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„Vertreten eine andere Position“

Geht es nach ÖVP-Wirtschaftsbund-Chef Peter Hauber soll es künftig für den ersten Krankenstandstag kein Geld mehr geben. Vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und den Oppositionsparteien wurde der Vorstoß in einer ersten Reaktion am Samstag strikt zurückgewiesen.

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„Politisch unverfroren“ ist nach Ansicht des Leitenden ÖGB-Sekretärs Bernhard Achitz, dass der Wirtschaftsbund zum einen Krankengeld für Selbstständige fordert, „gleichzeitig soll Arbeitnehmern die Bezahlung am ersten Krankenstandstag gestrichen werden“. Zudem sei der Vorschlag auch aus wirtschaftlicher Sicher „Unsinn“, wie Achitz per Aussendung betonte.

Kranke Arbeiter seien demnach im Betrieb unfallanfälliger. Wer sich nicht rasch auskuriere, riskiere außerdem einen Langzeitkrankenstand. Dazu komme noch die Ansteckungsgefahr. „Damit sollte klar sein, dass es für einen Betrieb sinnvoller ist, wenn kranke Mitarbeiter zu Hause bleiben“, stellt Achitz fest.

„Druck auf Arbeitnehmer steigt“

Mit seiner im „Kurier" (Samstag-Ausgabe“) gestellten Forderung würde Haubner den Arbeitnehmern zudem unterstellen, „aus Jux und Tollerei“ Krankenstand in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sei aber genau das Gegenteil der Fall: „Wir wissen, dass der Druck auf die Arbeitnehmer steigt und sie eher dazu neigen, sich krank in die Arbeit zu schleppen, weil sie Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren“, sagt Achitz.

Sinnvoll sei laut Achitz aber Haubners Anregung, in betriebliche Gesundheitsförderung zu investieren. „Wenn Arbeitgeber für ein gutes Betriebsklima und gesunde Arbeitsbedingungen sorgen, nimmt die Zahl der Krankenstandstage automatisch ab“, zeigt sich der ÖGB-Funktionär überzeugt.

Absage auch von ÖVP-Arbeitnehmerbund

Widerstand gegen die Forderung des ÖVP-Wirtschaftsbunds kam auch aus der eigenen Partei. Der ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB lehnt den Vorstoß von Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner ab. „Wir respektieren die Position des Wirtschaftsbundes zu Krankenständen. Aber wir vertreten eine andere Position“, sagte ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl in einer Aussendung am Samstag.

Mandl betonte, dass auch der ÖAAB für eine Senkung der Lohnnebenkosten eintrete. Das könne allerdings nicht bedeuten, die Kosten auf die Arbeitnehmer zu verlagern.

SPÖ: „Unausgegoren“

Wenig begeistert von Haubners Vorstoß zeigte sich auch die SPÖ. Deren Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter, Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, bezeichnete den Vorschlag per Aussendung als „unausgegoren“. Die Gesundheit der Mitarbeiter sei demnach „ein entscheidender Faktor für die österreichische Wettbewerbsfähigkeit“. Es müsse daher in erster Linie darum gehen, „die Arbeitsplätze gesünder und ergonomischer zu gestalten, um Krankenstände zu vermeiden“.

An sozialstaatlichen Errungenschaften zu kratzen, wie jener des bezahlten Krankenstandes, sei Matznetter zufolge jedenfalls der falsche Weg. Überdies laufe der Wirtschaftsbund durch seine Forderung Gefahr, sich des Vorwurfes schuldig zu machen, alle Arbeitnehmer unter einen „Generalverdacht zu stellen“.

FPÖ: „Geschmacklose Initiative“

Der stellvertretende FPÖ-Obmann Norbert Hofer bezeichnete den Vorschlag als „besonders geschmacklose Initiative“. Für ihn unterstellt Haubner, dass Arbeitnehmer bei eintägigen Krankenständen „blaumachen“. Dabei seien von eintägigen Krankenständen vor allem chronisch Kranke mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen betroffen. Sie wären die „Hauptopfer dieser unsozialen Politik“, so Hofer via Aussendung.

Grüne: „Verspäteter Aprilscherz“

Die grüne Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz vermutet in Haubners Idee unterdessen einen „verspäteten Aprilscherz“. „Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit schützt nicht nur die kranken Mitarbeiter, sondern auch die Betriebe. Wer sie einschränkt, erntet Menschen, die mit Fieber in die Arbeit gehen und andere anstecken können“, so Schatz in einer Aussendung. Sie vermutet, dass Haubner ohnehin nur auf die schnelle Schlagzeile aus war „und nicht überlegt hat, was er da fordert“.

BZÖ: „Kontraproduktiv“

BZÖ-Arbeitnehmersprecher Sigisbert Dolinschek bezeichnete die Idee als „kontraproduktiv, unausgegoren und schlichtweg dumm“. Er gehe davon aus, dass - sollte für den ersten Krankenstandstag kein Gehalt gezahlt werden - die Betroffenen eben zum Arzt gehen und sich für mehrere Tage krankschreiben lassen würden.

Unterstützung nur von Wirtschaftskammer

Unterstützt wird Haubner nur von der Wirtschaftskammer (WKO). Für Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser (ÖVP) wäre eine Entlastung der Unternehmen durch Übernahme des ersten Krankenstandstages durch die Arbeitnehmer „hoch an der Zeit“. Sie verwies in einer Aussendung darauf, dass zuletzt mehrere neue Kostenbelastungen für die Betriebe eingeführt worden seien - etwa das Recht auf Elternteilzeit, der Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitarbeitende und die „Auflösungsabgabe“ bei Kündigungen. Außerdem müssten Betriebe immer öfter auch Entgeltfortzahlung für Situationen leisten, die nichts mit der betrieblichen Sphäre zu tun hätten.

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