Themenüberblick

Jedes Bundesland für sich

Statt der Jahrgangsklassen wird es wegen der sinkenden Schülerzahlen immer mehr altersheterogene Klassen geben - Klassen also, in denen die Schüler zweier oder mehrerer Schulstufen gemeinsam sitzen. Das Phänomen wird in den nächsten Jahren noch zunehmen, insbesondere auf dem Land.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Bereits jetzt gibt es zahlreiche Schulen in allen Bundesländern mit Ausnahme Wiens, die aus Schülermangel Klassen mehrstufig führen, da sonst zu wenige Schüler auf einen Lehrer kämen. Ein österreichweiter Vergleich ist schwierig, da selbst das Unterrichtsministerium nicht über die Zahl der Standorte mit mehrstufigen Klassen verfügt und dazu an die einzelnen Landesschulräte verweisen musste. Eine Nachfrage von ORF.at in den Ländern ergab folgendes Bild:

  • Das Burgenland hat nach eigenen Angaben die meisten mehrstufig geführten Schulen - an rund zwei Drittel der etwa 190 Standorte gibt es demnach Mehrstufenklassen. In rund einem Drittel davon gibt es nur eine Klasse - dort lernen also Erst- bis Viertklassenschüler gemeinsam.
  • In der Steiermark gab es im Schuljahr 2010/2011 an 214 von 512 Volksschulen Mehrstufenklassen (42 Prozent), 45 Schulen davon haben nur eine Klasse.
  • In Vorarlberg waren im Schuljahr 2010/2011 von insgesamt 953 Volksschulklassen 132 (14 Prozent) altersheterogen.
  • In Salzburg gab es an 61 von insgesamt 187 Volksschulen 96 jahrgangsgemischte Klassen. Damit waren 32,6 Prozent der Standorte und acht Prozent aller VS-Klassen in Salzburg jahrgangsgemischt.
  • In Kärnten waren im Schuljahr 2010/2011 265 der insgesamt 1.248 Klassen (3.724 Schüler) mehrstufig. An zwei Schulen gab es zudem im Rahmen eines Schulversuchs „gewollt altersheterogene“ Klassen.
  • In Wien gab es im Schuljahr 2010/2011 104 dieser Klassen an 52 Schulstandorten - das sind weniger als drei Prozent aller Klassen.
  • In Niederösterreich gab es im Volksschulbereich 619 mehrstufig geführte Klassen, davon 35 im Rahmen eines Schulversuches und 584 auf Grund der Schülerzahlen. Das sind weniger als 20 Prozent.
  • In Oberösterreich gab es an 172 von 561 Volksschulen altersheterogene Klassen (31 Prozent). Insgesamt sind mit 263 von 3.181 acht Prozent der Klassen mehrstufig.

Wien fällt aus der Reihe

Wien sticht aus zwei Gründen hervor: Einerseits kennt die Bundeshauptstadt naturgemäß nicht das Problem des Schülermangels, wie das in ländlichen Gebieten und teils sogar in den Speckgürteln der Landeshauptstädte oft der Fall ist. Das erklärt die relativ gesehen niedrigste Zahl an mehrstufigen Klassen. Eine Sonderstellung nimmt Wien allerdings auch insofern ein, als es die Mehrstufenklassen gezielt und wohl offensiver als alle andere Bundesländer als neues pädagogisches Konzept einsetzt.

In Wien sitzen laut Informationen des Stadtschulrats im Schnitt rund 20 Schüler in einer solchen Klasse, die im Regelfall von zwei Lehrern betreut werden. Damit kommt im Schnitt auf zehn Schüler ein Lehrer.

Klassengröße relativ

Die Bedeutung der Klassengröße - für Eltern oft ein wichtiger Maßstab für die Qualität des Unterrichts - wird allerdings von den Behörden heruntergespielt und der Status quo verteidigt. Einerseits wird darauf verwiesen, dass der Personalaufwand gerade für Kleinschulen im Verhältnis zu Schulen in Städten viel höher ist. Andererseits betont etwa Karl Maier vom Kärntner Landesschulrat, dass zwar kleinere Gruppen den Organisationsaufwand für den Lehrer verringern, doch bei Schülern könnten gerade allzu kleine Klassen Stress auslösen, da sie ständig unter der Beobachtung des Lehrers stünden. Besonders heikel sei das, wenn die Atmosphäre zwischen Schüler und Lehrer nicht passe.

Maier gibt auch zu bedenken, dass es geradezu schade wäre, wenn die Klasse eines ausgezeichneten Lehrers klein wäre, da dann andere Kinder um diesen Genuss kämen. Ab wann eine Klasse geteilt oder eben mehrstufig geführt wird, ist Entscheidung der Schule und des Landesschulrats. Der burgenländische Landesschulinspektor Erwin Deutsch betonte etwa gegenüber ORF.at, dass zehn Kinder das absolute Minimum für eine selbstständig geführte Klasse (Jahrgangsklasse) seien. Darunter habe es einfach keinen Sinn, da nicht einmal ein vernünftiger Turn- oder Musikunterricht möglich wäre.

Kein Automatismus

Die Autoren des Nationalen Bildungsberichts, der vom Unterrichtsministerium in Auftrag gegeben wurde und 2009 erschien, sind da noch viel deutlicher. Sie kamen unter Verweis auf internationale Studien zum Schluss, dass die Reduktion der Klassenschülerzahl zwar im Allgemeinen von Eltern, Lehrern und Kindern positiv gewertet wird, doch nicht Lehrerfolge garantiert, da die dadurch geschaffenen Möglichkeiten für einen individualisierteren Unterricht von den Lehrern oft nicht genutzt werden. Die Reduktion der Klassenschülerhöchstzahl sei daher „höchstwahrscheinlich keine sinnvolle Reformstrategie, wenn eine Veränderung von Unterrichtsstilen und Unterrichtsqualität angestrebt wird“, so das eindeutige Resümee.

Links: