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Größte Arbeitsstätte Ostdeutschlands

Wenn von der Konjunkturlokomotive Deutschland die Rede ist, dreht sich das Gespräch selten um Berlin und Brandenburg. Industrie gibt es in der Hauptstadtregion kaum. Dafür jedoch eine stetig wachsende Zahl an Touristen. Für noch mehr Zugkraft auf Reisende aus der ganzen Welt soll der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg sorgen und damit auch zum Jobmotor für die gesamte Region werden.

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Nach der überraschenden Verschiebung der für den 3. Juni geplanten Eröffnung ist allerdings ungewiss, wann der Jobmotor nun anspringen wird. Der Flughafenbetreiber und die Politik rechnen damit, dass der Airport mit 20.000 Arbeitsplätzen - und damit 3.000 mehr als bisher in Schönefeld und Tegel zusammen - zur größten Arbeitsstätte Ostdeutschlands wird.

Doch noch steht im Südosten der Hauptstadt die größte Baustelle der Region - täglich bemühen sich 7.000 Bauarbeiter und Putzkräfte darum, den Flughafen rechtzeitig fertigzustellen. „Bis zur letzten Minute wird gearbeitet werden“, sagte Flughafenchef Rainer Schwarz unlängst. Dass es nun nicht pünktlich klappt, liegt am Brandschutz, was nach der Katastrophe am Düsseldorfer Flughafen im April 1996, bei der 17 Menschen ums Leben gekommen sind, besonders sensibel ist.

Umzug großen Umfangs

An Herausforderungen mangelt es also nicht, räumt auch Schwarz ein. Es muss zudem einer der größten Umzüge Deutschlands gestemmt werden. „Es ist das erste Mal, dass zwei Flughäfen über Nacht an einem neuen Standort fusionieren“, sagt Flughafensprecher Leif Erichsen. Da müssen nicht nur die Kaffeetassen, sondern auch die viele Tonnen schweren Flugzeugschlepper vom kurz zuvor geschlossenen Flughafen Tegel zur neuen Wirkungsstätte gebracht werden. Zum Umzug - wann auch immer dieser sein wird - muss die Berliner Stadtautobahn daher für mehrere Stunden gesperrt werden.

Noch scheinen sich auch die hohen Erwartungen im Zusammenhang mit der Ansiedlung von neuen Unternehmen in der Umgebung des Flughafens nicht erfüllt zu haben. Von der Autobahn gut ersichtlich befindet sich ganz in der Nähe ein großes Gewerbegebiet - es fehlen nur noch die Unternehmen. Bisher steht auf dem Gelände ein einsamer Kran.

„Positive Veränderungen“

Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers ist trotz des behäbigen Starts zuversichtlich: „Wir spüren bereits jetzt die positiven Veränderungen, und das wird sich noch verstärken.“ In der jüngsten Zeit musste Brandenburg, das wie Berlin unter einer hohen Arbeitslosigkeit leidet, einige wirtschaftliche Tiefschläge einstecken. So streicht der US-Solarmodulhersteller First Solar 1.200 Stellen im ohnehin strukturschwachen Frankfurt/Oder.

Gute Nachrichten vom international mit viel Interesse verfolgten neuen Großflughafen sind da willkommen. Gern werden dabei das Testzentrum des Triebwerkherstellers Rolls-Royce in Dahlewitz und die Erweiterungen des Instandhaltungszentrums des Turbinenbauers MTU in Ludwigsfelde genannt.

Zahlreiche Herausforderungen

Christoffers versichert: „Bisher sind die Erwartungen nicht enttäuscht worden.“ Er sei nie davon ausgegangen, dass gleich zu Beginn alle Gewerbeflächen belegt sein würden. Aber nun - wo der Eröffnungstermin naht - würden die Gespräche intensiver. Konkreter wird der Linken-Politiker nicht.

Die vielen Negativschlagzeilen im Zusammenhang mit dem Bau dürften einige Investoren verschreckt haben. Der Flugroutenstreit, die Diskussionen über Lärmbelästigung sowie die Verzögerung der Eröffnung um acht Monate waren kontraproduktiv - und die neuerliche Verschiebung dürfte das erst recht sein.

„Boom-Town“ Schönefeld

Schon vor dem Paukenschlag vom Dienstag sah das auch Schönefelds Bürgermeister Udo Haase so: „Durch den späteren Eröffnungstermin sind einige Investoren vorsichtig geworden. Wer baut schon ein Flughafenhotel, wenn er nicht sicher ist, dass der Flughafen pünktlich in Betrieb genommen wird.“

Doch auch Haase rechnet damit, dass am Ende die hohen Erwartungen erfüllt werden. Auch in München sei es erst nach der Eröffnung des neuen Flughafens 1992 „richtig losgegangen“. Der Bürgermeister jedenfalls spricht schon von der „Boom-Town“ Schönefeld.

Von Anfang an zu klein?

Das selbst gesteckte Ziel ist hoch: Die Verbindung der Metropole Berlin mit anderen Metropolen dieser Welt soll insgesamt in der Region 40.000 Arbeitsplätze schaffen. Damit das gelingt, muss der Großflughafen ein Erfolg werden. Eindruck macht der Airport auf den ersten Blick mit der großen Empfangshalle und den nussbaumfarbenen Wandpaneelen zweifellos.

Entkräftet ist jedoch noch nicht die Kritik, die auch beim Testbetrieb geäußert wurde, dass der Flughafen bereits von Anfang an zu klein gebaut wurde und es zu wenige Check-in-Möglichkeiten gibt. Flughafenchef Schwarz lächelt die Bedenken jedenfalls weg und erklärt gebetsmühlenartig, dass am Ende alles funktionieren wird.

Nadine Schimroszik, Reuters

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