Gefährlich dünne Luft
Der modernste Kampfjet der Welt, die F-22 Raptor, macht den USA immer mehr Kopfzerbrechen. Seit Jahren kämpfen die US-Luftwaffe und der Hersteller Lockheed Martin mit regelmäßig auftretenden Problemen bei der Sauerstoffversorgung der Piloten während des Flugs.
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Das führt zu Benommenheitsgefühlen, Kopfschmerzen und im schlimmsten Fall zur Bewusstlosigkeit. Nun eskaliert der Streit über den Raptor. Mehrere Kampfpiloten weigern sich wegen der Sauerstoffprobleme, den teuersten Kampfjet der Welt zu fliegen. Das ist ein bemerkenswerter und bisher nie da gewesener Schritt - denn die Piloten riskieren nicht nur eine Abmahnung, sondern ihre gesamte Karriere. Im schlimmsten Fall können sie wegen ihrer Weigerung aus der Air Force entlassen werden.
„Extrem selten“
Laut „Los Angeles Times“ wollte die Luftwaffe nicht mitteilen, wie viele der 200 F-22-Piloten, die auf sieben verschiedene Luftwaffenstützpunkte in den USA verteilt sind, sich dem Boykott angeschlossen haben. Doch Air-Force-Vertreter sprachen gegenüber der „LA Times“ von einem „extrem seltenen Vorkommnis“.

Reuters/Yuriko Nakao
188 F-22-Jets wird die US-Luftflotte im Endausbau umfassen
„Für mich als Kampfpilot und früherer Kommandant des Air Combat Command (das größte von neun Hauptkommandos der Air Force, Anm.) ist es eine schockierende Vorstellung, dass sich ein Pilot weigert, das Flugzeug zu besteigen“, so der pensionierte Viersternegeneral Richard E. Hawley. Er selbst könne sich in seinen 35 Dienstjahren an keinen einzigen Fall erinnern, in dem ein Pilot einen Auftrag verweigert habe.
„Prüfen jeden Fall einzeln“
Ein Sprecher der US-Luftwaffe räumt ein: „Wir wissen von einer kleinen Zahl von Piloten, die ihre Vorbehalte, die F-22 zu fliegen, ausgedrückt haben. Jeder einzelner Fall wird individuell entsprechend der üblichen Vorgangsweise behandelt.“ Das Regelwerk der Air Force sieht laut „LA Times“ vor, dass Flugangst, „ob generell oder in Bezug auf ein bestimmtes Flugzeug, ein berufliches Pflichtversäumnis ist, das deutliche Konsequenzen nach sich zieht“.
412 Mio. Dollar pro Jet
2005 wurden die ersten F-22 an die Air Force ausgeliefert. Ende Mai soll die Luftwaffe die letzte Tranche der insgesamt 188 bestellten Jets erhalten. Die Kosten sind enorm: Jede F-22 kostet 143 Millionen Dollar (109 Mio. Euro). Inklusive Entwicklungskosten schätzten US-Behörden die tatsächlichen Kosten für die US-Steuerzahler aber auf 412 Mio. Dollar pro Stück. Während andere Kampfjets regelmäßig zu Kampfeinsätzen im Irak, in Afghanistan und Libyen herangezogen wurden, wurde die F-22 bisher lediglich für Testeinsätze verwendet. Trotzdem kam es zu zahlreichen schweren Unfällen, zwei Piloten starben.
Bei einem der tödlich verunglückten Piloten hatte kurz vor dem Crash eine Warnleuchte angezeigt, dass sich ein Teil des Flugzeugs überhitzt. Unmittelbar danach entdeckte das Computersystem ein Leck im Motorbereich und begann automatisch, mehrere Systeme herunterzufahren - darunter auch die Sauerstoffzufuhr. Der Pilot schaffte es nicht mehr, das Notversorgungssystem zu aktivieren.
Keine Ende der Pannenserie
Hunderte Experten bei Air Force, NASA und in der Industrie seien weiter damit beschäftigt, mögliche Fehlerquellen zu finden. Gegenüber der „LA Times“ gab sich ein Air-Force-Sprecher optimistisch, dass man langsam, aber sicher der Lösung des Problems näher komme. Seit die F-22-Jets im September des Vorjahres nach der viermonatigen Untersuchung der Probleme wieder geflogen werden, gab es mindestens elf neue Zwischenfälle. Und im US-Kongress, der die Milliardenbeträge für Rüstungsaufträge freigibt, wird die Angelegenheit mit großem Interesse verfolgt.
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