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Millionen für Rebellen aus Golfstaaten

Hartnäckig hält sich der syrische Staatschef Baschar al-Assad auf seinem Posten, den er mit immer mehr Gewalt verteidigen muss. Eine Intervention des Westens scheint derzeit in weiter Ferne zu sein, Einmischungen von den Nachbarn stehen aber an der Tagesordnung. Längst geht es in Syrien nicht mehr allein um eine demokratische Protestbewegung nach Vorbild des „arabischen Frühlings“.

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Immer mehr machen sich in Syrien die regionalen Konfliktlinien nicht zuletzt auf Basis unterschiedlicher Konfessionen bemerkbar. Syrien wird zusehends Schauplatz eines seit über drei Jahrzehnten anhaltenden Konflikts zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran, analysiert der Nahost-Experte Guido Steinberg für „Le Monde Diplomatique“.

Der sunnitisch-schiitische Gegensatz ist vor allem nach dem Sturz des irakischen Machthabers Saddam Hussein 2003 aufgebrochen. Mit dem US-Einmarsch war in den Nachbarstaaten die Angst vor einer Machtübernahme der Schiiten groß. Im Zuge des „arabischen Frühlings“ verschärften sich diese religiösen Konflikte.

„Religiös-ideologische Erwägungen“

Zwar bildeten die Schiiten in den islamischen Staaten in der Führungsschicht meist eine Minderheit, haben aber in einigen Staaten wie etwa in Bahrain einen hohen Anteil in der Bevölkerung. An vorderster Front im Kampf gegen die Schiiten ist Saudi-Arabien. Das erklärt auch, warum Riad noch vor einem Jahr das sunnitische Regime in Bahrain mit Truppen unterstützt hatte, den aufkeimenden „arabischen Frühling“ und die Demonstrationen gegen das Regime in dem kleinen Golfstaat niederzuschlagen.

Der saudische König Abdullah

APA/EPA

Der saudische König Abdullah verfolgt eine anti-schiitische Linie

Mittlerweile unterstützen die Golfstaaten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar allerdings die Rebellen in Syrien mit Millionen Dollar im Kampf gegen das Assad-Regime. Das bedeutet keine Wende des saudischen Königshauses in Richtung Demokratie. Syrien wurde aber neuer Schauplatz der Auseinandersetzungen mit dem Iran. Steinberg: „Dabei wird die saudische Führung nicht nur von machtpolitischen, sondern auch von religiös-ideologischen Erwägungen geleitet.“

Ideologische Vereinnahmung befürchtet

Bei den ohnehin zerstrittenen Rebellen in Syrien macht sich das saudische Engagement offenbar bereits bemerkbar. Einige Gruppen der Freien Syrischen Armee (FSA) verfügen über ein ganzes Arsenal an Waffen. Finanziert wird das großteils mit Geldern aus den Golfstaaten und von islamistischen Gruppen wie der syrischen Muslimbruderschaft.

Salafismus

Der anti-schiitisch geprägte Wahabismus, der in Saudi-Arabien dominiert, ist die wichtigste Wurzel für den Salafismus (salaf, arab. für Ahnen). Die religiöse und politische Bewegung des Islam sieht die Scharia als einzig legitime Staats- und Gesellschaftsform. Sie gewann mit saudischer Unterstützung an Anhängern und Verbreitung.

Einige fürchten eine ideologische Vereinnahmung: „Die Muslimbrüder und die Salafisten in den Golfstaaten sind in der Lage, in den Moscheen Spenden zu sammeln“, analysierte der Menschenrechtler Wissam Tarif gegenüber der „Welt“. „Mit diesen Geldern machen sie einige FSA-Gruppen praktisch zu Söldnereinheiten, die eine politische Agenda vorantreiben.“

Die Zeitung berichtete auch, dass sich das Aussehen der Rebellen veränderte. In Videos zeigten sich die oppositionellen Kämpfer in Syrien immer häufiger mit Bärten im Stil der Salafisten, Banner mit Koran-Inschriften sind zu sehen. Beobachter gehen davon aus, dass ein Machtvakuum in Syrien vor allem den Dschihadisten nutzen würde. Sogar der US-Geheimdienst rechnet mittlerweile damit, dass die sunnitische Terrororganisation Al-Kaida ihren Einfluss in Syrien ausdehnt.

Auseinandersetzungen in Nachbarstaaten

Syrien, enger Verbündeter des schiitischen Iran, spielte in den unterschiedlichen regionalen Konfliktlinien traditionell eine zentrale Rolle für die Machtbalancen im Nahen Osten. Nicht zuletzt deshalb droht jetzt die Gefahr, dass der Bürgerkrieg über die Grenzen schwappt. Im benachbarten Libanon gab es bereits erste Zusammenstöße.

Auch im Irak fürchtet Ministerpräsident Nuri al-Maliki die Folgen der Syrien-Krise. Denn sollte eine sunnitische Mehrheit mit saudischer Unterstützung in Damaskus an die Macht gelangen, könnte das eine Bedrohung für den Irak darstellen. Entsprechend reiht sich der Irak neben den Iran zu den Unterstützern des syrischen Regimes und zieht damit den Unmut des saudischen Königshauses auf sich, das sich gegen die im Irak etablierte schiitische Macht wehrt. „All dies zeigt, dass sich im Nahen Osten aktuelle politische Konflikte mit uralten religiösen Konfliktlinien verbinden“, erklärt Steinberg.

„Achse des Bösen“ treffen

Bei den strategischen Überlegungen zumindest vonseiten der USA und Israel zu Syrien steht aber meist der Iran im Vordergrund. „Der Sturz des Regimes in Damaskus würde Teheran entscheidend schwächen und sei deshalb eine weniger riskante Option als eine Militäraktion gegen den Iran“, zitiert „Le Monde Diplomatique“ den früheren Chef des Geheimdienstes Mossad, Efraim Halevy. Auch Washington ist daran interessiert, Syrien als eine Säule der „Achse des Bösen“ zu treffen, um dadurch indirekt auch dem Iran zu schaden.

Beobachter fürchten, dass eine ausländische militärische Intervention die konfessionellen Gräben nur noch mehr vergrößern würde. Davon ist zumindest derzeit keine Rede. Die USA scheinen nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan nicht gewillt, sich auf eine Intervention in Syrien einzulassen.

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