Rolle der EZB und Fiskalpakt umstritten
Nach dem Wahlsieg des französischen Sozialisten Francois Hollande bekommt Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen neuen Gesprächspartner jenseits des Rheins. Einige Streitpunkte zeichnen sich bereits ab, die das deutsch-französische Verhältnis künftig belasten dürften:
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Fiskalpakt: Hollande will den Fiskalpakt zur Haushaltsdisziplin in Europa neu verhandeln und dabei um eine Wachstumskomponente ergänzen. Allerdings will auch der Sozialist sparen und im Jahr 2017 zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen. Eine Schuldenbremse, wie sie im Fiskalpakt vorgesehen ist, lehnt Hollande ab. Für die deutsche Kanzlerin ist eine Neuverhandlung allerdings ausgeschlossen.
Wachstum: Hollande will beim EU-Gipfel Ende Juni einen „Pakt“ für Wachstum durchsetzen. Zur Finanzierung schlägt er Euro-Bonds für Infrastrukturprojekte, eine größere Rolle der Europäischen Investitionsbank, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die Mobilisierung ungenutzter Restsummen aus den europäischen Strukturfonds vor.
Mit Ausnahme der Euro-Bonds sind dazu gemeinsame Beschlüsse mit Merkel vorstellbar. Die Kanzlerin betont allerdings immer wieder, wachstumsfreundliche Politik sei bereits Bestandteil der EU-Linie. Sie fordert statt Ausgabeprogrammen vielmehr Strukturreformen. Bei der Finanztransaktionssteuer werden Hollande und Merkel mit Rücksicht auf den Widerstand anderer Euro-Länder, aber auch auf Merkels Koalitionspartner FDP Kompromisse schließen müssen.
Euro-Bonds: Mit den Gemeinschaftsanleihen, für die alle EU-Länder haften, sollen nach der Vorstellung Hollandes Infrastrukturprojekte finanziert werden. Der Sozialist spricht deshalb auch von „Projektbonds“. Auch wegen des vehementen Widerstands in Union und FDP sind für Merkel solche Euro-Bonds derzeit tabu, sie könnten für die Deutschen allenfalls am Ende eines noch langen Integrationsprozesses stehen.
EZB: Hollande ist dafür, dass die EZB mit niedrigeren Zinssätzen das Wachstum stärkt. Außerdem solle die Frankfurter Institution den Ländern direkt Geld leihen können statt nur den Banken. Dadurch könnten Zinssprünge für Staaten wie Spanien verhindert werden, die hohe Sätze zahlen müssen. Merkel hält dagegen die Unabhängigkeit der EZB hoch. Zuletzt hatte sie aber marktstützende Aktionen stillschweigend hingenommen.
Bilaterale Beziehungen und EU: Hollande machte bereits klar, dass er an einer engen Zusammenarbeit mit Deutschland festhalten will, die aber nicht zu einem „Direktorium“ werden solle. Deshalb sollten auch andere Länder wie Italien und Polen einbezogen werden. Auch Merkel legt Wert auf die Einbeziehung anderer - gerade auch kleinerer - Länder. Traditionell ist Deutschland eher für die Stärkung der Integration und der europäischen Institutionen, während Frankreich mehr auf Eigenständigkeit setzt.
Afghanistan: Hollande will direkt nach seinem Amtsantritt mit dem Abzug der 3.600 noch in Afghanistan stationierten französischen Soldaten beginnen. Der Rückzug soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein - ein Jahr früher als bisher geplant. Merkel und die deutsche Regierung wollen an dem beschlossenen NATO-Zeitplan festhalten, der einen schrittweisen Abzug bis zum Ende der Kampfeinsätze Ende 2014 vorsieht.
Syrien: Hollande hat bereits eine französische Beteiligung an einem möglichen UNO-Militäreinsatz in Syrien angekündigt. Die deutsche Regierung ist eher gegen einen Einsatz, den der CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Rupert Polenz, als „unrealistisch“ bezeichnete. Allerdings könnte Merkel im Falle eines UNO-Mandats zu einem Zugeständnis gezwungen sein, da sich Deutschland bereits beim Einsatz in Libyen verweigerte und dafür von Frankreich Kritik erntete.
Christine Longin und Ellen Hasenkamp, AFP