„Anfang einer Blasenbildung“
Der deutsche Immobilienmarkt hat lange als Sorgenkind gegolten - sind doch jahrelang die Preise eher gesunken als gestiegen, während die Immobilienpreise in London und Paris zu immer weiteren Höhenflügen angesetzt haben. Mit der Schuldenkrise vor allem in den südlichen Euro-Ländern und der guten wirtschaftlichen Lage Deutschlands ändert sich die Situation.
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Vor allem für die Metropolen wie Hamburg, München und Berlin schließen Experten eine Blasenbildung nicht mehr aus. Die Preise steigen erstmals seit dem Wiedervereinigungsboom wieder. Zwischen 1999 und 2005 waren die Preise noch um rund acht Prozent gefallen.
Wohnimmobilien in den 125 größten Städten Deutschlands verteuerten sich laut der Deutschen Bundesbank im vergangenen Jahr um durchschnittlich 5,5 Prozent. Ein Ende des Anstiegs scheint nicht in Sicht. Allein im ersten Quartal stiegen laut dem Immobilienindex IMX die Preise für bestehende Wohnungen um 5,4 Prozent in München und um 4,9 Prozent in Berlin.
Jagd nach Wohnungen
Den „Anfang einer Blasenbildung“ glaubt etwa der Immobilienexperte der Universität Regensburg, Steffen Sebastian, zu erkennen, wie er der deutschen „Zeit“ sagte. Derzeit liege die Nachfrage weit über dem Angebot. Das könne bei einer schrumpfenden Bevölkerung allerdings nicht nachhaltig sein. Einige Experten warnen vor dem Risiko des Preisrückschlags.
Die Wohnungssuche in den zentralen Ballungsräumen entwickelt sich zunehmend zu einer Jagd nach Wohnungen, die zum Kauf angeboten werden. Oft sind Entscheidungen in Minuten zu fällen, weil sonst der nächste Interessent zum Zug kommt. Selbst bei Wohnungsversteigerungen im Berliner Problembezirk Neukölln etwa, wo noch vor einem Jahr kaum Interesse bestand, würden jetzt Wohnungen weit über ihrem aktuellen Marktwert versteigert. „Was jetzt passiert, ist einfach Wahnsinn“, sagte ein Immobilienfachmann gegenüber der „Zeit“.
Gute Aussichten „schuld“ an Immoboom
Mitverantwortlich dafür sind gute Konjunkturaussichten in Deutschland verbunden mit niedrigen Zinsen, die große Sorge vor Inflation, wenig lukrative Aussichten auf den Finanzmärkten und die Schuldenkrise in einigen Euro-Staaten. Flossen in den vergangenen Jahren deutsche Investitionen ins Ausland, zieht Deutschland mittlerweile wieder ausländisches Kapital an - nicht zuletzt aus den Krisenländern wie Griechenland und Spanien, von wo Vermögen nach Deutschland gerettet wird.
Zugleich erwarten sich Fondsgesellschaften aus Asien, Skandinavien und Nordamerika lukrative Geschäfte in Deutschland, insbesondere in der Immobilienbranche. Auch deutsche Unternehmen, Versicherungen, Pensionskassen und Fonds zeigen großes Interesse. Allein in den ersten drei Monaten erwarben professionelle Investoren 70.000 Wohnungen im Wert von insgesamt 3,42 Mrd. Euro. Das seien bereits 60 Prozent des gesamten Volumens aus dem vergangenen Jahr, so der Wohnungsexperte Malte Maurer von der Beratungsgesellschaft Jones Lang La Salle gegenüber der deutschen „Welt“.
Investoren nützen das billige Geld
Die Banken, ausgestattet mit billigem Geld der Zentralbanken, geben dieses mit niedrigen Zinsen weiter. Zehnjährige Immobiliendarlehen sind derzeit etwa mit rund drei Prozent verzinst. Das nützen nicht nur private Käufer, sondern zunehmend auch internationale Investoren. Der Finanzinvestor Cerberus, Eigentümer der BAWAG, der schon 2004 einmal mit einem Kauf Tausender Wohnungen in Berlin für Aufregung gesorgt hatte, will nun gemeinsam mit dem Immobilienverwalter Corpus Sireo rund 22.000 Wohnungen in Deutschland kaufen und könnte dafür rund 900 Mio. Euro auf den Tisch legen. Das wäre heuer bereits die dritte große Übernahme auf dem deutschen Wohnungsmarkt.
Experten erwarten, dass mit der stärker geforderten Eigenkapitalausstattung von Banken die festverzinsten Kredite auf Darlehen mit variabler Verzinsung umgewandelt werden. Dadurch könnte der Immobilienmarkt instabil werden. Die Gefahr wachse, dass die Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können. Zudem warnen sie aufgrund der fehlenden Angebote vor Investitionen in schlechte Immobilien.
Angebot hält nicht mit Nachfrage mit
Zumindest für die nächsten zwei, drei Jahre wird noch ein Anstieg der Preise erwartet. Mittlerweile leben laut einer Umfrage der Commerzbank 59 Prozent der Deutschen im eigenen Haus oder in einer Eigentumswohnung. 2010 waren es noch 55 Prozent.
Neu gebaut werden vor allem höherwertige Wohnungen. Wer sich das nicht mehr leisten kann, muss in Großsiedlungen am Stadtrand ziehen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Angebot nicht mit der Nachfrage mithalten kann. Einer Studie des Pestel-Instituts zufolge fehlen in München derzeit 31.000 Mietwohnungen, in Frankfurt 17.000 und in Hamburg 15.000. Bis 2017 müssten demnach bis zu 825.000 Mietwohnungen neu gebaut werden.
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