Lippestad Breiviks Wunschanwalt
„Ich habe in diesem Fall meine Seele verschenkt“, sagt der norwegische Anwalt Geir Lippestad über den wohl schwierigsten Prozess in seinem Leben. „Ich hoffe, dass ich sie heil wiederbekomme, aber ich bin nicht sicher“, ergänzt der 47-Jährige, der den zweifellos meistgehassten Mann des Landes verteidigt.
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Anders Behring Breivik hatte im vergangenen Juli im Regierungsviertel von Oslo acht Menschen mit einer Autobombe getötet und dann auf der Insel Utöya 69 Teilnehmer eines Sommerlagers der Arbeiterpartei erschossen. Schon kurz nach den Anschlägen erhielt Lippestad einen Anruf von der Polizei: Breivik wünsche sich ihn als Verteidiger. Nach „zehn bis zwölf Stunden“ stand sein Entschluss fest. Es sei Zeit gewesen, „an die Demokratie zu denken“, in der das Rechtswesen ein „sehr wichtiger Bestandteil“ sei, sagte der makellos gekleidete Jurist mit dem glatt rasierten Schädel damals.
Inzwischen begründet er seine Entscheidung ähnlich wie es seine Frau wohl täte, die als Krankenschwester arbeitet: Wenn Breivik auf Utöya verletzt worden wäre, hätten die Ärzte und Schwestern im Krankenhaus alles tun müssen, um sein Leben zu retten.
Mandatenannahme unter Bedingungen
Besonders paradox ist, dass Breivik „jeden hasst, der an die Demokratie glaubt“, und sich seine Anschläge gegen die regierende Arbeiterpartei richteten - jene Partei, in der auch Lippestad Mitglied ist. Er habe seinem Mandanten von Anfang an klargemacht, dass er einzig Rechtsfragen mit ihm klären werde und sich nicht als „politischer Agitator“ für dessen extremistische Ansichten instrumentalisieren lasse, sagt Lippestad der Nachrichtenagentur AFP. Breivik, der in seinem 1.500 Seiten starken Pamphlet einen „Anwalt mit nationalistischer Gesinnung“ gefordert hatte, erklärte sich damit einverstanden.
Warum fiel Breiviks Wahl auf Lippestad?
Warum aber beauftragte Breivik ausgerechnet Lippestad mit seiner Verteidigung, wo ihre Ansichten doch völlig gegensätzlich sind? Das könne er sich nicht erklären, sagt der Anwalt. Vielleicht kannte Breivik seinen Namen von einem Schild an seiner Kanzlei, in dessen Nähe er vor Jahren ein Geschäft betrieben haben soll. Vielleicht liegt es aber auch an Lippestads Verteidigung von Ole Nicolai Kvisler, der 2002 wegen seiner Verwicklung in die Ermordung eines norwegisch-ghanaischen Jugendlichen zu 17 Jahren verurteilt wurde. Die Tat gilt als „erstes rassistisches Verbrechen“ in Norwegen.
„Niemand fühlt sich nicht betroffen“
„Mein Ziel ist es, diesen Fall in professioneller Weise zu behandeln“, sagt der Anwalt über den spektakulären Prozess, der ihm bevorsteht. Wie das restliche Norwegen sei auch er „geschockt“ über die Taten gewesen. „Niemand fühlt sich von dieser Sache nicht betroffen, dennoch wird er einen fairen Prozess bekommen“, erklärt Lippestad. Bei seiner Verteidigung von Breivik hat er drei Kollegen seiner Kanzlei an seiner Seite: Odd Ivar Groen, Tord Jordet und Vibeke Hein Baera.
Norwegischen Medienberichten zufolge erhielt Lippestad nach der Annahme des Falles Drohungen. Er selbst will das nicht bestätigen. Vielmehr hebt er hervor, dass ihm von allen Seiten Anerkennung zuteil wird - auch von Überlebenden von Utöya. Sie würdigten ihn dafür, wie er mit einer gesunden Distanz zu seinem Mandanten dessen Rechte wahre, sagt Lippestad. „Ein Anwalt muss immer deutlich machen, dass er nicht mit seinem Mandanten gleichgesetzt werden kann.“ Spurlos wird der Prozess aber wohl nicht an ihm vorbeigehen. „Nach einem solchen Job ist man nicht mehr derselbe.“
Pierre-Henry Deshayes, AFP
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