„Kriegskasse“ wird deutlich aufgefüllt
Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) haben sich am Rande der Frühjahrskonferenz des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf eine massive Aufstockung des globalen Rettungsfonds verständigt. Dessen „Feuerkraft“ soll nun auf mehr als eine Billion Dollar erhöht werden. Nachfolgend zentrale Fragen und Antworten zur Thematik:
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Warum braucht der IWF mehr Geld? Der Weltwährungsfonds will die größere „Feuerkraft“ für den Fall, dass sich die europäische Schuldenmisere auf andere Länder ausbreitet. Bis jetzt hatte der IWF rund 380 Milliarden Dollar für neue Kredite in der Kriegskasse, doch das war zu knapp für globale Notfälle, meinte die IWF-Chefin Christine Lagarde. „Der Fonds muss in der Lage sein, die Bedürfnisse aller zu erfüllen, die von der Krise betroffen sind.“ Schließlich sei die Weltwirtschaft „fragil“.
Um welche Summe ging es? Im Jänner wollte Lagarde bis zu 600 Mrd. Dollar zusätzlich, um andere Länder weltweit effektiv vor einer Ansteckung schützen zu können. Am Ende sprach sie „nur“ noch von 400 Mrd. Dollar, weil mittlerweile einige Schreckensszenarien gebannt worden seien. Durch die G-20-Zusage über mehr als 430 Mrd. verdoppelt sich die Vergabekapazität für neue Kredite in etwa. Die gesamte „Feuerkraft“ inklusive der bereits verplanten, aber nicht unbedingt abgerufenen Mittel steigt auf mehr als eine Billion Dollar.
Woher kommen die gut 430 Milliarden Dollar? Das wurde aus der G-20-Erklärung zunächst nicht im einzelnen ersichtlich. Bis zuletzt wurden immer neue Berichte über Beteiligungszusagen aus Ländern wie Japan, Russland, Großbritannien und der Schweiz bekannt. Einige Länder müssten ihre am Freitag gemachten Versprechen noch in der Heimat absegnen lassen, sagte Lagarde. Bereits vorab war klar, dass aus Europa insgesamt bis zu 200 Mrd. Euro kommen sollen, davon 150 Mrd. aus den Euro-Ländern.
Welche Länder sperrten sich gegen neue Kreditzusagen und warum? Ausgerechnet die USA - als der mit Abstand größte Anteilseigner - hatten sich quergestellt. Zunächst war nicht klar, ob sie sich doch noch beteiligten. Der IWF verfüge bereits über „sehr angemessene Kernressourcen“, war vor der G-20-Tagung aus dem US-Finanzministerium verlautet. Hinzu kam, dass aufstrebende Topmächte wie Brasilien bis zuletzt mit weiteren Mitteln für den IWF auch ihren Einfluss bei der globalen „Finanzfeuerwehr“ verbanden. Die Quotenreform, die die Verhältnisse zwischen alten und neuen Mächten neu regeln soll, scheint sich aber zu verzögern. Am Ende hätten Brasilien, Russland, Indien und China mitgemacht, sagte Lagarde.
Was verbirgt sich hinter dieser „Quotenreform“? Mit der 2010 beschlossenen Neuordnung, die bis Oktober umgesetzt sein soll, erhalten Länder wie China, Brasilien und Indien mehr Einfluss, Industrieländer geben dagegen Macht ab. China - zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt hinter den USA und vor Japan - verdrängt Deutschland von Platz drei der Anteilseigner. Grundsätzlich soll sich in der Neuverteilung der Stimmrechte und Anteile der 188 IWF-Mitgliedstaaten das gewachsene Gewicht der boomenden Schwellenländer auch beim Währungsfonds widerspiegeln.
Wie sieht es nach der Neuordnung konkret aus? Die Anteilsquoten bestimmen das Stimmgewicht einzelner Länder und ihren Kapitalbeitrag. Die USA kämen mit der Quotenreform auf einen Stimmanteil von 16,5 Prozent, Deutschland von 5,3 und China von 6,07. Insgesamt sollen die Anteilsquoten bis 2012 verdoppelt werden. Bis Anfang 2013 soll zudem eine neue Quotenformel gefunden werden, um Entwicklungs- und Schwellenländern noch mehr Einfluss zu geben. Im Exekutivdirektorium, dem Topbeschlussorgan, geben zwei europäische Staaten ihren Sitz zugunsten aufstrebender Mächte ab.
Wie finanziert sich der IWF überhaupt? Wichtigste Quelle sind die Kapitalanteile (Quoten) der 188 IWF-Staaten. Die machen etwa 366 Mrd. Dollar aus. Schon vor drei Jahren - auf dem Höhepunkt der Finanzkrise - beschlossen die G-20, den IWF aufzuwerten und seine Mittel anzuheben. Die Kasse für Notkredite, also frei verfügbare Finanzmittel, sollte mittelfristig auf 750 Mrd. Dollar verdreifacht werden. Zudem wurde beschlossen, „Sonderziehungsrechte“ - eine Art Kunstreservewährung des IWF - um 250 Mrd. Dollar aufzustocken, um Liquiditätsengpässen von Ländern entgegenzuwirken. Bisher sind gut 550 Mrd. Dollar zusammengekommen durch bilaterale Kreditlinien von 38 Mitgliedern.
Andre Stahl, Marco Mierke/dpa
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