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„Unerfreulicher Blick in Klimazukunft“

Die Menschen in Europa müssen sich einer Studie zufolge auf eine höhere Allergiebelastung einstellen. Die Pollenmenge sei in den vergangenen Jahren europaweit deutlich gestiegen, berichtet ein internationales Forscherteam um die Ökoklimatologin Annette Menzel von der Technischen Universität München. Mit dem Klimawandel werde sich dieser Trend noch verstärken, erläuterten die Wissenschaftler.

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Wahrscheinlichste Ursache für die Zunahme sei die steigende CO2-Konzentration, schlussfolgert die Studie, die auf der aufwendigen Auswertung von Pollenzeitreihen aus 13 europäischen Ländern beruht. Laborversuche und einige Freilandstudien hätten gezeigt, dass eine höhere Kohlendioxid-Konzentration in der Luft das Pflanzenwachstum und damit die Pollenproduktion beschleunigen könne. Mildere Temperaturen und zugewanderte Pflanzenarten sorgten zudem für eine längere Pollenflugsaison.

Bemerkenswertes Stadt-Land-Gefälle

Werte aus Österreich wurden für die Studie nicht herangezogen. Die detailliert im Onlinefachjournal PLoS ONE nachzulesenden Werte aus den Nachbarländern Österreichs lassen jedoch keinen anderen Schluss zu, als dass die Situation hierzulande nicht anders ist. Erst kürzlich hatten Forschungen an der Salzburger Universität den Beweis erbracht, dass Ozon und Stickoxide - also eine typische Luftverschmutzungssituation - Allergene tatsächlich chemisch verändern und damit potenziell Super-Allergene schaffen.

Bemerkenswert ist der Studie zufolge der Unterschied zwischen Stadt und Land: Demnach ist im ländlichen Bereich ein Zuwachs der Pollenmenge um ein Prozent pro Jahr nachzuweisen, in urbanen Gebieten aber um drei Prozent. Die Wissenschaftlerinnen sind jedoch überzeugt: „Der Blick in die Klimazukunft fällt nicht nur für Stadtbewohner unerfreulich aus.“ In städtischen Gebieten finde man lediglich „bereits heute die Bedingungen vor, die wir künftig ebenfalls für ländliche Gegenden erwarten“.

Heutiges Stadtklima als Landklima der Zukunft

„Das Stadtklima ist heute bereits wärmer und trockener, hinzu kommt eine höhere Luftverschmutzung“, wird Menzel in der Mitteilung der TU München zitiert. Durch die dichte Bebauung liege die Temperatur um ein bis drei Grad höher als außerhalb der Städte. Auch CO2- und Schadstoffwerte in der Luft seien dort oft erhöht. Der Unterschied zwischen Stadt und Land dürfte damit nicht nur an der größeren Menge der Pollen liegen, sondern auch daran, dass Pollen nur die Träger von allergiefördernden Substanzen sind.

Da es in Städten mehr allergiefördernde Substanzen gibt, lautet der Schluss der Studienautoren: Die stärkere Belastung in Städten dürfte daran liegen, dass dort mehr und zugleich „aggressivere“ Pollen in der Luft sind. Wie in der Studie jedoch nicht verhehlt wird, gibt es noch zahlreiche offene Fragen. Gerade die Daten über Pollenbelastung sind nur schwer vergleichbar, da unterschiedliche Vegetationsformen und Naturzyklen im Raum zwischen Island und Südspanien zu äußerst vielfältigen Formen der Pollenbelastung führen.

„Offene Baustellen“ als Hoffnungsträger

Gerade die „offenen Baustellen“ in der jetzigen Studie sehen die Forscher jedoch als Ansporn, vielleicht Lösungsansätze bieten zu können. Gerade die tieferen Gründe für den Unterschied zwischen Stadt und Land will Menzel nun mit der wissenschaftlichen Allergologin Claudia Traidl-Hoffman untersuchen. Interessant ist dabei vor allem, dass es - trotz konstanter klimatischer Bedingungen - erstaunliche Schwankungen bei der Freisetzung von allergiefördernden Substanzen durch Pollen gibt.

Für die These, dass auch eine große Menge an Pollen nicht zwingend immer viele allergiefördernde Substanzen befördern müssen, gibt es noch einen weiteren Anhaltspunkt: Die Daten aus Spanien stellen mit deutlich niedrigeren Allergiewerten in der Studie einen erstaunlichen Ausreißer dar, möglicherweise wegen eines anderswo so nicht vorhandenen Verhältnisses zwischen Gräser- und Baumpollen. Detaillierte Forschungsergebnisse verspricht die TU München für „demnächst“.

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