Monti sieht Spanien als Verursacher
Der bereits überwunden geglaubte Streit zwischen Spanien und Italien in der Schuldenkrise ist wieder aufgeflammt. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy mahnte am Mittwoch zur Zurückhaltung bei Kommentaren zu Spanien. „Ich meine insbesondere, was gestern Abend vonseiten führender EU-Politiker geäußert wurde“, sagte Rajoy vor Parlamentariern seiner konservativen Volkspartei.
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„Was gut für Spanien ist, ist auch gut für die Euro-Zone“, so Rajoy weiter. Medienberichten zufolge hatte Italiens Regierungschef Mario Monti die Finanzprobleme Spaniens als Hauptgrund für die jüngsten Spannungen an den europäischen Rentenmärkten bezeichnet. Zwischen den beiden Politikern hatte es bereits zuvor eine Auseinandersetzung über den richtigen Kurs gegen die Krise gegeben: Auslöser des Streits war, dass Rajoy bei der EU für 2012 ein weniger ehrgeiziges Defizitziel durchgesetzt hatte. Monti hatte seinem spanischen Kollegen daraufhin vorgeworfen, auf dem Weg zur Etatsanierung zurückgefallen zu sein. Ende März hatten sich beide Politiker nach Angaben Montis dann ausgesprochen.
Rajoy wehrt sich gegen Gerüchte
Das von Schulden geplagte Spanien muss nach Worten von Rajoy entgegen anderslautenden Gerüchten und Spekulationen keine internationalen Hilfsgelder in Anspruch nehmen. Das sei völlig ausgeschlossen, sagte der konservative Regierungschef weiter. „Es gibt Länder, die ihre Schulden nicht begleichen konnten und in denen daher eine internationale Hilfsaktion erforderlich wurde. Das ist in Spanien nicht der Fall, weder jetzt noch in der Zukunft“, betonte Rajoy.
„Wir haben den Weg eingeschlagen, den wir einschlagen mussten.“ Es seien Reformen von historischen Ausmaßen notwendig, die nicht immer auf Verständnis stießen. Aber er gehe davon aus, dass auf diese Weise mittelfristig die Grundlagen für ein neues Wirtschaftswachstum gelegt würden, sagte der Regierungschef. Auch die EU stuft das Land nicht als Kandidaten für Rettungshilfen ein.
EZB droht Spekulanten
Die Europäische Zentralbank (EZB) will das erneut ins Visier der Märkte geratene Spanien allerdings aus der Schusslinie nehmen. Direktoriumsmitglied Benoit Coeure drohte spekulativen Anlegern am Mittwoch damit, am Staatsanleihenmarkt wieder als Käufer aktiv zu werden: „Wir haben ein Instrument für Interventionen, das SMP (Ankaufprogramm). Es wurde zuletzt nicht genutzt, existiert aber.“ Die EZB hatte ihr auch intern umstrittenes Programm zuletzt ruhen lassen.
Zinsen auf untragbarem Niveau
Doch Spanien und auch Italien sehen sich wachsender Skepsis der Investoren gegenüber, so dass die Zinsen zuletzt wieder auf ein untragbares Niveau stiegen. Die EZB hatte bereits im Sommer 2011 ihr Bond-Ankaufprogramm SMP wiederaufleben lassen, das wegen seiner Nähe zur verbotenen Staatsfinanzierung bei der Deutschen Bundesbank größtes Unbehagen auslöst. Mit den offiziell als Marktstütze begründeten Käufen drückte die EZB de facto die Refinanzierungskosten der Schuldenländer.
Seit Mai 2010 hat sie bereits Käufe im Volumen von rund 214 Mrd. Euro abgewickelt. Zugleich hatte EZB-Chef Mario Draghi das Finanzsystem in zwei Wellen im Dezember und Ende Februar mit mehr als einer Billion Euro geflutet. Viele Banken investierten das zum Leitzins von einem Prozent geliehene Geld in den rentablen Ankauf von Bonds von Schuldenländern. Dieser Effekt verpufft nun aber allmählich, wie Experten befürchten.
Spanien „zu stolz“
Innerhalb der EZB kann man sich mittlerweile vorstellen, dass Spanien nicht komplett als Volkswirtschaft unter den Rettungsschirm von EU und IWF schlüpft, sondern nur seine Banken auf diese Weise stützt. „Spanien könnte sich so verhalten, denn es ist zu stolz, unter den Schirm zu gehen, wie der kleine Nachbar Portugal es tun musste“, hieß es in Frankfurt.
Spanien ist aus Sicht der EU definitiv kein Kandidat für den Euro-Rettungsfonds EFSF. Das Land könne seine Banken ohne EFSF-Kredite stützen, betonte ein Sprecher der EU-Kommission. Spaniens Geldhäuser kämpfen jedoch mit erheblichen Altlasten in ihren Bilanzen: Nach dem Platzen einer Immobilienblase haben die Banken zwischen Bilbao und Granada allein 176 Mrd. Euro an problematischen Immobilienpapieren in den Büchern. Der Staat hat jedoch ausgeschlossen, weitere Hilfen in den Sektor zu pumpen.
Tiefes Loch in der Kassa
Spanien kämpft zugleich mit schwindendem Vertrauen der Investoren: Es erhielt einen deutlichen Knacks, als Rajoy in Brüssel für dieses Jahr ein weniger ehrgeiziges Defizitziel durchdrückte. Dennoch muss das Land bereits 2013 die im Maastricht-Vertrag festgelegte Obergrenze für den Fehlbetrag in der Staatskasse auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) drücken. Eine wahre Herkulesaufgabe, da 2011 noch ein tiefes Loch von 8,5 Prozent in der Kasse klaffte.
Obwohl Rajoy bereits ein 27 Mrd. Euro schweres Sparpaket auf den Weg gebracht hat und durch weitere Einschnitte in den Bereichen Bildung und Gesundheit weitere zehn Mrd. Euro hinzukommen sollen, zweifeln Experten am raschen Erfolg der Rosskur. Denn die Wirtschaft rutscht derzeit in eine Rezession und dürfte dieses Jahr um 1,7 Prozent schrumpfen. Die Industrieproduktion ist bereits seit einem halben Jahr auf Talfahrt. Im Februar schrumpfte der Ausstoß jüngsten Daten zufolge um 5,1 Prozent.
Kapitalflucht hält an
Deutschland sieht Spanien trotz aller Probleme zu Unrecht im Visier der Investoren. „Spanien hat seit Ausbruch der Krise eine Vielzahl von Reformen durchgeführt. Daher bedauern wir, dass die Märkte diese Anstrengungen noch nicht angemessen honorieren“, sagte ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums. Auch Frankreichs Regierung betonte in Paris, Ängste über den Zustand der spanischen Wirtschaft seien übertrieben.
Dennoch herrscht unter den Anleiheinvestoren weiter Nervosität, die auch auf das Schuldenland Italien ausstrahlt. Am Tag vor der Auktion neuer lang laufender Anleihen in Rom sank die Rendite italienischer Papiere zwar ein wenig. Allerdings blieb sie weiter in einem für die staatliche Refinanzierung kritischen Bereich. Zehnjährige Papiere rentierten mit 5,55 Prozent nach 5,7 Prozent im späten Vortagesgeschäft. Als magische Marke gelten sechs Prozent - und somit ein Level, das für Staaten als nicht lange tragbar gilt. Investoren aus dem Ausland sind laut Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz auf der Hut: „Die neuesten Daten zeigen eine anhaltende Kapitalflucht aus Spanien und Italien.“
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