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Insider packt aus

„Schlange stehen, um zu scheitern“: Mit diesen Worten wird einem Medienbericht zufolge das Schicksal jener Jobsuchenden beschrieben, die in Italien Tag für Tag vor Dutzenden fragwürdigen Castingagenturen von einer Karriere im Showbiz träumen.

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Denn von den weit über 100.000 Personen, die sich bereits in den Datenbanken der Agenturen finden sollen, bekommt laut „Repubblica“ nur eine Handvoll tatsächlich die Chance auf eine Beschäftigung. Doch selbst dann könne von einer großen Karriere keine Rede sein - vielmehr würden alibimäßig lediglich einige wenige Komparsenjobs vergeben.

„Uns interessierte nur das Geld“

Die Zeitung beruft sich in ihrem Bericht über die „Fabrik der Illusionen“ unter anderem auf einen Insider, der in leitender Funktion in einer großen römischen Castingagentur tätig gewesen sein soll. Auch wenn in deren Datenbank die Profile von über 12.000 Bewerbern zu finden waren, habe er während seiner gesamten aktiven Laufzeit „maximal fünf bis sechs Personen“ vermittelt. Nur eine davon habe eine „nicht so unwichtige“ Rolle bei einem Filmprojekt erhalten.

Das eigentliche Geschäftsziel sei aber ohnehin nicht die Vermittlung, sondern vielmehr das Sammeln von Bewerbungen und damit das Kassieren der damit verbundenen Einschreibgebühr gewesen: „Uns interessierte nur das Geld.“ Von den aus allen Landesteilen Angereisten habe man demnach nicht nur die eigentlichen Bewerber, sondern selbst deren Begleiter „gecastet“. Von Betrug im eigentlichen Sinn könne dem ehemaligen „Casting-Director“ zufolge dennoch keine Rede sein, da in den Verträgen nur von einer Aufnahme in die Datenbank und nie von einem konkreten Job die Rede gewesen sei.

Bis zu 10.000 Euro Kosten

Entgegen der weit verbreiteten Vorgangsweise habe man sich zudem darauf beschränkt, die derzeit bei rund 100 Euro liegende Einschreibgebühr zu kassieren. Bei anderen Agenturen würden etwa „völlig sinnlose“ Lebensläufe, Schauspielkurse, Fotomappen aufgezwungen - Kostenpunkt laut „Repubblica“ bis zu 10.000 Euro.

In Erinnerung gerufen wird in diesem Zusammenhang die offenbar branchenübliche Regel „nie einen Euro im Voraus zu bezahlen“. Bei seriösen Agenturen sei es demnach weder üblich, Einschreibgebühren zu verlangen, noch sonstige „Leistungen“ aufzuzwingen. Einnahmequelle gebe es hier demnach mit einem Anteil (derzeit zehn Prozent für TV und Kino und 20 Prozent bei Werbespots) am Gehalt von wirklich vermittelten Jobs.

Sammelklage angekündigt

Der Verein Avvocato del Cittadino verspricht den Opfern des Casting-Schwindels unterdessen zumindest finanziell die Aussicht auf Entschädigung. Jeder Fall, der bei der 2009 gegründeten „Straßenanwälte“-Organisation gemeldet wird, würde demnach genau geprüft. Ziel sei es per Sammelklage gegen die betrügerischen Agenturen vorzugehen.

Peter Prantner, ORF.at

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