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Ausverkauf am zweiten Handelstag

Die teils astronomischen Erwartungen an den Börsengang des Sozialen Netzwerks Facebook waren wohl doch etwas zu hoch gegriffen. Am Montag geriet die Aktie, die erst am Freitag ihr „Debüt“ an der US-Technologiebörse NASDAQ gegeben hatte, kräftig unter die Räder und schloss mit einem Minus von rund elf Prozent.

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Mit dem Kursrutsch lösten sich - bei einem errechneten Unternehmensgesamtwert von über 100 Mrd. Dollar (über 78 Mrd. Euro) - gut elf Mrd. Dollar quasi in Luft auf. Kurz nach Handelsstart hatte das Minus über 13 Prozent betragen. Der Schlusskurs lag schließlich knapp über 34 Dollar.

Am Freitag hatte die Aktie nur 23 Cent über dem Ausgabepreis geschlossen - ein eher mauer Start angesichts teils utopischer Prognosen, die von einem Plus im deutlich zweistelligen Prozentbereich ausgegangen waren. Das an dem IPO (Initial Public Offering, Anm.) beteiligte Bankenkonsortium hatte den Kurs mit Stützungskäufen gehalten, hieß es in US-Medienberichten.

Deutlich zu spüren bekommt den Kursrutsch Facebook-Gründer und Mehrheitsaktionär Mark Zuckerberg, der mit über 500 Mio. Aktien mehr als die Hälfte der Unternehmensanteile hält. Ein Minus von einem Dollar pro Aktie schlägt sich in seinem Depot mit jeweils einer halben Mrd. Dollar Verlust zu Buche.

Ticker mit dem Wort Facebook auf dem NASDAQ-Gebäude

AP/Seth Wenig

Das „Debüt“ erfolgte am Freitag am oberen Ende des Preisbandes bei 38 Dollar

Latte sehr hoch gelegt

Zuckerberg und andere Alteigentümer hatten Ende vergangener Woche 421 Millionen Aktien verkauft. Eine schwächer als gedacht ausgefallene Nachfrage ließ die Anteilsscheine im Handel jedoch beinahe unter den Ausgabekurs fallen. Der schwache Auftakt hatte auch andere IT-Werte nach unten gezogen. Vor dem Börsengang hatte Facebook Mitte vergangener Woche das Preisband von 28 bis 35 auf 34 bis 38 Dollar erhöht. Außerdem war das Volumen von rund 337 Mio. Aktien um rund ein Viertel aufgestockt worden - angeblich wegen einer schon relativ frühen Überzeichnung des Papiers.

Beim Börsengang war es auch zu technischen Problemen bei der NASQAD gekommen, die Systeme gingen in die Knie. „Das war nicht unsere Sternstunde“, räumte NASQAD-Chef Robert Greifeld am Sonntag in einer Telefonkonferenz ein. Er hatte am Freitag gemeinsam mit Zuckerberg die Eröffnungsglocke der Börse geläutet.

Technische Probleme an der NASDAQ

Nach Greifelds Worten lag das Problem in der Stornierung von Aufträgen. Auch ausführliche Tests im Vorfeld hätten die Fehlfunktionen nicht aufgedeckt. Die Software habe gestreikt, Mitarbeiter hätten manuell eingreifen müssen. Der Handel mit den Facebook-Papieren begann schließlich mit einer halben Stunde Verspätung und lief auch danach nicht fehlerfrei. Die US-Börsenaufsicht Securities und Exchange Commission (SEC) untersucht die Pannen derzeit.

2008 noch rote Zahlen

Die Nutzerzahlen von Facebook lagen Ende letzten Jahres bei rund 850 Millionen, im ersten Quartal 2012 sollen es laut Börsenunterlagen bereits über 900 Millionen gewesen sein. Der Umsatz lag im Vorjahr bei 3,7 Mrd. Dollar, der Gewinn bei 1,06 Mrd. Dollar. 2010 hatte das Plus 606 und 2009 229 Mio. Dollar betragen. 2008 hatte Facebook noch rote Zahlen geschrieben.

Börsianer hatten sich anschließend beschwert, dass sie über Stunden nicht gewusst hätten, ob ihre Aufträge nun ausgeführt worden seien oder nicht. Einige sagten, sie hätten durch die Aussetzer Geld verloren und verlangen nun Wiedergutmachung von dem Börsenbetreiber. Das bedeutet auch einen Imageschaden für die NASDAQ.

Was das Potenzial von Facebook betrifft, waren die Einschätzungen von Analysten vor dem Börsengang deutlich auseinandergegangen. Während einige einen Senkrechtstart am ersten Handelstag erwartet hatten, warnten andere vor einer massiven Überbewertung des Unternehmens. Bei knapp einer Mrd. Dollar Nettogewinn 2011 bedeutet der errechnete Unternehmenswert mehr als das 100-Fache des Jahresgewinns. Um Investoren nicht zu enttäuschen, muss Facebook damit ein kräftiges Gewinnwachstumstempo an den Tag legen.

Analysten sahen „Spektakel“ mitunter kritisch

Analysten stößt mitunter auch eine aus ihrer Sicht unklare strategische Richtung des Unternehmens und ein eigenwilliger Führungsstil Zuckerbergs sauer auf. Der Facebook-Gründer, hatte es kurz vor dem Börsengang in einer Analyse des US-Finanzportals CBS MoneyWatch geheißen, habe "mehrfach gezeigt, dass er gute Ratschläge nicht brauche und schätze. CBS hatte dezidiert vom Kauf der Aktie abgeraten: Zuckerberg werde auch künftig das Geld seiner Investoren ausgeben, ohne sie zu fragen. „Er interessiert sich nicht für sie (Investoren, Anm.), möchte eigentlich nichts mit ihnen zu tun haben und würde sie nicht einmal ernst nehmen. Käufer aufgepasst.“

Andere störte der Hype um den Gang an die Börse. Facebook „trommelt eine massive Nachfrage“ nach seinen Aktien, während sich "Einnahmen und Nutzerzahlen unter Erwartung entwickelten und Fragen über die „langfristige Facebook-Story“ aufwarfen, hieß es in einem Rundruf von CNB unter Analysten. Der Börsengang sei mehr „Spektakel“ und Medienereignis als IPO. „Derzeit ist das kein Spiel von Modellen und Fundamentaldaten.“

Nicht alles ist Google

Unter den größeren Internetbörsengängen der letzten Zeit hat Facebook jedenfalls einen schwachen Start hingelegt. Die Aktie des Onlinenetzwerks LinkedIn etwa verdreifachte nach dem Börsengang vor knapp einem Jahr ihren Kurs nahezu. Derzeit liegt er über 100 Prozent über dem Ausgabepreis von 45 Dollar. Beim Internetradioanbieter Pandora Media Inc. dagegen währte der Hype nicht lange. Der Kurs fiel schon am zweiten Tag unter den Ausgabepreis von 16 Dollar, der damals eine Unternehmensbewertung von rund 2,6 Mrd. Dollar gebracht hatte - und das, obwohl Pandora anhaltend rote Zahlen schrieb. Derzeit liegt der Kurs bei etwa zehn Dollar - fast 40 Prozent unter dem IPO-Preis.

Das Onlinerabattportal Groupon legte im vergangenen November mit der Ausgabe von 35 Mio. Aktien zu 20 Dollar den bis dahin größten Börsengang seit Google hin und sammelte dabei (für fünf Prozent der gesamten Unternehmensanteile) 700 Mio. Dollar ein. Der Kurs schoss kurzfristig hoch, hat sich bis dato aber beinahe halbiert. Google dagegen hat seine Investoren nicht enttäuscht. Bei einem Ausgabekurs von 85 Dollar im Jahr 2004 ist das Papier derzeit rund 610 Dollar wert.

„Gefällt mir nicht“-Verkaufsempfehlung

Die Analysten von Raiffeisen Research bewerteten die Facebook-Aktie in einer Ersteinschätzung mit der Empfehlung „Verkauf“. „Bewertung: ‚Gefällt mir nicht‘“, lautet der Titel der Analyse. „Wir erachten die dem Unternehmen im Rahmen des Börsengangs zugemessene Bewertung als bei weitem überzogen“, schreiben die Analysten.

Das Enttäuschungspotenzial ist angesichts der hohen Erwartungen an das zukünftige Wachstum von Facebook außerordentlich groß und kann sich spätestens mit den Zweitquartalszahlen deutlich manifestieren", heißt es in der Analyse weiter. Für die Aktie sprechen zwar die breite Durchdringung von Facebook und die immensen Möglichkeiten für Werbeplatzierungen auf der Plattform. Die Bewertung der Aktie sei aber laut Raiffeisen „illusorisch“ hoch, laut den Analysten liegt der aktuelle Aktienkurs beim 33,2-Fachen des Werbeerlöses von 2011, während bei Google dieses Verhältnis bei nur 4,3 liegt.

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