Themenüberblick

Die innere Selbstsicherheit

„Er hat Nicolas Sarkozy die Codes und die Schlüsselwörter vermittelt, die man braucht, um die Wähler des Front National zu verführen“: Das soll der Gründungsvater des Front National, Jean-Marie Le Pen, gegenüber dem „Express“ über Patrick Buisson zu Protokoll gegeben haben. Der ehemalige Journalist Buisson könnte wieder einmal in einem Sarkozy-Wahlkampf die Schlüsselrolle einnehmen - gerade wenn es darum geht, die Stimmen am rechten Rand zu erreichen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Mordserie eines radikalen Islamisten in Toulouse hat das politische Frankreich in diesem März entsetzt und in Atem gehalten. Und es hat dem amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy die Chance gegeben, die Rolle des Staatsmannes mit der des früheren Innenministers, der mit entschlossener Hand agiert (so das langjährige Selbstbild Sarkozys), zu verbinden.

Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy bei der Trauerfeier um die in Toulouse erschossenen Soldaten

Reuters/Philippe Wojazer

Präsident Sarkozy vor dem Sarg eines vom Toulouse-Attentäter ermordeten Soldaten

Sarkozys Werte stiegen gegenüber dem in allen Umfragen favorisierten sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande. Beim Thema innere Sicherheit konnte Sarkozy punkten, und in so manchem französischen Medium erinnerte man sich an und befragte einen Mann: Patrick Buisson, ehemaliger Journalist aus rechtskonservativem, katholischem Haus, der bereits 2007 der entscheidende Einflüsterer im Wahlkampf von Sarkozy wurde.

Erinnerungen an den Gare du Nord

Sarkozys Positionierung im Wahlkampf 2007 war eng mit einem Schlagwort verbunden: Gare du Nord. Es war auch ein März vor den französischen Präsidentschaftswahlen. Sarkozy legte damals sein Amt als Innenminister nieder, um, wie es hieß, sich ganz und unbefangen auf den Wahlkampf konzentrieren zu können.

Randale am Pariser Gare du Nord im Jahr 2007

dapd/Jacques Brinon

Gare du Nord, 2007: Die Verhaftung eines randalierenden Schwarzfahrers sollte Folgen für den Wahlkampf haben

Kurze Zeit später schaukelte sich die Festnahme eines 33-jährigen Schwarzfahrers am Pariser Gare du Nord zum Politikum hoch: Die Polizei, die den Schwarzfahrer festnahm, nachdem dieser angeblich zwei Kontrolleure attackiert hatte, wurde von Jugendlichen verfolgt. Als man die Bereitschaftspolizei zur Verstärkung der Exekutivkräfte im Bahnhof heranholte, eskalierte die Lage: Steine flogen, Tränengas kam zum Einsatz, rund um den Bahnhof gingen Mistkübel in Flammen auf.

Die Jugendlichen skandierten damals Parolen gegen den zurückgetretenen Innenminister, der ja früher schon angekündigt hatte, Problemviertel mit randalierenden Jugendlichen mit dem „Kärcher“ reinigen zu wollen. Die Aktion der Polizei wollten manche gleich als Verschwörung rund um den ehemaligen Innenminister wahrnehmen. „Wie durch Zufall geht Sarkozy, und am Tag danach passiert das“, werden Agenturen eine junge Passantin zitieren.

Die Nutznießer der Randale

Nutznießer der Stimmung nach den Ausschreitungen vom Gare du Nord waren damals Le Pen und nicht zuletzt der frühere Innenminister Sarkozy. Bei der Wahl der Worte und der Taktik in aufgeheizten Konfliktsituationen konnte und kann sich Sarkozy auf die Meinung von Buisson verlassen. Der Begriff „Kärcher“, den Sarkozy 2005 zur Säuberung von Randalierern verwenden wollte, soll auf das Konto Buissons gehen. Buisson habe ein gutes Gefühl für die öffentliche Wirkung bestimmter Begriffe - und, so zitierte der linke „L’Express“ nach Sarkozys erster Präsidentschaftswahl einen Berater: Buisson spreche die Sprache der „Arbeiterklasse“.

Konservative Gegenstimmen in Nanterre

Buisson entstammt selbst einem deutlich national geprägten Haushalt. Der Vater, Ingenieur bei Electricite de France, engagierte sich in der nationalistischen Action Francaise, bevor er ins Lager der Gaullisten schwenkte. Buisson selbst prägt der Antikommunismus während seiner Schul- und Studentenphase. Er studiert auf der Universität von Nanterre vor den Toren von Paris, einer Keimzelle der 68er Bewegung. Doch Buisson agiert und agitiert gegen die Bewegung des 22. März rund um Daniel Cohn-Bendit.

Französischer Politologe Patrick Buisson

AFP/Pierre Verdy

Patrick Buisson während seiner Zeit als Herausgeber von „Minute“

Ein Verbündeter aus diesen Tagen: Alain Renault, den er während seiner Annäherung an den Front National in den 80er Jahren wieder trifft und mit dem er einen Bildband über Le Pen herausgibt. In den 80er Jahren ist Buisson Herausgeber der rechtsgerichteten Wochenzeitung „Minute“. Vehement tritt er für die Einheit des rechten Lagers ein. Die Wähler der neogaullistischen RPR und jenen Le Pens trenne wenn überhaupt die Stärke eines Zigarettenpapiers, wird er schreiben. In Marseille sieht man ihn 1985 auf dem Podium bei einer Veranstaltung des Front National sitzen, wie ein Video beweist.

