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Kraft kann weiterregieren

Nach zwei Jahren Minderheitsregierung hat sich Rot-Grün bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag eine satte Mehrheit erkämpft. Die CDU stürzte laut Prognosen bei der wichtigsten Wahl des Jahres um mehr als acht Prozentpunkte ab. FDP und Piraten kamen locker in den Landtag, die Linke schaffte das nicht.

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Nach dem vorläufigen Endergebnis legte die SPD um 4,6 Prozentpunkte auf 39,1 Prozent zu (2010: 34,5 Prozent), die Grünen verloren mit 11,3 Prozent kaum (2010: 12,1 Prozent). SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kann nun mit den Grünen weiterregieren, zusammen konnten sich die beiden Parteien die bisher fehlende Mehrheit sichern. Kraft sagte, es sei „ein tolles Gefühl“, dass die SPD nach zwölf Jahren wieder stärkste Partei im Land sei.

CDU-Spitzenkandidat fuer die Landtagswahl im Nordrhein-Westfalen, Norbert Roettgen

dapd/Mario Vedder

Röttgen: „Zuallererst meine persönliche Niederlage“

CDU-Landeschef Röttgen tritt zurück

Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Umweltminister Norbert Röttgen erlebte dagegen ein Desaster. Sie verlor mehr als acht Prozentpunkte und kam nur noch auf 26,3 Prozent (2010: 34,6 Prozent). Röttgen räumte ein, das bisher schlechteste Abschneiden der CDU in NRW sei „zuallererst meine persönliche Niederlage“, und erklärte unmittelbar nach der ersten Hochrechnung seinen Rücktritt als Landesvorsitzender. „Dieses Ergebnis führt ganz zwingend dazu, dass ich die Führung des Landesverbandes abgebe“, sagte er.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), äußerte sich entsetzt: Die Zahlen seien für die CDU „ein Keulenschlag“. Nach Angaben von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe dürfte Röttgen aber Umweltminister bleiben.

FDP und Piraten schaffen Einzug locker

Der FDP gelang ein ähnlicher Coup wie eine Woche zuvor in Schleswig-Holstein: Die vor kurzem noch abgeschriebene Partei errang mit 8,6 Prozent ihr zweites Erfolgserlebnis seit mehr als einem Jahr, diesmal sogar mit einer Steigerung um fast zwei Prozentpunkten (2010: 6,7 Prozent). Ähnlich erfolgreich war die noch junge Piratenpartei, die mit 7,8 Prozent locker in den Landtag einzog (2010: 1,6 Prozent). Nach Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein schaffte sie damit den Sprung in das vierte Landesparlament.

Die Linke dagegen setzte ihren Abwärtstrend fort und flog mit knapp 2,5 Prozent (2010: 5,6 Prozent) nach nur zwei Jahren wieder aus dem Landtag. Der neue Misserfolg der Linken dürfte dort den Machtkampf noch verschärfen. Für Anfang der Woche wurde eine Erklärung des früheren Parteichefs Oskar Lafontaine erwartet, ob er wieder antritt.

Satte Mehrheit nach Minderheitsregierung

Im Landtag ergab die Wahl am Sonntag folgende Sitzverteilung: SPD: 99, CDU: 67, Grüne: 29, FDP: 22, Piraten: 20. Rot-Grün hat damit eine satte Mehrheit von 128 Mandaten. Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent bei dem niedrigen Wert von 2010 (59,3 Prozent).

Nach der Wahl am 9. Mai 2010 hatte Rot-Grün ein Mandat zur Mehrheit gefehlt. Kraft hatte daraufhin mit den Grünen eine „Koalition der Einladung“ gebildet und das Land in einer Minderheitsregierung geführt, die aber keine zwei Jahre nach dem Amtsantritt mit ihrem Haushalt für das Jahr 2012 an den Stimmen von CDU, FDP und der Linken scheiterte. Am 14. März löste sich das Landesparlament einstimmig auf.

Test für Bundestagswahl 2013

Die Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland mit gut 13,2 Millionen Wahlberechtigten war der wichtigste Test des Jahres im Hinblick auf die Bundestagswahl 2013. Der Aufwind für die rot-grüne Opposition bei der „kleinen Bundestagswahl“ dürfte es Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrer schwarz-gelben Koalition noch schwerer machen - auch wenn sich im Bundesrat praktisch nichts ändert. Der FDP unter ihrem angeschlagenen Bundesvorsitzenden, Vizekanzler Philipp Rösler verschaffte der Erfolg in NRW aber zumindest eine Verschnaufpause.

„Es ist eine krachende Niederlage für Angela Merkel und die CDU. Und es wird bei denen richtig Wellen machen, da bin ich überzeugt“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Der Erfolg gebe der SPD auch in Berlin Rückenwind. Kraft selbst wies Spekulationen zurück, sie könnte nach dem Wahlsieg nun nach Berlin wechseln und möglicherweise dort SPD-Kanzlerkandidatin werden. „Nein, ich habe mich da vorher festgelegt“, widersprach sie. Sie wolle in NRW ihre Arbeit tun.

Für Unmut in den eigenen Reihen hatte hingegen CDU-Spitzenkandidat Röttgen im Wahlkampf mit seiner - schnell wieder relativierten - Aussage gesorgt, die NRW-Wahl entscheide auch über den Europakurs der Kanzlerin.

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