„Vertrauenskrisen besonders teuer“
Trotz der erst letzte Woche vorgestellten Bankenreform ist am Montag Spanien erneut in den Fokus der Euro-Krise gerückt. Wegen der zusätzlichen politischen Unsicherheit in Griechenland kamen aber auch Länder wie Italien zum Handkuss. Die Risikoaufschläge stiegen kräftig, während der Euro auf ein Mehrmonatstief rutschte. An den Börsen ging es bergab.
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Der Risikoaufschlag auf spanische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren kletterte am Montag auf 477 Punkte und damit den höchsten Stand seit Bestehen der Euro-Zone. Auch die Kreditausfallsversicherungen (Credit Default Swaps, CDS, Anm.) für spanische Anleihen schossen nach oben. Bei Papieren mit einer Laufzeit von fünf Jahren lag die Prämie zu Wochenbeginn bei über 530 Basispunkten. Das bedeutet, dass etwa eine Ausfallsversicherung für 10.000 Euro pro Jahr über 530 Euro kostet.
Grund dafür seien erneute Zweifel auf Investorenseite daran, dass Spanien seine Banken- und Haushaltskrise aus eigener Kraft bewältigen kann, hieß es am Montag in der „Financial Times“. Bisher hat Madrid - anders als Länder wie Griechenland, Portugal und Irland - keine internationale Finanzhilfe in Anspruch genommen und will das auch vermeiden.
Angst vor „Ansteckung“ wieder da
Im Fahrwasser der spanischen Anleihen verteuerten sich auch CDS für Italien um 29 auf 483 Basispunkte. Die italienischen Zehnjahresrenditen stiegen auf fast sechs Prozent, den höchsten Stand seit einem halben Jahr. Analysten begründeten das mit der wiederkehrenden - bekannten - Angst vor einer weiteren gegenseitigen „Ansteckung“ der Euro-Zone mit dem Schuldenvirus und unabsehbaren Folgen eines möglichen Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsunion, das nach bisher erfolglosen Versuchen einer Regierungsbildung wieder Thema ist.
„Das Risiko, dass Griechenland aus dem Euro austritt, besteht. Und sollte das passieren, steigt auch wieder die ‚Ansteckungsgefahr‘ für Länder wie Italien und Spanien“, sagte Alessandro Giansanti, Italien-Experte bei der niederländischen ING. „Das griechische Wahlergebnis hat eine Periode neuer erhöhter Unsicherheit und Risiken eingeläutet“, hieß es in einem Statement der Deutschen Bank gegenüber der „Financial Times“. Eine Neuwahl würde die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Schuldenkrise wohl bremsen und den griechischen Haushalt womöglich erneut aus dem Ruder laufen lassen.
Unterschiedliches Echo auf spanische „Bad Banks“
Dazu stießen kürzlich präsentierte spanische Pläne für eine weitere Bankenreform auf unterschiedliches Echo. Ganz überzeugen konnten sie offensichtlich nicht. Die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am Freitag bekanntgegeben, den wackeligen Finanzsektor über „Bad Banks“ sanieren zu wollen.
In diesen Auffanggesellschaften sollen Immobilienkredite mit hohem Ausfallsrisiko gebündelt werden bzw. sollen sie Immobilien, auf denen die Banken infolge von Konkursen „sitzen“, auf den Markt bringen. Die (in diesem Jahr bereits zweite) Bankenreform sieht außerdem vor, dass die Kreditinstitute auch „unproblematische“ Darlehen allgemein höher absichern müssen als bisher.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüßte die Maßnahmen als „effektive Antwort auf die Anfälligkeiten des Bankensystems“. Zugleich trage die Reform zu mehr Transparenz bei, so IWF-Chefin Christine Lagarde in Washington. „Die vollständige Einführung dieser Maßnahmen wird helfen, das Vertrauen zu stärken und wird die Rückkehr der Wirtschaft zu Wachstum unterstützen“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Der Krise hinterher
Die Maßnahmen kämen zu spät, hieß es dagegen in einem Kommentar der „Financial Times Deutschland“ vom Montag. „Die Vertrauenskrise bei den Anlegern“ werde diese Reform nicht stoppen können. „Vor drei Monaten hätte das vielleicht noch das Rezept für die Gesundung des angeschlagenen Finanzmarkts sein können“, so die deutsche Wirtschaftszeitung. Aber mittlerweile hätten sich die Rahmenbedingungen geändert.
Inzwischen „ist Spanien in die Rezession gerutscht, die Investoren blicken nun besonders verängstigt auf die angeschlagenen Banken, weil sie weitere massive Kreditausfälle für Geldinstitute und Staat fürchten. Zu spät kommt die Reform jedoch vor allem, weil aus der spanischen Finanz- und Immobilienkrise längst eine generelle Vertrauenskrise geworden ist.“
Gegenwärtig herrsche der Eindruck, dass die Regierung in Madrid „der Krise hinterherläuft“ und selbst nicht in der Lage ist, die Probleme zu lösen. „Weil immer gleich mit dem Eintreten des Worst-Case-Szenarios gerechnet wird, sind Vertrauenskrisen besonders teuer“ - wie die typischen „Angst“-Indizes zu Wochenbeginn zeigten. Auch die Volatilitätsindizes wie der deutsche VDax und der europäische VStoxx, welche die Schwankungsintensität von Börsenkursen abbilden, schossen in der Spitze um mehr als 13 Prozent nach oben.
Euro und Börsen unter Druck
Der Euro fiel dagegen erstmals seit vier Monaten unter 1,29 Dollar, auch auf den Rohstoffmärkten ging es bei Industriemetallen und Erdöl bergab - ein Indiz für eher pessimistische Konjunkturerwartungen. Auch der Goldpreis fiel.
An der Wiener Börse verlor der Leitindex ATX 3,7 Prozent und rutschte erstmals seit Mitte Jänner wieder unter die Marke von 2.000 Punkten. Zwischendurch hatte das Minus im Handelsverlauf über vier Prozent betragen. Der Frankfurter DAX verlor fast zwei Prozent und näherte sich wieder dem Kursniveau von Jahresbeginn, der Euro-Stoxx 50 gab über zwei Prozent ab. Rote Zahlen gab es im Anschluss auch an der Wall Street. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte schloss mit einem Minus von 1,0 Prozent.
EZB hält sich zurück
Die Europäische Zentralbank (EZB) hielt sich trotz der wiederkehrenden Turbulenzen vorerst weiter von den Anleihemärkten fern. Wie die Zentralbank in Frankfurt mitteilte, wurden in der vorigen Woche erneut keine Bondkäufe abgewickelt. Damit ruhen die Ankäufe nunmehr seit bereits neun Wochen. Insgesamt hat die EZB durch das vor knapp zwei Jahren gestartete Programm Staatstitel in Höhe von 214 Mrd. Euro in den Büchern stehen. Die Stützungskäufe wurden oft als Störung der Märkte kritisiert, sorgten de facto aber für sinkende Zinsen von Anleihen von Schuldenländern wie Spanien und Italien.
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