„Das Gericht befindet Sie für schuldig“
Liberias früherer Präsident Charles Taylor ist am Donnerstag als erstes Ex-Staatsoberhaupt seit 1946 von einem internationalen Tribunal wegen Kriegsverbrechen für schuldig befunden worden. Taylor hatte laut Anklage im Nachbarland Sierra Leone blutrünstige Rebellen unterstützt. Das Strafmaß muss der Sondergerichtshof noch festlegen. Taylor hatte alle Vorwürfe bestritten.
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Taylor war in elf Punkten angeklagt, darunter Mord, Vergewaltigung, Rekrutierung von Kindersoldaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er soll in dem rund ein Jahrzehnt dauernden blutigen Bürgerkrieg im Nachbarland Sierra Leone in den 1990er Jahren seine Position missbraucht haben, um dort die brutale Rebellentruppe Revolutionäre Vereinigte Front (RUF) mit Waffen auszurüsten. Als Gegenleistung erhielt Taylor laut Staatsanwaltschaft wertvolle Diamanten aus den Minen Sierra Leones.
„Geschichtlicher Wendepunkt“
Das Gericht befinde Taylor in allen ihm zur Last gelegten Punkten für schuldig, sagte Richter Richard Lussick bei dem Urteilsspruch: „Mr. Taylor, das Gericht befindet Sie einstimmig für schuldig.“ Taylor habe den Bürgerkrieg in Sierra Leone „nachhaltig und signifikant“ geprägt. Der 64-Jährige zeigte bei der Verlesung des Schuldspruchs keinerlei Regung. Die Anklage wurde lediglich in dem Punkt relativiert, dass Taylor die RUF nicht „völlig kontrolliert“ habe.
Die im angloamerikanischen Recht übliche separate Verkündung des Straufausmaßes soll nach einer weiteren Anhörung am 16. Mai am 30. Mai erfolgen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sprach in einer ersten Reaktion von einem „geschichtlichen Wendepunkt“. Die Verurteilung sei ein Signal, dass selbst höchste Amtsträger für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden können. Das sei „ein Sieg für die Opfer in Sierra Leone und all jene, die Gerechtigkeit suchen, wenn die schlimmsten Verbrechen geschehen“.
Jubel in Sierra Leone
UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sprach von einer Warnung an Despoten rund um die Welt: „Die Tage sind vorbei, an denen sich Tyrannen und Massenmörder, nachdem sie abgesetzt wurden, in einem anderen Land zur Ruhe setzen und ein Leben in Luxus genießen“, sagte sie am Donnerstag in Genf. Pillay erinnerte auch an die anderen ehemaligen Staatschefs, mit denen sich Den Haag derzeit befasst. Sie hatte zuletzt gefordert, der Internationale Strafgerichtshof solle auch gegen Syriens Regierung ermitteln.
In Sierra Leone kam es nach Bekanntwerden des Urteils zu spontanen Freudenkundgebungen. Tausende feierten auf den Straßen. Dabei waren Transparente zu sehen mit Aufschriften wie „Schande über Dich, Charles Taylor. Gib uns unsere Diamanten, bevor Du ins Gefängnis gehst“. Jusu Jarka vom Verband für verstümmelte Bürgerkriegsopfer zeigte sich erfreut, dass Taylor „zur Gänze für die Verbrechen am Volk von Sierra Leone verantwortlich gemacht“ wurde.
Verteidiger pochen auf Unschuld
Der Schuldspruch ist der erste derartige seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen gegen die Nazis. Man kann aber davon ausgehen, dass das Verfahren damit noch nicht beendet ist. Es wurde erwartet, dass Taylors Verteidiger Berufung einlegen werden. Im Verfahren hatten sie sämtliche Anschuldigungen der Ankläger zurückgewiesen und einen Freispruch als einzig möglichen Verfahrensausgang dargestellt. Taylors Rolle in Sierra Leone sei „komplett friedlich“ gewesen. Sollte das Urteil in höherer Instanz bestätigt werden, wird Taylor in Großbritannien inhaftiert.
Das Verfahren fand aus Sicherheitsgründen nicht in Sierra Leone, sondern in Den Haag statt. Es war im Juni 2007 eröffnet worden. Die Anklage ließ 94 Zeugen aufmarschieren, darunter Prominente wie die US-Schauspielerin Mia Farrow und das britische Topmodel Naomi Campbell. Dabei ging es um „Blutdiamanten“, die sie von Taylor geschenkt bekommen haben sollen. Die Verteidigung rief 21 Menschen in den Zeugenstand. Auch Taylor selbst trat als Zeuge auf. Er plädierte in allen Anklagepunkten auf nicht schuldig.
Nur wegen Taten im Nachbarland verurteilt
Der Prozess war im März 2011 nach den Schlussplädoyers beider Seiten zu Ende gegangen. Seither mussten die Richter rund 50.000 Seiten mit Zeugenaussagen lesen und 1.520 Beweisstücke untersuchen. Verfahrensgegenstand war ausschließlich die Rolle Taylors während des Bürgerkriegs in Sierra Leone, bei dem zwischen 1991 und 2001 etwa 120.000 Menschen getötet wurden. Wegen der Verbrechen in seinem eigenen Land, denen 200.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, musste sich Taylor noch nicht verantworten.
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