Während solcher Belagerungen seien Kinder aufgrund fehlender medizinischer Versorgung gestorben. Einigen Folteropfern sei eine Behandlung verweigert worden. In einigen Gegenden hätten die Menschen keinen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser gehabt und seien auch in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt gewesen.

Rebellen richteten Soldaten und Informanten hin

Die Kämpfer der Opposition ihrerseits hätten Soldaten und mutmaßliche Informanten der Regierung hingerichtet. Außerdem setzten sie in zunehmendem Maße getarnte Sprengsätze ein. Daneben registrierten die UNO-Ermittler Geiselnahmen durch die Aktivisten der Opposition. Damit sollte offenbar die Freilassung Inhaftierter oder Lösegeld erpresst werden.

Assad gibt Durchhalteparolen aus

Präsident Baschar al-Assad glaubt, dass Syrien die andauernde Krise unter seiner Führung überwinden kann. Syrien habe über Jahre hinweg „Druck und Drohungen“ standgehalten, sagte Assad laut amtlicher Nachrichtenagentur SANA am Donnerstag in Damaskus bei einem Treffen mit dem iranischen Kommunikationsminister Resa Takipur. Daher sei das Land „durch den Widerstand seines Volks sowie durch sein Festhalten an der Einheit und der Unabhängigkeit in der Lage, aus der Krise herauszukommen“.

Takipur überbrachte Assad eine Einladung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu einem Iran-Besuch im September. Assad hatte zuvor eingeschleuste „Terroristen“ und „ausländische Söldner“ für das Blutvergießen verantwortlich gemacht. Die syrische Regierung hatte den Vereinten Nationen eine Liste mit den Namen von 26 festgenommen Ausländern vorgelegt, die zum Untergrundkampf eingeschleust worden seien. 20 dieser Personen seien Mitglieder von Al-Kaida und über die Türkei ins Land gelangt.

Amnesty kritisiert UNO schwer

Der UNO-Sicherheitsrat hat nach Einschätzung der Organisation Amnesty International im Umgang mit dem „arabischen Frühling“ Schwäche gezeigt und ist für die Herausforderungen der Zeit nicht gewappnet. Amnesty bezog sich in der Kritik vor allem auf die Krise in Syrien. „Ganze Völker haben sich erhoben und ihr Leben riskiert“, sagte AI-Generalsekretär Salil Shetty anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts der Organisation am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Diesem Mut sei die UNO mit Führungsschwäche begegnet, „sowohl auf nationalem als auch auf internationalem Niveau“.

Die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats stellten im Fall Syrien ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen über das Recht der Völker, sagte Shetty weiter. Amnesty übte Kritik an China und Russland, die mehrmals ihr Veto gegen ein scharfes Vorgehen des Gremiums eingelegt hatten, aber auch an den Schwellenländern Indien, Brasilien und Südafrika, die „durch ihr Schweigen“ mitschuldig seien. Die Rolle des UNO-Gremiums als Garant der internationalen Sicherheit erscheine zunehmend fragwürdig, und der Rat sei den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen, lautete die Einschätzung von Amnesty.

Links: