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Arbeitnehmer machen ihrer Wut Luft

Bei überwiegend strahlendem Sonnenschein haben sich europaweit Tausende Menschen zu den traditionellen Maikundgebungen versammelt. Dabei gab es in erster Linie Proteste von Gewerkschaftsvertretern gegen die jeweilige Sparpolitik der Länder. Andernorts, etwa in Moskau, wurden die Kundgebungen als Regierungspropaganda instrumentalisiert.

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Zum ersten Mal überhaupt führten am Dienstag gleich zwei Kreml-Chefs eine Maikundgebung durch Moskau an. Wenige Tage vor dem Wechsel im Kreml marschierte der künftige Präsident Wladimir Putin zusammen mit Amtsinhaber Dimitri Medwedew an der Spitze von rund 150.000 Menschen durch die russische Metropole. In der Menge mit Mitgliedern Kreml-treuer Gewerkschaften waren Transparente mit Aufschriften wie „Arbeiter für Putin und Medwedew“ zu sehen.

Ruf nach Mindestlohn in Deutschland

In Deutschland schwor DGB-Chef Michael Sommer die Gewerkschaften am Tag der Arbeit auf einen harten Kampf gegen Niedriglöhne, die Macht der Banken und Spekulanten und gegen die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung ein. Bei der Hauptkundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 1. Mai erhielt er dafür in Stuttgart tosenden Applaus. An einem allgemeinen Mindestlohn führt nach seinen Worten kein Weg vorbei: „8,50 Euro die Stunde - das ist Beton. Darunter geht gar nichts“, rief Sommer.

In Frankreich kämpfte Staatschef Nicolas Sarkozy um Wählerstimmen für die Stichwahl am kommenden Sonntag. Auch in Griechenland waren die Kundgebungen fünf Tage vor der Parlamentswahl Teil des Wahlkampfs. Tausende protestierten in vielen Städten gegen die harten Sparmaßnahmen zur Rettung des Landes vor dem Bankrott. In Athen, der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki und der westgriechischen Hafenstadt Patras sowie auf Kreta gingen mehrere tausend Menschen auf die Straße, berichtete der öffentlich-rechtliche Rundfunk.

Zorn auf Regierungen in Spanien und Italien

In Spanien demonstrierten Zehntausende gegen die Sparpolitik der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Die größten Kundgebungen fanden in Madrid und Barcelona statt. Insgesamt wurde in mehr als 80 spanischen Städten demonstriert. Die Gewerkschaften hielten der Regierung vor, sich bei den Einsparungen an die Vorgaben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu halten.

Italiens Gewerkschaften kritisierten neue milliardenschwere Sparpläne der Regierung und forderten zudem Steuerentlastungen für Arbeitnehmer. „Die Sparpolitik bringt nichts als weiteren Ärger“, erklärte Susanna Camusso, die Vorsitzende des größten Gewerkschaftsverbandes Cgil, in der Stadt Rieti. Ministerpräsident Mario Monti hatte nach einer fünfstündigen Kabinettssitzung am Montagabend angekündigt, seine Regierung wolle die Staatsausgaben bis Jahresende um weitere 4,2 Milliarden Euro kürzen.

Verhaftungen in Ungarn

In Portugals Hauptstadt Lissabon gab es nur kleinere Kundgebungen zum 1. Mai, zu denen jeweils nur mehrere hundert Menschen erschienen. Wenig Interesse an den einst populären Maikundgebungen zu gemeinsamen Jugoslawien-Zeiten zeigten auch Serben und Kroaten: 500 Demonstranten wurden in der kroatischen Hauptstadt Zagreb gezählt, in Belgrad waren es nach Medienangaben knapp 150. Auch die Polen nutzten die freien Tage eher für einen Kurzurlaub. Lediglich in Katowice (Kattowitz) protestierten rund 100 Arbeits- und Obdachlose gegen soziale Benachteiligung.

In der rumänischen Hauptstadt Bukarest demonstrierten etwa 1.000 Menschen, vor allem Pensionisten, gegen das von IWF und EU aufgezwungene Sparprogramm. In der ungarischen Hauptstadt Budapest folgten mehrere tausend Arbeitnehmer am Maifeiertag einem Aufruf der Gewerkschaften zum Protest gegen die Verschlechterung ihrer rechtlichen Situation seit der Novellierung des Arbeitsrechts. Mehrere Mitglieder von linken Kleinparteien wurden festgenommen, weil sie einen roten Stern trugen. Das kommunistische Symbol ist in Ungarn gesetzlich verboten.

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