Droht verlorene Generation?
Das hoch verschuldete Ungarn hofft nach wie vor auf einen Notkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Euro. Die OECD warnte bereits im März vor einer drohenden Rezession in Ungarn. Laut ATTAC Hungary lebt bereits fast jeder zweite Ungar in Armut.
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Die reale Armutsrate in Ungarn liege bei etwa 40 Prozent, sagte Matyas Benyik, Ökonom und Vorsitzender von ATTAC Hungary, vergangene Woche bei einer Veranstaltung in Wien. Damit seien etwa vier Millionen Ungarn betroffen.
Viele arbeiten für Mindestlohn
Laut EU-Statistiken vom Februar liegt die Armutsgefährdung in Ungarn bei 12,3 Prozent, in Österreich liegt sie im Vergleich dazu laut EU bei 12,1 Prozent. Generell sprach Benyik von der Gefahr einer „verlorenen Generation“. Die Universitätsausbildung sei teurer geworden, weshalb weniger Menschen sie finanzieren könnten und es nun Zehntausende Studierende weniger als früher gebe.

Reuters/Laszlo Balogh
Eine Ausspeisung in Budapest im vergangenen Winter
Vera Zalka, Vorsitzende der Foundation for the Hungarian Social Forum Movements, sprach bei der Veranstaltung zwei soziale Hauptprobleme der ungarischen Gesellschaft an: Demnach sei die Situation der Pensionisten und Kinder im Land sehr schlecht. Zudem stünde in zwei bis drei Jahren die Pensionierung der Baby-Boom-Generation der 1950er Jahre bevor, die Anhebung des Pensionsantrittsalters stehe im Raum. Weiters seien viele Ungarn gezwungen, für Mindestlöhne zu arbeiten. Viele Leute hätten keinen Glauben in die Wirtschaft mehr und sähen das Ende des Tunnels nicht, so Zalka.
„Hungermarsch“ gegen Orbans Politik
Mit einem „Hungermarsch“ unter dem Motto „Arbeit - Brot“ protestierten im Februar Dutzende Menschen gegen die rechtskonservative Regierung von Premier Viktor Orban. Sie legten in einer Woche 200 Kilometer von der nordungarischen Stadt Miskolc nach Budapest bei klirrender Kälte zurück. Imre Toth, einer der Organisatoren des „Hungermarsches“, kritisierte, dass das Leben der einfachen Menschen immer schwerer werde.
Mit dem „Hungermarsch“ soll erreicht werden, dass Viktor Orban „endlich aufwacht“, sonst sei der „Ausbruch eines Bürgerkrieges nicht weit“, so Toth. Orban würden die „kleinen Leute, die Niedrigverdiener nichts bedeuten“. Im Jahr 2009 - vor dem Amtsantritt Orbans, aber bereits mitten in der Wirtschaftskrise - hätten 2,7 Millionen Ungarn unter dem Existenzminimum gelebt, heute seien es bereits vier Millionen, sagte der sozialistische Parlamentsabgeordnete Nandor Gur.
„Schwindendes Vertrauen“ bei Investoren
Mit seiner umstrittenen Wirtschaftspolitik machte sich Ungarn auch bei ausländischen Investoren unbeliebt. In einer Umfrage der deutsch-ungarischen Handelskammer gaben 87 Prozent der hauptsächlich österreichischen und deutschen Investoren an, mit der Regierung unzufrieden zu sein. In der Liste jener Länder, in denen etwa deutsche Firmen am liebsten investieren, nimmt Ungarn nun nur noch den zehnten Platz ein. Voriges Jahr lag es noch auf Rang vier.
„Das größte Problem für die Firmen stellen die fehlende Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik und das schwindende Vertrauen in die Rechtssicherheit“, erklärte die Handelskammer. Mit den Umständen zufrieden sei praktisch keines der insgesamt 200 befragten Unternehmen. 29 Prozent der befragten Unternehmen würden ihr Geld künftig nicht mehr in Ungarn investieren - 71 Prozent jedoch schon. „Das ist ein ernstzunehmendes Signal, dass die Wirtschaftspolitik mehr Anstrengungen unternehmen muss“, hieß es in der Mitteilung.
Die ungarische Regierung belegte viele Sektoren - darunter Banken, Telekommunikation, Handel und Energie - mit Spezialsteuern. Zusätzlich brachte ein erzwungenes Kreditumtauschprogramm den Banken - darunter die Erste Group, Raiffeisen und die BayernLB - hohe Verluste ein. Österreichische und deutsche Firmen zählen zu den wichtigsten Investoren in dem Land.
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