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Ambitionierte Pläne im Nordosten Wiens

Wo man heute hauptsächlich grüne Wiese und freie Flächen findet, wird schon in wenigen Jahren ein eigener Stadtteil entstehen. Auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern im Nordosten Wiens gehen nun die Planungen für eine Seestadt in die aktive Bauphase über.

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Die ersten 1.600 Wohnungen werden schon Ende 2014 bezugsfertig sein, bis dahin wird auch die U2-Verlängerung eröffnet, um das Gebiet vom jetzigen „Pampa“-Status zu einem in rund 20 Minuten aus dem Zentrum erreichbaren Viertel aufzuwerten. Mit anvisierten 20.000 Wohn- und genauso vielen Arbeitsplätzen im Vollausbau ist das 240 Hektar umfassende Projekt derzeit Wiens größtes Stadtentwicklungsgebiet. Mit Superlativen konnte das Gelände allerdings bereits vor Jahrzehnten aufwarten.

Baustelle Seestadt Aspern

ORF.at/Kaja Stepien

Im Oktober 2013 werden die neuen U2-Stationen eröffnet, was die Linie um 4,2 Kilometer verlängert

Von der Autorennbahn zum nachhaltigen Wohnen

Im Sommer 1912 wurde dort ein Flughafenkomplex eröffnet, der zeitweilig als größter Airport des Landes fungierte. Nach wechselvoller Geschichte wurde das Gelände 1955 vom Österreichischen Aero-Club übernommen und für Sportflugzeuge genutzt. Ab diesem Zeitpunkt drehten auf dem Areal auch schnelle Autos ihre Runden: Am 28. April 1957 fand am Stadtrand Wiens das erste internationale Autorennen in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Die legendäre „Rumpelpiste“ wurde in der Folge bis 1977 Spielwiese von Legenden wie Niki Lauda oder Jochen Rindt.

Erste Stadtentwicklungspläne für die Fläche gab es seitens der Gemeinde bereits in den frühen 1990er Jahren. Damals war von 10.000 Bewohnern und 6.000 Arbeitsplätzen die Rede. Im Windschatten der EU-Osterweiterung, des erwartbaren Wachstums der Bundeshauptstadt und der Entscheidung, das Straßen- und U-Bahnnetz - konkret die U2 - in den Donaustädter Stadtteil zu führen, vergrößerte sich die Dimension des Vorhabens jedoch deutlich.

Wohnen am künstlichen See

Das Herzstück des neuen Stadtteils soll ein 50.000 Quadratmeter großer künstlicher See werden, rund um den sich die Bauprojekte gruppieren. Das Wohnungsangebot richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen. Kleine Singleappartements werden ebenso gebaut wie Objekte für betreutes Wohnen oder generationenübergreifende Einheiten. Außerdem sollen sämtlichen Mietern Balkone, Loggien, Terrassen oder Gartenflächen zur Verfügung stehen. Die Erdgeschoßzonen sind für Geschäfte, Lokale, Ateliers und Handwerksbetriebe reserviert, um gute Infrastruktur zu gewährleisten und so das Grätzel zu beleben.

Baustelle Seestadt Aspern

ORF.at/Kaja Stepien

Auf Grünflächen und Ruhezonen wurde in der Planung der Seestadt viel Wert gelegt

Kritik an Aspern-Plänen von ÖVP und FPÖ

Angst, dass das nicht gelingt, äußerten Wiener ÖVP und FPÖ. Man habe etwa verabsäumt, einen Schwerpunkt auf die Ansiedelung von Produktionsbetrieben zu setzen und würde durch den vorrangigen Bau von Wohnungen und Büros die „nächste Schlafstadt“ generieren, moniert etwa die ÖVP Wien. Die FPÖ ortet hinter der Ankündigung der Stadt Wien, leistbare Wohnungen zu bauen, die Gefahr, dass in Aspern Substandardwohnungen entstünden und das Stadtviertel dadurch zu einem Vorstadtghetto verkommen könnte.

Auch eine Studie der TU Wien stellt der Seestadt schon im Vorfeld kein besonders gutes Zeugnis aus, was das Verkehrskonzept anbelangt. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass zentrale Orte wie die Seepromenade oder Straßenzüge, die in dem neuen Stadtteil als wichtige Achsen gedacht sind, aufgrund ihrer Lage innerhalb des Areals nur schwer diesen Status erlangen können.

Baustelle Seestadt Aspern

ORF.at/Kaja Stepien

Das „Flederhaus“ auf dem Seestadt-Gelände dient in der Bauphase als Informationszentrum

„Viele Arbeitsplätze und gute Verkehrsanbindung“-

Die Projektleiterin der Seestadt, Christine Spiess, sieht trotz der kritischen Meinungen keine Gefahr einer Ghettoisierung. „Es wird viele Arbeitsplätze geben, es entstehen ein großer Bildungscampus, ein Ärztezentrum und vieles mehr.“ Auch die Bedenken bezüglich des Verkehrskonzepts sind für die Projektleiterin hinfällig. Es gebe neben dem U2-Anschluss ein Buskonzept, Car-Sharing-Angebote und gleich mehrere Anreize für die Bewohner, viele Wege per Rad zurückzulegen: eine Fahrrad-Park-and-Ride-Anlage etwa oder Velobase-Standorte, die eine Kombination aus Fahrradabstellsystem, solarem E-Bike-Ladeservice, Informationssystem und Druckluftbefüllung bieten.

Dass die Seestadt eine Geisterstadt bleiben könnte, ist aus derzeitiger Sicht nicht zu befürchten: Schon kurz nach der Präsentation der Wohnbauinitiative habe sich herausgestellt, dass das Interesse an den Wohnungen in Aspern viel höher ist als bei anderen Objekten, so Spiess.

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