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„Ich bin mir in nichts sicher“

Mit heftigen Rundumschlägen hat der konservative französische Präsident Nicolas Sarkozy zum Abschluss des Präsidentschaftswahlkampfes versucht, die in Umfragen seit Monaten angekündigte Wahlniederlage abzuwenden.

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Der 57-Jährige attackierte das „politisch-mediale System“, kritisierte einen Journalisten des TV-Senders TF1 heftig, erklärte sich als Opfer einer gewissen Form von „Rassismus und Intoleranz“ und zitierte sogar Papst Johannes Paul II. In einem abschließenden Wahlkampfauftritt in Les Sables-d’Olonne in Westfrankreich rief Sarkozy seine Sympathisanten zur „Freiheit“ auf.

Sie sollten „das Diktat des einheitlichen Denkens nicht akzeptieren“, zeigte sich der UMP-Politiker kämpferisch. Er bedauerte die „Beschimpfungen“ und „Beleidigungen“, mit denen er „überschüttet“ worden sei. Er warf den Sozialisten und deren Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande (PS) vor, einen „stalinistischen Prozess“ gegen ihn zu führen.

Französischer Präsident Nicolas Sarkozy

Reuters/Philippe Wojazer

Sarkozy kämpft und hofft bis zuletzt

„Frage der guten Erziehung“

In Les Sables-d’Olonne am Freitagabend startete Sarkozy einen verbalen Angriff gegen einen Reporter des führenden französischen Fernsehsenders TF1 (Gruppe Bouygues), weil dieser ihm während einer Direktübertragung in der TF1-Nachrichtensendung den Rücken drehte.

„Wenn unser Freund, der eine Direktübertragung macht, indem er mir den Rücken kehrt, sofort aufhören könnte, würde er mir einen Gefallen tun“, sagte Sarkozy erzürnt und löste damit Buhrufe und Pfiffe der anwesenden Sympathisanten gegen den Journalisten aus. „Keine Sorge, die Freundlichkeit ist bloß eine Frage der guten Erziehung. Wenn sie fehlt, werden wir dem Abhilfe verschaffen“, fügte der Präsident hinzu.

Auftakt in Überseegebieten

In den Überseegebieten und im Ausland konnten die Franzosen bereits am Samstag ihre Stimme abgeben.

Sarkozy zitiert Papst

Bei der abschließenden Wahlkampfveranstaltung sprach sich Sarkozy auch gegen die Euthanasie aus. Er kritisierte die Lebensbedingungen der Christen in einigen nahöstlichen Ländern und zitierte Papst Johannes Paul II. „Ein großer Papst hat gesagt: ‚Habt keine Angst‘. So habt Vertrauen in euch, wenn ihr euch mobilisiert, wenn ihr daran glaubt, wird der 6. Mai euer Sieg sein und nicht meiner, es wird der Sieg Frankreichs sein.“

Mit Blickrichtung auf die knapp 18 Prozent Wähler des rechtsextremen „Front national“ (FN) von Marine Le Pen stellte Sarkozy erneut das Schengen-Abkommen in Frage und sprach sich für eine Kontrolle der nationalen Grenzen aus.

Sarkozy glaubt an offenes Rennen

Sarkozy rief zu einem „nationalen Elan“ auf. „Am Sonntag wird jede Stimme zählen, ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie knapp das Ergebnis sein wird“, sagte der amtierende Präsident und fügte hinzu, dass man nicht zwischen Sarkozy oder Hollande entscheiden müsse, sondern sich danach fragen sollte, „welche Zukunft für unser Land, welche Wahl für unsere Kinder“ die beste sei.

„Er hat mich unterschätzt“

„Sarkozy hat mich unterschätzt“, kommentierte Hollande am Samstagvormittag in einem Radiointerview lakonisch die jüngsten Entwicklungen im Wahlkampf. Der Sozialist liegt in Umfragen nach wie vor in Führung, eine jüngste IFOP-Umfrage sagte ihm allerdings nur noch 52 Prozent der Stimmen voraus, gegen 54 bis 56 in den vorangegangenen Erhebungen.

Bei seiner Abschlussveranstaltung Freitagabend versuchte aber auch Hollande, seine Sympathisanten zu mobilisieren. Der Sozialist erinnerte angesichts der knappen Umfragen daran, dass der Sieg noch keinesfalls feststehe: „Macht nicht den Fehler zu denken, dass die Würfel bereits gefallen sind, das könnte fatal sein“, sagte Hollande bei einer Wahlkampfveranstaltung im südwestfranzösischen Perigueux und fügte hinzu: „Ich sage euch, ich bin mir in nichts sicher.“ In Hinblick auf ein Siegesszenario rief Hollande die Franzosen zur „Vereinigung“ und „Aussöhnung“ auf.

Linke geschlossen hinter Hollande

Hollande kann mit den Stimmen der extremen Linken und der Umweltschützer rechnen, die im ersten Wahldurchgang etwa 14,5 Prozent der Stimmen erhalten haben. Alle Linkskandidaten haben dazu aufgerufen, bei der Stichwahl für den Sozialisten zu stimmen, kein Kandidat der ersten Runde hat sich dagegen für Sarkozy ausgesprochen. Der Schlüssel des Wahlergebnisses liegt demnach in der Mobilmachung der 20,5 Prozent der Wähler, die sich im ersten Durchgang enthalten haben.

Dazu kommt das Verhalten der Wähler des rechtsextremen Front National (FN), dessen Kandidatin Marine Le Pen mit knapp 18 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis in der FN-Wahlgeschichte erreichte. Le Pen kündigte an, dass sie am Sonntag einen weißen Stimmzettel abgeben wird.

Francois Bayrou vom zentrumsbürgerlichen „Mouvement démocrate“ (MoDem) gab keine Wahlempfehlung, sagte allerdings, dass er „persönlich“ für Hollande stimmen werde. Es ist daher ungewiss, für wen sich seine 9,1 Prozent entscheiden werden.

Vom Outsider zum Favoriten

Hollande startete seinen Wahlkampf vor etwa einem Jahr als Outsider, der aufgrund seiner mangelnden Regierungserfahrung keine Siegeschancen zu haben schien. Nach und nach erntete der frühere langjährige sozialistische Parteichef allerdings mit seinem Image eines „normalen Präsidenten“ immer größeren Zuspruch in den Umfragen. Sarkozy dagegen litt unter seinem Image des „Präsidenten der Reichen“ und unter seiner schwachen wirtschaftspolitischen Bilanz. 2007 hatte Sarkozy versprochen, die Arbeitslosenrate im Lande auf fünf Prozent zu drosseln, gegenwärtig beträgt sie das Doppelte.

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