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Billige Arbeitskräfte aus der DDR?

Nicht zum ersten Mal gerät der schwedische Möbelkonzern Ikea in ein schiefes Licht. Reporter der investigativen TV-Dokumentarserie „Uppdrag granskning“ (Auftrag Untersuchung) fanden nun in den Archiven der ostdeutschen Geheimpolizei Stasi laut Vorausmeldung des Schwedischen Fernsehens verdächtige Papiere, die den Konzern schwer belasten.

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Demnach sollen politische Gefangene in der ehemaligen DDR als Zwangsarbeiter in der Produktion für den schwedischen Möbelgiganten Ikea eingesetzt worden sein. Ikea und andere Industriebetriebe sollen in den 70er und 80er Jahren auf diese Weise in den Genuss billiger Arbeitskräfte gelangt sein. Die Sendung soll am Mittwoch ausgestrahlt werden. Bereits am Wochenende reagierte Ikea auf die bekanntgegebenen Informationen.

Ikea-Gründer Ingvar Kamprad

Reuters

Ikea-Gründer Kamprad ist immer wieder mit schweren Vorwürfen konfrontiert

Ikea prüft Angaben

Gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT sagte eine Repräsentantin des Möbelgiganten, ihr Unternehmen habe die fraglichen Dokumente nun ebenfalls aus dem Stasi-Archiv angefordert und wolle diese prüfen. Derzeit gebe es jedoch keine Anhaltspunkte, dass Ikea den Einsatz von Zwangsarbeit in seiner Produktion gefördert oder auch nur davon Kenntnis gehabt habe.

Ikea-Gründer Ingvar Kamprad (86) wurde in der Vergangenheit immer wieder zur Last gelegt, dass er als junger Mann mit dem Nationalsozialismus sympathisierte und auch noch später über bestimmte einschlägige Kontakte verfügte. Erstmals war die braune Vergangenheit des Möbelzampanos 1994 publik geworden. Kamprad hatte sich damals nachträglich von seinen politischen Ansichten, die er in seiner Jugend gehabt hatte, lautstark distanziert und sie als „größten Fehler meines Lebens“ bezeichnet.

Verstrickungen in Nazi-Kreise

In einem späteren Interview relativierte Kamprad überdies, dass er seinerzeit eher von Mussolini als von dem „anderen Kerl“ fasziniert gewesen sei. Daher sei es passender, ihn als ehemaligen Faschisten und nicht als Ex-Nazi zu bezeichnen. Er habe die „kooperative Idee“ dieser Ideologie gut gefunden. Letzten Sommer tauchten überdies bis dahin unbekannte Dokumente der schwedischen Geheimpolizei SÄPO auf, die Kamprad in den 1940er Jahren systematisch überwachte und dessen Korrespondenz mitlas.

Entdeckt und veröffentlicht hatte die SÄPO-Akten die Journalistin und Autorin Elisabeth Asbrink. In ihrem neuen Buch „Och i Wienerwald star träden kvar“ (Und im Wienerwald stehen noch immer die Bäume) schreibt sie unter anderem, Kamprad sei in der nationalsozialistischen Jugendorganisation SSS (Schwedische Sozialistische Sammlung) aktiv gewesen und habe für diese auch Mitglieder angeworben.

Auch der bereits bekannte Kontakt Kamprads zu dem schwedischen Nazi Per Engdahl und dessen „Neuschwedischer Bewegung“ (Nysvenska Rörelsen) soll wesentlich umfangreicher gewesen sein und länger angedauert haben als bis dahin bekannt. Noch 1950 soll er in einem Brief an Engdahl geschrieben haben, er sei stolz, zum Kreis der „Neuschweden“ zu gehören. Kamprad hatte trotz aller Nazi-Dementis 2010 seine Wertschätzung für Engdahl bekräftigt und ihn einen „großen Menschen“ genannt.

Umstrittene Produktionspraktiken

Das in den 50er Jahren in Schweden von Kamprad aufgebaute Weltunternehmen beschäftigt 127.000 Mitarbeiter. Kamprad selbst lebt seit den 1970er Jahren aus steuerlichen Gründen im schweizerischen Lausanne. Er gilt als einer der reichsten Männer der Welt. Kamprad selbst hob einmal in einer ihm gewidmeten Radiosendung die Anfang der 60er Jahre bahnbrechende Idee hervor, Möbel in Billiglohnländern produzieren zu lassen: „Was uns wirklich den Durchbruch brachte, war die billige Produktion im kommunistischen Polen.“

Die Kritik an den Produktionspraktiken erhält immer neuen Zündstoff. Erst am Samstag hatten in mehreren schwedischen Städten Umweltschützer in Zusammenhang mit der Rodung von Urwäldern in Russland gegen die Geschäftspraktiken von Ikea protestiert. Auch diese Information war über die Sendung „Uppdrag granskning“ an die Öffentlichkeit gelangt.

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