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Amnestie für illegalen Kahlschlag

Die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien hat dramatisch zugenommen. Wie das nationale Institut für Raumforschung unter Berufung auf Satellitenbilder am Donnerstag (Ortszeit) mitteilte, war die zwischen Jänner und März 2012 abgeholzte Fläche dreimal so groß wie die im Vorjahreszeitraum.

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Während die Pflanzenwelt damals auf 135 Quadratkilometern verloren ging, seien es diesmal 388 Quadratkilometer gewesen. Am schwersten betroffen war der Regenwald von der Abholzung demnach im zentralbrasilianischen Bundesstaat Mato Grosso, wo viele Rinderzüchter und Sojaproduzenten leben. Brasilien ist der weltgrößte Exporteur von Soja und Rindfleisch. Allerdings gilt der Verlust tropischer Wälder als ein maßgeblicher Faktor für den weltweiten Klimawandel.

Politik forciert Abholzung

Die brasilianische Politik sieht sich nicht in der Lage, scharfe Regelungen für den Schutz des Regenwaldes zu erlassen. Trotz des offiziellen politischen Postulats, die Zerstörung am Amazonas bis 2020 um 80 Prozent zu reduzieren, ist offensichtlich das genaue Gegenteil Realität: So liegt im brasilianischen Abgeordnetenhaus eine Gesetzesnovelle zur Abstimmung bereit, mit deren Vollzug die Schutzbestimmungen für den Regenwald neuerlich drastisch aufgeweicht würden.

Baumstämme aus dem Amazonas-Regenwald in Brasilien werden auf einen Lkw geladen

Reuters/Jamil Bittar

Das Bagger-Aufkommen im Amazonas-Gebiet könnte noch stärker werden

Der Senat hatte den Entwurf des „Codigo Florestal“ erst im Dezember mit 59 Ja- und sieben Nein-Stimmen gebilligt. Die Abgeordneten hatten der Novelle zwar bereits 2011 zugestimmt - nach Änderungen durch den Senat müssen sie sich aber erneut mit dem Thema befassen. Grund für die Änderungen: die 2011 frisch ins Amt gewählte Präsidentin Dilma Rousseff hatte den Entwurf damals als „Schande für Brasilien“ bezeichnet, worauf der Senat die Vorlage in einigen Punkten verändern musste. Nach dem „Sanctus“ ist nun wiederum das Abgeordnetenhaus am Zug, bevor der Entwurf zur Unterschrift an Rousseff geht.

WWF: „Großer Rückschritt“

Für Brasiliens WWF-Generalsekretärin Maria Cecillia Wey de Brito hat sich durch die Abänderung der Novelle kein großer Unterschied ergeben. Sie zieht einen drastischen Vergleich: „Ob ich jemanden aus dem 15. Stock eines Hochhauses oder aus der zehnten Etage stoße - das Ergebnis ist gleich.“ Sie hält die neuen Pläne für einen „großen Rückschritt“, der die international gemachten Zusagen Brasiliens unmöglich machen würde.

Umweltschützer kritisieren das Gesetz als „fatales Signal“ und Freibrief für illegale Abholzungen. Die Änderungen sehen unter anderem eine Amnestie für kleine Landwirtschaftsbetriebe vor, die vor Juli 2008 Flächen illegal rodeten. Zudem sollen landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten an Hangflächen ausgeweitet, Schutzzonen an Flussufern verringert und gesetzlich fixierte Mindestquoten für Naturflächen unter bestimmten Bedingungen reduziert werden.

Ökologisch sensible Gebiete

Das neue Gesetz sei „ein Anreiz für mehr Abholzungen. Flächen, die heute geschützt sind, fallen aus diesem Schutz raus“, sagt die Biologin Maria Teresa Piedade vom Instituto Nacional de Pesquisas da Amazonia (INPA), dem öffentlichen Amazonas-Forschungsinstitut in Manaus. Beide warnen, durch das neue Gesetz könnte ein Feuchtbiotopegebiet von mehreren hunderttausend Quadratkilometern entlang der großen Flüsse im Amazonas-Becken schutzlos werden. Es sind ökologisch sensible Gebiete, die mehrere Monate im Jahr unter Wasser stehen. „Für diese überschwemmten Gebiete ist der neue Codigo ein immenses Risiko. Wir sind ernsthaft besorgt“, warnte Piedade.

Zwei Drittel der CO2-Emissionen

Umweltschutzorganisationen hoffen, dass das Abgeordnetenhaus mit Blick auf die im Juni 2012 in Rio stattfindende UNO-Umweltkonferenz „Rio+20“ den Schutz für den Regenwald nicht lockert. Die Waldzerstörung wird in Brasilien für nahezu zwei Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich gemacht. Brasilien will seine CO2-Emissionen bis 2020 um 39 Prozent und die Waldabholzung um 80 Prozent verringern.

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