Die meisten Europäer leben in Städten
In Europa leben über 70 Prozent der Einwohner in Städten. Die Großstadtentwicklung schrumpft - mit Ausnahme Moskaus. Hatte Wien noch 1914 als damals siebtgrößte Stadt der Welt noch weit über zwei Millionen Einwohner, leben derzeit noch 1,7 Millionen Menschen hier.
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Der Geograph Rainer Wehrhahn erwartet im Interview mit ORF.at zwar nicht die Entstehung von neuen Megacitys wie in zahlreichen Entwicklungs- und Schwellenländern. Allerdings ortet er zum einen einen Trend der „fortschreitenden Suburbanisierung in kleineren Großstädten“. Zum anderen setze sich die Periurbanisierung noch weiter in das Umland fort. Wehrhahn: „Das früher von Landwirtschaft geprägte Gebiet ist heute mehr und mehr eine Kombination aus Landwirtschaft, Gewerbe und Siedlungen in Form von Einfamilien-, Reihenhäusern oder Großwohnsiedlungen.“
Stadt verdrängt Viehzucht
Despina Dimelli hat diese Ausbreitung einer Stadt in das weit entfernte Umland anhand von Athen untersucht. Ihr Beitrag wird bei der internationalen Stadtplanungskonferenz REAL CORP 2012 präsentiert. Demnach dehnt sich die 655.000-Einwohner-Stadt in Gebiete südöstlich der Stadt aus. Die näher gelegenen Vororte der Mesogia-Ebene schließen sich zusehends an Athen an.
Basierte die Wirtschaft in den ursprünglich kleinen Dörfern auf Landwirtschaft und Viehzucht, ist dort in den vergangenen 20 Jahren ein enormes Bevölkerungswachstum zu beobachten gewesen. Ähnlich auch in der noch weiter südöstlich gelegenen Küstenregion, die als Erholungsgebiet der reicheren Athener gegolten hatte.
Der Bau eines neuen Flughafens mit einer neuen Eisenbahnverbindung führte zu einem raschen Bevölkerungsanstieg, der so nicht erwartet worden war, so Dimelli in ihrer Arbeit. Planung habe es nicht gegeben, die Landverteilung sei mehr oder weniger zufällig erfolgt. Das wirkte sich auch auf die Entwicklung dieses periurbanen Gebiets aus - in einigen Teilen etwa fehlt ein funktionierendes Abwassersystem. Zugleich entstehen viele illegale Siedlungen.
Mehrere Zentren notwendig
Aufgrund der steigenden Miet- und Grundstückspreise, verbunden mit nach wie vor steigenden Pro-Kopf-Quadratmetern in Europa, gibt es eine Tendenz der Wohnsuburbanisierung in das Umland von Städten. Industrie wird an den Stadtrand und in periphere Regionen ausgelagert. Frühere Erholungszonen werden städtisches Gebiet.
Problematisch daran ist, so Wehrhahn, dass diese Entwicklung viele Flächen verbraucht: „Mit einer nachhaltigen Stadtentwicklung hat das wenig zu tun.“ Wichtig sei daher, dass es zu einer Dekonzentration und mehreren kleineren Zentren kommt. Dadurch könne die Kernstadt bei den Pendlerströmen entlastet werden. Zugleich verliert sie aber auch Steuern an die umliegenden Gemeinden, sagt der Experte.
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