Warnung vor humanitärer Katastrophe
Die Tuareg-Rebellen der Nationalen Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) haben die Unabhängigkeit für den Norden Malis ausgerufen. „Wir verkünden feierlich die Unabhängigkeit von Azawad, die von heute an gilt“, sagte MNLA-Sprecher Mossa Ag Attaher am Freitag dem französischen Sender France 24.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Tuareg nennen das Gebiet, das sie für sich beanspruchen, Azawad. Die MNLA wolle die Grenzen zu den angrenzenden Staaten anerkennen, ergänzte der Sprecher. Auch in einer im Internet verbreiteten Erklärung gaben die Tuareg-Rebellen die Unabhängigkeit von Azawad bekannt. Das Exekutivkomitee der MNLA bitte die Internationale Gemeinschaft, ihren Staat unverzüglich anzuerkennen. Tags zuvor hatten die Rebellen die Kampfeinsätze für beendet erklärt.
EU und AU lehnen Unabhängigkeit ab
Die Europäische Union und die Afrikanische Union (AU) lehnen die von Tuareg-Rebellen ausgerufene Unabhängigkeit ab. „Die EU hat in der Krise durchgehend deutlich gemacht, dass sie die territoriale Unversehrtheit Malis respektiert“, erklärte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Freitag in Brüssel. „Die EU wird weiterhin humanitäre Hilfe in bedürftige Gemeinden liefern, wo auch immer diese sich befinden.“
Auch die AU wies die Ausrufung der Unabhängigkeit durch die Rebellen zurück. Diese sei „nichtig und habe keinen Wert“, hieß es in einer Erklärung von AU-Kommissionspräsident Jean Ping. Ähnlich hatte sich zuvor der französische Außenminister Gerard Longuet geäußert. Mit Unverständnis reagierte Frankreich: „Eine einseitige Unabhängigkeitserklärung, die nicht von den afrikanischen Staaten anerkannt wurde, macht keinen Sinn“, ließ die Presseabteilung des Verteidigungsministers Gerard Longuet wissen.
Weltsicherheitsrat verurteilt Rebellenangriffe
Der Weltsicherheitsrat hatte am Mittwoch in New York eine Erklärung verabschiedet, in der unter anderem die Angriffe der Rebellen im Norden des Landes scharf verurteilt und ein Ende der Gewalt gefordert wurde. Mit Hilfe von islamistischen Gruppen hatte die MNLA am vergangenen Wochenende die historische Stadt Timbuktu eingenommen, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.
200.000 aus Region geflohen
Meuternde Soldaten hatten sich am 22. März an die Macht geputscht und Präsident Amadou Toumani Toure gestürzt. Die Armee Malis zog sich anschließend weitgehend aus dem Norden zurück, was den Tuareg-Rebellen ein schnelles Vorrücken in die wichtigsten Städte des Gebietes ermöglichte. Der Norden Malis ist seitdem kaum mehr zugänglich. Die Lage ist dort auch angesichts der Vielzahl bewaffneter Gruppen sehr unübersichtlich. Laut Amnesty sind seit Beginn der Unruhen bereits mehr als 200.000 Menschen aus der Region geflohen. Die Hälfte davon habe sich in Nachbarländern in Sicherheit gebracht.
Das über mehrere Staaten verteilte Nomadenvolk der Tuareg hatte in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gewaltsam aufbegehrt. In Mali gelang es der MNLA nach dem Militärputsch am 22. März, gemeinsam mit der islamistischen Gruppe Ansar Dine innerhalb weniger Tage weite Teile des Nordens unter ihre Kontrolle zu bringen.
Plünderungen, Entführungen und Chaos
Amnesty International warnt unterdessen vor einer „schweren humanitären Katastrophe“ im Norden Malis. Seit der Erstürmung durch Tuareg-Rebellen und Islamisten habe es in der Region um die Städte Gao, Kidal und Timbuktu „Tage voller Plünderungen, Entführungen und Chaos“ gegeben, teilte die in London ansässige Menschenrechtsorganisation gestern mit. Zudem gebe es Berichte über Vergewaltigungen.
Algerischer Konsul und sechs Mitarbeiter entführt
Am Donnerstag wurden ein algerischer Konsul und sechs seiner Mitarbeiter in der Stadt Gao entführt. Das sagte der algerische Außenminister Mourad Medelci algerischen Staatsmedien. Die sieben Personen seien von bisher nicht identifizierten bewaffneten Männern gezwungen worden, das Konsulat zu verlassen und an einen nicht bekannten Ort gebracht worden, sagte Medelci. Die Regierung bemühe sich um ihre Freilassung.
Die humanitäre Lage verschlechtere sich zusehends, erklärte Amnesty. In Gao sei beispielsweise die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen. Die Vorräte an Lebensmitteln und Medikamenten der Hilfsorganisationen seien geplündert worden. Die meisten Helfer seien geflüchtet. „Die Menschen sprechen von einer nahezu völligen Gesetzlosigkeit.“
Links: