Noch zwei Wochen bis zur „Tragödie“?
Nach dem Scheitern aller Gespräche über eine Regierungsbildung muss im pleitebedrohten Griechenland neu gewählt werden. Die Finanzmärkte reagierten entsetzt auf die Nachrichten aus Athen. Auch im Land selbst mehren sich „Ängste, die in Panik umschlagen könnten“, wie es Präsident Karolos Papoulias formulierte.
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Der Juni könne für Griechenland zum „Monat der Tragödie“ für das Land werden, warnte Papoulias am Dienstag nach dem Scheitern aller Koalitionsverhandlungen. Er bezog sich dabei auf einen Bericht der amtierenden Regierung, wonach nur eine neue arbeitsfähige Regierung den Staatsbankrott abwenden könne. Ohne internationale Hilfen ist das Land spätestens Ende Juni pleite. Auch durch das Abziehen der Gelder privater Bankkunden geraten die griechischen Banken immer mehr in Schieflage.
Hunderte Millionen Sparguthaben abgezogen
Allein am Montag - und damit noch vor dem endgültigen Scheitern der Regierungsgespräche - wurden laut der griechischen Notenbank 700 Millionen Euro von griechischen Banken abgehoben, am Dienstag lagen die Werte laut Bankenvertretern noch höher. Nationalbankchef Giorgos Provopoulos habe ihm gesagt, dass die Lage der Banken „sehr schwierig“ und das Bankensystem „derzeit sehr schwach“ sei, sagte Papoulias. Provopoulos habe ihn gewarnt, dass sich die Lage in den nächsten Tagen noch verschärfen werde.
Am Dienstagnachmittag war Papoulias mit dem Versuch gescheitert, die Vorsitzenden von fünf Parteien für eine Expertenregierung zu gewinnen, die sich für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone einsetzen sollte.
Parteien zementieren sich ein
Beobachter sprechen von der Neuwahl als schicksalshafter Weichenstellung für Griechenland. Damit werde die Zukunft des Landes auf Jahrzehnte hinaus bestimmt. Angesichts der finanziellen Turbulenzen gehe es auch um Euro oder Drachme, die alte Währung. Eine Beruhigung der Situation ist nicht in Sicht, denn auch für die Bildung einer halbwegs stabilen Übergangsregierung stehen die Zeichen denkbar schlecht - Vertreter aller Parteien halten weiterhin an ihren Positionen fest.
Das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) von Alexis Tsipras - seit der Wahl vom 6. Mai zweitstärkste Kraft im Land - will das Sparprogramm des Landes weiterhin beenden. Er werde seine „Wähler nicht verraten“, so Tsipras. Seine Partei arbeite nicht mit den bisherigen Großparteien, der sozialistischen PASOK und der konservativen Nea Dimokratia (ND) zusammen, weil diese der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und IWF-Chefin Christine Lagarde versichert hätten, das Sparprogramm einzuhalten.
Radikallinker will sich nicht „erpressen“ lassen
Die anderen Parteien und das Ausland verstünden nicht, „dass ein Volk, das alles verloren hat, nicht erpresst werden kann“, sagte Tsipras, dessen Partei laut Umfragen bei der nächsten Wahl stärkste Kraft werden könnte. „Lasst uns jetzt eine linke Regierung bilden und die Politik beenden, die unser Land zerstört hat“, sagte der 37-Jährige. An seinem Widerstand waren letztlich alle Sondierungen und Verhandlungen gescheitert. Bei der Parlamentswahl am 6. Mai waren die Volksparteien wegen ihres Sparkurses abgestraft worden.
Auch der Vorsitzende der rechtsorientierten Unabhängigen Griechen (ANEL), Panos Kammenos, sprach sich weiterhin strikt gegen die Sparauflagen aus. Er sagte, die internationalen Geldgeber hätten Griechenland besetzt. Ziel der Neuwahlen sei deshalb „ein Griechenland für die Griechen“. Die gemäßigte Demokratische Linke kritisierte zwar, dass „einige engstirnig die Parteiinteressen über das Wohl des Landes gestellt“ hätten, lehnt die europäischen Vorgaben für das Land aber ebenfalls strikt ab.
Appell für „proeuropäische“ Front
Damit bleiben abseits von PASOK und ND nur noch die Rechtsradikalen als Parlamentspartei übrig, die jedoch von allen anderen Parteien als möglicher Partner einhellig abgelehnt werden. ND und PASOK beharren indes kompromisslos auf ihrem EU-konformen Kurs. ND-Chef Antonis Samaras rief alle Griechen auf, eine „proeuropäische Front“ zu bilden, die das Land im Euro hält. „Es geht bei der nächsten Wahl um unseren Verbleib im Euro-Land“, sagte Samaras. PASOK-Chef Evangelos Venizelos sprach von „schlimmen Bedingungen“ für Neuwahlen. „Sie (einige Parteivorsitzende, Anm.) haben das Mandat des Volkes missverstanden.“
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