In den 1990ern verbreitet Buisson seine Arbeitsbasis: Er wird Politikberater, unter anderem für die Wahlkämpfe von Philippe de Villiers. Als Journalist gibt er die Zeitschrift „Opinion politique“ heraus, verantwortet Sendeformate beim Infokanal LCI und betätigt sich auch im Kommentatorenteil des „Figaro“. Seine Leistungen als Politikberater bietet er über Kommunikationsagenturen wie Publifact an. Das wird Buisson auch beibehalten, als er zum Berater des Innenministers Nicolas Sarkozy wird und dessen Law-and-Order-Kurs entscheidend mitgestaltet.

Mastermind des 2007-Wahlkampfes

Buisson gilt als Mastermind des Wahlkampfes 2007 im Umgang mit dem Front National - und er gilt seitdem als Mastermind hinter Strategiesitzungen im Umfeld des Präsidenten, die der Präsident nach Begrüßungsworten gleich in die Hand Buissons legen soll. Die Satirezeitschrift „Le Canard enchaine“ listete alleine für das Jahr 2008 130 Rechnungen für „Umfragen“ an Firmen, für die Buisson tätig ist, auf. Volumen für 2008: knapp 400.000 Euro.

Buisson, der seit 2007 den ebenfalls zu TF1 gehörenden Geschichts-TV-Kanal Histoire leitet, vermeidet es, in offizieller Funktion für das Elysee und den Präsidenten zu arbeiten. Er ist neben Henri Guaino, dem ehemaligen Credit-Lyonnais-Ökonomen, der entscheidende Fädenzieher im Hintergrund.

Jean Marie Le Pen und Patrick Buisson im Jahr 1985 bei einer Wahlveranstaltung in Marseille

France 2

Le Pen nach einer Rede in Marseille 1985. Mit auf dem Podium: Buisson, wie eine Aufnahme des Senders France 2 belegt.

Kaum öffentliche Auftritte mit Sarkozy

Gemeinsam mit dem Präsidenten sieht man ihn so gut wie nie in der Öffentlichkeit. Eine der seltenen Ausnahmen: der Besuch Sarkozys bei Papst Benedikt 2010, bei dem der Präsident vor laufenden Kameras Buisson mit den Worten „das ist Patrick Buisson, ein in Frankreich sehr engagierter Intellektueller“ vorstellt.

Für den Augenblick gibt sich Buisson für den Wahlkampf Sarkozys kämpferisch. Hollande prognostiziert er im entscheidenden zweiten Wahlgang weniger Stimmen als dessen ehemaliger Lebensgefährtin Segolene Royal, die bei der letzten Präsidentschaftsstichwahl gegen Sarkozy angetreten war. Hollandes einziger Antrieb sei, die Wahl in ein Anti-Sarkozy-Referendum umzuwandeln, so Buisson in einem Interview im März mit „Le Monde“.

Wie De Gaulle 1958

Den Aspekt des „Rechtsrucks“, den viele Beobachter im Wahlkampf Sarkozys 2007 und auch jetzt sehen, kommentiert Buisson so: Sarkozy nehme, „wie de Gaulle 1958“, breite Stimmungen der Bevölkerung auf und habe gleichzeitig die Stimme des traditionell konservativen Lagers hinter sich. „Fast zwei von drei Franzosen stimmen mit Sarkozy beim Thema der Reduktion der legalen Immigration um die Hälfte zu“, so Buisson, der auch Marine Le Pen einen zu verwaschenen Wahlkampf vorhält: Marine Le Pen habe sich auf zu viele neue Themenschauplätze begeben, auf denen ihre Glaubwürdigkeit nicht sehr stabil sei, zugleich aber vergessen, die klassischen Front-National-Themen zu mobilisieren.

Die Entscheidung werde die Mobilisierung an den Urnen im zweiten Wahlgang bringen, prophezeit Buisson. Alle Umfragen, die einen Wahlsieg Hollandes prophezeiten, gingen davon aus, dass 40 bis 50 Prozent der Marin-Le-Pen-Wähler nicht zu den Urnen gingen und auch ein hoher Anteil der Wähler des Zentrumspolitikers Francois Bayrou daheim blieben. Doch an eine Präsidentschaftswahl seit 1965, bei der im zweiten Wahlgang weniger Menschen an der Urne gewesen wären als im ersten, könne er sich nicht erinnern, so Buisson, der zwanzig Jahre in der Demoskopie gearbeitet hat.

Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy und Präsidentschaftskandidat Francois Hollande

Reuters

Sarkozy oder Hollande? Die Antwort auf die Frage, wer das Rennen um die Präsidentschaft macht, wird der zweite Wahldurchgang geben

„Geschichten, an die Medien gerne glauben“

„Der Vorteil des sozialistischen Kandidaten ist auf einem Szenario aufgebaut, bei dem vier bis fünf Millionen Wähler aus dem ersten Wahlgang beim zweiten Wahlgang nicht an die Urnen schreiten. In anderen Worten: Das Szenario ist auf Sand gebaut.“ Die Medien, so Buisson, erzählten im Moment Geschichten, die sie gerne glauben möchten. „Es wäre besser“, so der Berater im Schatten, „sie würden sich für jene Geschichten interessieren, die sich vor ihren Augen schreiben.“

Gerald Heidegger, ORF.at

Links: