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Vom Geschäftsmann zum Vielschreiber

Daniel Defoe ist heute hauptsächlich als Verfasser des Abenteuerromans „Robinson Crusoe“ bekannt. Doch in ihm gilt es einen Tausendsassa zu entdecken und eine komplexe Persönlichkeit, bei der man nie wissen konnte, woran man war.

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Künstlerische Camouflagetechniken hatte er bereits vor über 300 Jahren vorweggenommen. Schon zum Schreiben kam Daniel Foe (das noble französische „De-“ kaufte er später nach) auf Umwegen. Denn ursprünglich war er Geschäftsmann und handelte mit Holz, Tabak, Käse und Wein. Das Geschäft war ihm durch die hohe Mitgift seiner Braut ermöglicht worden.

Aber schon acht Jahre nach der Hochzeit musste der spätere Schriftsteller den Bankrott erklären, wie die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer ausführlichen Würdigung Defoes erzählt. Mit der für damalige Verhältnisse unglaublichen Summe von 17.000 Pfund stand er in der Kreide. Seine Gläubiger brachten ihn für einige Monate ins Gefängnis.

Als Intellektueller hatte sich der neugierige und umfassend gebildete Defoe schon davor begriffen. Nun aber begann er sich als Vielschreiber über Wasser zu halten. Zeitweise schrieb er für 15 verschiedene Publikationen, bei denen er zum Teil auch als Herausgeber fungierte.

Mimikry als Schutzmantel

Defoe gilt als einer der Erfinder des modernen Journalismus, weil er auch, zu seiner Zeit unüblich, Kommentare verfasste - und seine Texte bestachen durch Detailreichtum. Inhaltlich jedoch überraschte er als Denker vor allem mit überraschenden Wendungen.

Nicht selten kam es vor, dass er in einer Zeitung einen Standpunkt vertrat, kurz darauf in einem anderen Medium unter Pseudonym aber das Gegenteil behauptete. Heute geht man davon aus, dass er sich dieser Mimikry nicht zuletzt als Schutzmantel bediente.

Als Spion für die Torys

Denn Defoe vertrat liberale Standpunkte. Immer wieder machte er teils skurrile Reformvorschläge. Ein Anliegen waren ihm vor allem die Religionsfreiheit und der Schutz von Minderheiten.

Das führte so weit, dass er für die Tory-Partei als Spion arbeitete, um dabei zu helfen, eine Union mit Schottland zu erreichen. Obwohl er selbst einer anderen Partei angehörte, erhoffte sich Defoe von der Vereinigung, dass die größere religiöse Freiheit in Schottland dann auch für England übernommen werden würde.

Drei Tage am Pranger

1703 verfasste Defoe einen satirischen Text, in dem er als angeblich konservativer Kommentator Proteste gegen die Amtskirche geißelte, an denen er in Wahrheit sogar teilgenommen hatte. Die Kirche erkannte laut „Süddeutscher Zeitung“ die Satire zunächst nicht als solche und lobte den Text.

Als jedoch die wahre Stoßrichtung des Kommentars und sein tatsächlicher Autor bekanntwurden, bekam Defoe die Konsequenzen zu spüren. Er musste drei Tage lang am Pranger ausharren und kam wieder ins Gefängnis. Auf Druck der Bevölkerung, bei der er sehr beliebt war, wurde er jedoch bald wieder entlassen - war jedoch erneut finanziell ruiniert.

Erfolg mit „Robinson Crusoe“

Nach Jahren des Journalismus veröffentlichte Defoe im fortgeschrittenen Alter von 59 Jahren seinen ersten Roman - der als erster Roman überhaupt gilt: „The Life And Strange Surprizing Adventures Of Robinson Crusoe“. Er orientierte sich dabei lose an Zeitungsberichten über einen Seefahrer, der sich freiwillig für vier Jahre auf einer Insel aussetzen ließ.

Das Buch war ein durchschlagender Erfolg. Weitere Romane folgten, darunter auch solche, in denen Defoe aus der Perspektive von Frauen schrieb. Hier vertrat er mitunter bis kurz vor Ende der Geschichte feministische Standpunkte, um dann die selbstbestimmten Frauen im letzten Moment zu reuigen Schlampen abzustempeln - offenbar eine Konzession an die damaligen Verhältnisse.

Er starb, wie er lebte

Zeitgenossen wie Jonathan Swift („Gullivers Reisen“) warfen Defoe vor, sich mit seinen Romanen als schriftstellernder Journalist für Geld zu prostituieren, statt beim Journalismus zu bleiben. Der Vorwurf geht zumindest insofern ins Leere, als sich Defoe einmal mehr als unfähiger Geschäftsmann erwies.

Vom Erfolg „Robinson Crusoes“ profitierte er angeblich kaum - ganz im Gegensatz zum Verleger. 1731 verstarb Defoe in London im Alter von 71 Jahren. Damals war er gerade wieder hoch verschuldet und musste sich vor Gläubigern verstecken.

Geburtsdatum ungewiss

Vieles hatte Defoe zeit seines Lebens im Ungewissen gelassen. Kein Wunder also, dass sogar sein Geburtsdatum nach wie vor umstritten ist. Die meisten Quellen sprechen von Anfang 1660, aber auch 1659 und 1661 werden als Geburtsjahre für möglich gehalten.

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