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Großstadt mit schnellstem Wachstum

Die Megacity Lagos in Nigeria ist keine beliebige Metropole. Es ist eine Stadt, in der alles und jeder ständig in Bewegung ist und die Bewohner mehr als anderswo ihrem Schicksal überlassen sind.

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Jeden Tag strömen Hunderte in die ehemalige Hauptstadt des Landes. Die Regionalregierung von Lagos beziffert das Wachstum mit acht Prozent jährlich. Die Stadt wächst damit rund zehnmal so schnell wie New York und Los Angeles und gilt als die am schnellsten wachsende Megacity überhaupt.

Mehr als 14 Mio. Stadtbewohner

In der Metropolregion, die sich auf einer Fläche ausdehnt, die größer ist als Oberösterreich, leben laut Angaben der Regionalregierung 14 Millionen Menschen. Andere Schätzungen gehen bis zu 17 Millionen. In Lagos selbst leben rund elf Mio. Menschen. Die Stadt hat damit die höchste Einwohnerdichte ganz Nigerias, und das, obwohl weite Teile der Fläche Sumpfgebiete sind.

Die Globalisierung in Form von Massenmedien locke die Nigerianer nach Lagos, sagte Folarin Gbadebo-Smith, Vorsitzender des Stadtteils Lagos Island, gegenüber dem „New Yorker“. Der Traum von den Möglichkeiten der Großstadt treibe die Nigerianer in die Metropolen - und weil sie New York und London nicht erreichen könnten, kämen sie nach Lagos.

„Die, die hierherkommen, sind jene, die nur über Lagos gehört haben“, sagte ein Einwohner der Stadt gegenüber dem britischen „Independent“. „Sie haben keine Vorstellung davon, wie hart es ist, hier zu überleben. (...) Du musst hier arbeiten und kämpfen. Es ist nur gut für die mit einem kaufmännischen IQ.“

Nigerias Megastadt Lagos

AP/Sunday Alamba

Rund 14 Millionen Menschen wohnen in Nigerias Metropole Lagos

„Bevölkerungskorridore“ vor Großstädten

Der jüngste UNO-Bericht über Lebensräume in Großstädten zeigt die Spannungen, die die zunehmende Urbanisierung auslöst: Gewaltige „Bevölkerungskorridore“ bilden sich weltweit vor den Metropolen und verschmelzen mit ihnen zu lückenlos verbauten städtischen Landflächen, zitierte der „Independent“ aus dem Bericht.

Lagos ist der Prototyp einer solchen explosionsartig wachsenden Stadt. Westliche Intellektuelle sehen in ihr den Archetypus einer Großstadt. Das ständige Wachstum und der Zustand eines „dauernden Werdens“ böten einen flüchtigen Blick darauf, wie andere Städte in Zukunft aussehen werden, sagte der niederländische Architekt und Kulturtheoretiker Rem Koolhaas dem „Independent“.

Diese „seltsame“ Kombination aus extremer Unterentwicklung und gleichzeitiger Entwicklung mache die Faszination der Megastadt aus. Lagos sei mit seinem enormen Verkehrsaufkommen und den vielen Märkten auf den Straßen nichts „Rückständiges“, sondern eine „Ansage an die Zukunft“, wurde Koolhaas im „New Yorker“ zitiert.

Wirtschaftsmotor Straßenhandel

Rund 60 Prozent aller wirtschaftlichen Aktivitäten in Lagos gehören laut „New Yorker“ der Schattenwirtschaft an. Ob an Ampeln, mitten auf der Straße oder auf Booten - überall würden Geschäfte gemacht, Lebensmittel verkauft und Gebrauchsgegenstände gehandelt.
Gegenkultur-Guru Stewart Brand, Ende der 60er Jahre Gründer der Proto-Suchmaschine „Whole Earth Catalog“ und Wirtschaftsstratege in Kalifornien, sieht in aufstrebenden „Barackenstädten“ wie Lagos gar ein „Heilmittel“ für die Armut in der Dritten Welt.

Die vibrierenden Städte mit ihrem rasanten Wachstum böten enormes wirtschaftliches Potenzial. „Jede enge Gasse ist ein langer, geschäftiger Markt“, sagte Brand dem „New Yorker“. Jeder Quadratmeter wird von jemandem beansprucht, zum Verkaufen, zum Waschen, sogar zum Schlafen - kein einziger Fleck bleibt frei, Privatsphäre ist darin praktisch unmöglich.

Die meisten Einwohner leben am Rand der Gesellschaft, ohne regelmäßiges Einkommen und soziale Absicherung. Es fehlt an Jobs und bezahlbaren Unterkünften. Der Großteil der Stadtbevölkerung lebt in den riesigen Slums und Ghettos der Stadt. Der extreme Reichtum bleibt in den Händen einer kleinen Minderheit.

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